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Genanalyse Afrikas älteste DNA gibt Einblicke in Partnersuche von damals

Quelle: Pressemitteilung

Vor 10.000 Jahren fanden sich Paare ganz ohne App. Analysen von alter DNA aus Afrika legen nahe, dass die frühen Menschen viel gewandert sind und sich die Stammbäume stark vermischten. Diese und weitere Einblicke beschreiben Forscher der Universität Wien in einer aktuellen Studie.

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Hora Rockshelter in Malawi/Afrika. Hier wurden bei Ausgrabungen kürzlich zwei jener Menschen entdeckt, die im Rahmen einer gemeinschaftlichen Studie zu uralter DNA analysiert wurden.
Hora Rockshelter in Malawi/Afrika. Hier wurden bei Ausgrabungen kürzlich zwei jener Menschen entdeckt, die im Rahmen einer gemeinschaftlichen Studie zu uralter DNA analysiert wurden.
(Bild: Jacob Davis)

Wien/Österreich – Wie lebten die frühen Menschen vor einigen tausend bis zehntausend Jahren? Wie viel reisten sie umher und wo fanden sie ihre Lebenspartner? Solche Fragen zu beantworten ist eine aufwändige Detektivarbeit für Anthropologen. Neben Werkzeugfunden helfen v. a. DNA-Analysen von fossilen Überresten dabei, sich ein umfassenderes Bild der damaligen zeit zu machen. Nun hat ein interdisziplinäres Team mit Beteiligung der Universität Wien neu entdeckte, „uralte DNA“ (ancient DNA, aDNA) aus Subsahara-Afrika analysiert, die mehr als doppelt so alt ist wie bisher veröffentlichte Gensequenzen aus dem Gebiet. Die 5.000 bis 18.000 Jahre alten Proben aus Malawi, Tansania und Sambia sind die älteste DNA, die jemals in Afrika gefunden wurde.

Zusätzlich untersuchten die Forscher abermals die Daten von 28 menschlichen Überresten von Grabstätten auf dem ganzen Kontinent, wodurch neue und verbesserte Daten bei 15 Proben gewonnen wurden. Das Ergebnis ist ein beispielloser Datensatz mit uralter DNA von Jägern und Sammlern vom afrikanischen Kontinent. „Unsere Erkenntnisse aus den Proben, die 5.000 bis 18.000 Jahre alt sind, können wir auf die bekannten Bevölkerungsmuster vor 20.000 bis 80.000 Jahren umlegen“, erklärt Ron Pinhasi von der Uni Wien.

Networking im alten Afrika

Aus den Genanalysen zogen die Wissenschaftler Schlüsse auf die Lebensweise und die Interaktionen der frühen Menschen Afrikas. Schon vor etwa 50.000 Jahren zogen Menschen aus verschiedenen Regionen des Kontinents in andere Regionen und ließen sich dort nieder. Sie bildeten Bündnisse und Netzwerke über größere Entfernungen, um Handel zu treiben, Informationen auszutauschen und sogar um Partner für die Fortpflanzung zu finden. Dieses soziale Netzwerk war die Grundlage für ihr Überleben und Gedeihen, schreiben die Forscher aus Wien.

Anhand der aktuellen Studie ist nachvollziehbar, wie die Menschen in Subsahara-Afrika zu dieser Zeit wanderten und wie sich verschiedene Stammbäume vermischten. Die neuen Ergebnisse zeigen nun die Entwicklung eines eher lokalen Verhaltens in Ostafrika im Laufe der Zeit auf. Vor etwa 20.000 Jahren hat ein Umbruch stattgefunden, als die Menschen begannen, weniger umherzuziehen. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende soziale Netzwerke den Informationsfluss und die Verbreitung von Technologien ermöglichten, ohne dass die Menschen dafür umherziehen mussten.

„Unsere Daten bestärken archäologische Beweise für Veränderungen in der Reichweite sozialer Netzwerke vor rund 12.000 Jahren, nach Beginn des Holozäns“, sagt Pinhasi. „Vor Beginn des Holozäns legten die Menschen große Entfernungen zurück, um Partner*innen aus einem breiten geografischen und kulturellen Spektrum zu finden. Infolge bedeutender Umwelt- und Verhaltensänderungen haben diese Gruppen jedoch regionale Interaktionsbereiche geschaffen.“

Gemeinsam durch die Eiszeit

Vieles spricht dafür, dass Entstehung und Ausweitung von Handelsverbindungen über weite Strecken zu jener Zeit den Menschen geholfen hatten, die letzte Eiszeit zu überstehen. „Die Menschen begannen, sich auf neue Art und Weise aufeinander zu verlassen“, sagt Mary Prendergast, Erstautorin des Artikels und assoziierte Professorin für Anthropologie an der amerikanischen Rice University in Houston. „Und diese Kreativität und Innovation hat den Menschen unter Umständen ermöglicht, sich zu entfalten.“ Aber nicht nur das, zu dieser Zeit vollzog sich auch eine große kulturelle Wende, da sich Perlen, Farbstoffe und andere symbolische Kunst in ganz Afrika verbreiteten.

Perlen und Partnerwahl zeichnen ein Bild von früher

Lange Zeit ging man in der Wissenschaft davon aus, dass die großen Veränderungen in den archäologischen Aufzeichnungen von vor etwa 50.000 Jahren eine Verschiebung der sozialen Netzwerke und vielleicht sogar Veränderungen der Bevölkerungsgröße widerspiegeln. Diese Hypothesen waren jedoch schwer belegbar. Die uralte DNA war das fehlende Teil in diesem Puzzle. „Uralte DNA gibt direkten Aufschluss über die Partnerwahl und Durchmischung der Menschen selbst, während Artefakte wie Steinwerkzeuge und Perlen Aufschluss über gegenseitigen Austausch und Interaktionen geben, die eine Durchmischung zur Folge haben können oder auch nicht“, erklärt Pinhasi. „Wenn man diese beiden Aspekte kombiniert, erhalten wir eine viel umfassendere Perspektive zu wichtigen Mustern bei Menschen in Subsahara-Afrika. Diese Perspektive ist von grundlegender Bedeutung für die Geschichte der Ausbreitung des modernen Menschen innerhalb und außerhalb Afrikas sowie für die anschließende Besiedlung Eurasiens, Ozeaniens und darüber hinaus.“

Übrigens: Es gibt rund 30-mal mehr veröffentlichte alte DNA-Sequenzen aus Europa als aus Afrika. Vor dem Hintergrund, dass Afrika die größte genetische Vielfalt der Menschheit auf dem Planeten beherbergt, gibt es also für Wissenschaftler noch viel zu erkunden.

Originalpublikation: Prendergast M., Pinhasi R. et al.: Ancient DNA and deep population structure in sub-Saharan African foragers, Nature (2022); DOI: 10.1038/s41586-022-04430-9

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