Forscher warnen vor leichtfertigem Umgang mit Gentechnik Ansteckende Impfung? – Möglich, aber noch zu riskant
Eine Impfung, die sich ausbreitet und vermehrt wie eine Viruserkrankung – mit gentechnisch veränderten (GV) Viren ist das längst möglich. Für einen flächendeckenden Impfschutz wäre das zwar hilfreich, doch grundsätzlich sind die potenziellen Risiken solcher GV-Viren noch zu hoch. Zu diesem Fazit kommt das Bundesamt für Naturschutz, das vor zu laschen Regeln für den Umgang mit solchen modifizierten Viren warnt.
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Bonn – Labormodifikationen von sich selbst ausbreitenden gentechnisch veränderten (GV) Viren sind genetisch zu flexibel, um sicher und vorhersehbar außerhalb geschlossener gentechnischer Anlagen verwendet zu werden. Diese evidenzbasierte und in der Wissenschaft gut etablierte Norm wird aktuell durch vorgeschlagene neue Freisetzungen von sich selbst ausbreitenden GV Viren in die Umwelt in Frage gestellt. Im Bereich Landwirtschaft werden beispielsweise GV Viren im Pflanzenschutz oder als Vektoren zur gentechnischen Veränderung von Nutzpflanzen erforscht. Auch im Wildtiermanagement wird vorgeschlagen, GV Viren als sich selbst ausbreitende Impfstoffe einzusetzen.
„Wer vorschlägt, gentechnisch veränderte, sich selbst ausbreitende Viren freizusetzen, übersieht oder unterschätzt die Dynamik eines Virus, das von Wirt zu Wirt wandern kann“, warnt Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN). „Diese Dynamik der Selbstausbreitung verleiht Viren ein erhebliches Potenzial, ihre biologischen Eigenschaften zu verändern, sobald sie in die Umwelt gelangen. Eine solche Entwicklung birgt Gefahren, nicht zuletzt für unsere Natur.“
Verantwortungsvollen Umgang mit Gentechnik erhalten
Viren so zu verändern, dass sie bestimmt aufgaben für den Menschen erfüllen, ist längst keine Science-Fiction mehr. „Die Technik, GV Viren zu entwickeln, gibt es schon seit Jahrzehnten“, sagt Riewenherm. „Neu ist, dass sich aktuell der bewährte vorsorgliche Ansatz bei Freisetzung von GV Viren ändert.“ Neben technischen Durchbrüchen, die ganz neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, sei es daher dringend notwendig, auch einen Abbau von wissensbasierten Normen im Blick zu behalten – nicht nur bei GV Viren, sondern in Bezug auf alle gentechnischen Freisetzungen. „Auch im Bereich Genome Editing bei Nutzpflanzen muss beispielsweise weiterhin das Vorsorgeprinzip gelten, da diese Anwendungen aus wissenschaftlicher Sicht sehr weitreichend sind und damit Risiken für Mensch und Umwelt bergen können“, führt die Expertin aus.
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„Aus Sicht des Bundesamtes für Naturschutz ist es wesentlich, dass bei den 2022 anstehenden Verhandlungen bei der UN-Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt das Instrument zum so genannten Horizon Scanning der Synthetischen Biologie dauerhaft und effektiv etabliert wird“, fasst die BfN-Präsidentin zusammen. Horizon Scanning ist ein standardisiertes Vorgehen, um Trends und Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und in ihrer Auswirkung auf Natur und Umwelt zu bewerten. Dabei müssen sowohl technische Durchbrüche in der Biotechnologie, als auch sich ändernde wissensbasierte Normen beobachtet werden, schreiben die BfN-Forscher und ihre internationalen Kollegen in einer aktuellen Veröffentlichung im Fachmagazin Science.
Originalpublikation: F. Lenzos, E. P. Rybicki, M. Engelhard, P. Paterson, W. A. Sandholz, R. G. Reeves: Eroding norms over release of self-spreading viruses, Science Vol. 375, Issue 6576, pp. 31-33; DOI: 10.1126/science.abj5593
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