Aroma-Profiling Aromastoffe bestimmen: Vier Extraktionstechniken im Vergleich
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Wenn es darum geht, die Gesamtheit geruchs- und geschmacksbestimmender Stoffe in komplexen Mischungen zu identifizieren, braucht es geeignete Methoden. GC/MS als Bestimmungsverfahren gilt als gesetzt. Wie aber relevante Analyten zu fassen kriegen? Die Kombination verschiedener Extraktionstechniken kann für das Aroma-Profiling zielführend sein.

Ob ein Nahrungsmittel zum Kassenschlager avanciert oder zum Ladenhüter degradiert, hängt nicht zuletzt von den Sinneseindrücken ab, die es hervorruft. Die Geruchs- respektive Geschmackswahrnehmung, bedingt durch die dem Produkt entströmenden Aromastoffe, spielt eine zentrale Rolle: Rebelliert die Nase, die jeden Happen, der zum Munde geführt wird, aufgrund ihrer Lage im Gesicht unausweichlich zu riechen bekommt (orthonasale Aromawahrnehmung) oder löst der erste Bissen nicht Appetit auf mehr, sondern einen Spuckreiz aus (retronasale Aromawahrnehmung), dürfte das Schicksal besiegelt sein.
Unersetzliche Aromaanalytik
Nahrungsmittel- und getränkeherstellende Unternehmen wissen um den Einfluss aromaaktiver Verbindungen auf den Markterfolg von Lebens- und Genussmitteln. Aromen können Produktkarrieren beflügeln, Fehlaromen sie zerstören. Dessen ist sich die Lebensmittelbranche bewusst. Unternehmen investieren daher Aufwand, Zeit und Geld in die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität ihrer Lebensmittel und damit auch in die Aromaanalytik.
Um Auskunft zu erhalten über die geschmackliche wie geruchliche Wirkung eines Lebensmittels, müssen die darin enthaltenen, ihrer Natur nach flüchtigen Aromastoffe bestimmt werden. Da manche bereits in geringen Dosen sensorisch wirken, andere hingegen erst in hoher Konzentration, ist man gut beraten, ein möglichst umfangreiches Profil aller Aromastoffe zu erstellen. So kann es gelingen, Schlüsselaromen zu identifizieren, und zwar beiderlei Ausprägungen, also des guten wie des schlechten Geschmacks.
Vollständiges Aromaprofil
Wie man ein vollständiges Aromaprofil effizient und nachhaltig erstellt, haben Forscher des Labors für Pflanzenphysiologie der Universität in Wageningen, des niederländischen Metabolomics Centers in Leiden, des DSM Biotechnologie-Centers in Delft und des Unilever Foods Innovation Centers in Wageningen, experimentell untersucht [1]. Diez-Simon et al. standen vor der Herausforderung, kommerzielle Prozess- oder Reaktionsaromastoffe, im vorliegenden Fall die Produkte Maxagusto G28 und S99 von DSM Food Specialties auf Basis pulverförmiger Hefeextrakte, aufzuklären.
Durch Variation des Hefestammes, von Verarbeitungsparametern wie Zeit und Temperatur sowie die Kombination mit anderen Ingredienzien ließen sich unterschiedliche Geschmacksnoten erhalten und eine breite Palette hochwertiger Geschmacks- und Aromaergänzungen kreieren, schreiben die Forscher. Die aromabildenden Zutaten besagter Produkte verbessern den pikanten Geschmack von Suppen, Snacks, Soßen und Fertigmahlzeiten und verstärken spezifische sensorische Eigenschaften.
Am Rande bemerkt: Die resultierenden Aromastoffe entstammen chemischen Reaktionen wie der Lipidoxidation, Maillard-Reaktionen sowie der thermischen Zersetzung von Zuckermolekülen, Proteinen, Ribonukleotiden, Pigmenten und Vitaminen. Hieraus resultiert eine Vielzahl von Verbindungen mit den unterschiedlichsten physikochemischen Eigenschaften. Die Kenntnis der Zusammensetzung dieser Verbindungen, schildern Diaz-Simon et al., können hilfreich sein, die Aromaqualität eines Erzeugnis zu verbessern sowie flüchtige Verbindungen mit wünschenswerten sensorischen Attributen zu identifizieren.
Effizienz und Nachhaltigkeit
Während die Verwendung der Gaschromatographie gekoppelt an die Massenspektrometrie (GC/MS) als Analyse- und Detektionsverfahren zur Bestimmung von Aromastoffen qua Aufgabenstellung, sprich der Untersuchung der Natur gemäß mehr oder minder flüchtigen Verbindungen, gesetzt war, stellte sich die Frage nach der geeigneten Extraktion und Anreicherung der Analyten. Hieran knüpften Diez-Simon et al. bestimmte Forderungen. Es ging den Forschern um eine einfach zu handhabende, miniaturisierte, kosteneffiziente und nachhaltige Analytik. Letztgenannter Punkt führte zum Ausschluss klassischer Flüssigflüssigextraktionen, die mit dem Einsatz organischer, teils toxischer Lösungsmittel verbunden sind.
Extraktionstechniken im Vergleich
Diez-Simon et al. richteten ihr Augenmerk auf vier lösungsmittelfreie Extraktionstechniken, die sich beispielsweise schon bei der Bestimmung von Whiskeyaromen bewährt hatten [2]. Namentlich richteten sie ihren Blick auf die Stir Bar Sorptive Extraktion (SBSE), die Headspace Sorptive Extraktion (HSSE) sowie die Solid Phase Microextraction (SPME) und die Dynamic Headspace (DHS).
Bei der SBSE [3] und der HSSE kommt der Gerstel-Twister als Extraktionsmedium zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein spezielles, mit Polydimethylsiloxan (PDMS-Twister) oder alternativ Ethylenglycol und einem Copolymer (EG-Silicone-Twister) beschichtetes Rührstäbchen, das aufgrund seiner Geometrie im Vergleich beispielsweise zu der in der SPME genutzten Faser über die signifikant größte Sorptionsmenge verfügt. Damit ist auch die Extraktionskapazität Sorbens-spezifisch am höchsten, insbesondere für mittel- und niederpolare Komponenten.
Beide Techniken unterscheiden sich dahingehend, dass bei der SBSE der Twister die Probe aktiv durchmischt und zeitgleich die Analyten sorbiert. Bei der HSSE hingegen wird der Twister im Headspace oberhalb der Probe mittels eines Magnetclips an der Wandung des Vials befestigt. Es gibt dabei keinen unmittelbaren Kontakt zwischen Twister und Probe. Die Anreicherung der Analyten geschieht folglich entlang eines Konzentrationsgefälles aus dem Dampfraum. SBSE und HSSE lassen sich kombinieren und die Extraktionseffizienz somit ergänzen und erweitern. Apropos: Der HSSE wird eine höhere sorptive Kapazität etwa gegenüber der Headspace- SPME attestiert [4].
Bei der 1989 von Janusz Pawliszyn entwickelten Festphasenmikroextraktion SPME kommt eine mit dem Sorbens beschichte Glasfaser zum Einsatz, mit der sich die Extraktion sowohl unmittelbar in der Probe als auch im Dampfraum vornehmen lässt. Kommerziell verfügbar sind SPME-Fasern mit unterschiedlichsten Sorbensbeschichtungen, was diese Extraktionstechnik sehr spezifisch macht. Allerdings ist sie mechanisch hohen Belastungen, wie sie etwa die benötigte Agitation hervorruft, nur limitiert gewachsen. Die robustere Dünnschicht-SPME (TF-SPME), eine Weiterentwicklung der klassischen SPME, trägt diesem Umstand Rechnung [5].
Bei der DHS wiederum werden die Analyten mittels eines kontinuierlichen Gasstroms dem Dampfraum über der wahlweise flüssigen, viskosen oder festen Probe entzogen und auf einem geeigneten Adsorbens angereichert. Anschließend werden die Analyten, wie auch bei der SBSE, der HSSE und der SPME, durch thermische Desorption freigesetzt – Diez-Simon et al. verwendeten dafür eine Thermal-Desorptions-Unit (Gerstel-TDU) –, im Kaltaufgabesystem (Gerstel-KAS) cryofokussiert und die Analyten werden wahlweise im Split- oder Splitless-Mode mit oder ohne Temperaturprogramm auf die GC-Trennsäule überführt.
Diez-Simons et al. fertigten mit Leitungswasser Lösungen der untersuchten Prozessaromen an, und zwar in für Lebensmittelanwendungen relevanten Dosierungen, und führten ihre GC/MS-Analyse durch. Zur Anwendung kamen die genannten vier Extraktionstechniken; die Extraktionsbedingungen wurden zur Steigerung der Extraktionsausbeute von Fall zu Fall modifiziert, etwa durch Zugabe von Salz. Nach Studienabschluss und Auswertung aller Resultate, ziehen die Forscher folgendes Fazit: „Die betrachteten vier Trapping-Techniken SBSE, HSSE, SPME und DHS liefern unterschiedliche Profile flüchtiger Verbindungen“.
Unterschiede erkennbar
Diez-Simone et al.: „Unter den angewandten experimentellen Bedingungen erwies sich die SBSE als am besten geeignet zur Extraktion flüchtiger Verbindungen wie Polysulfiden, Pyrazinen und Terpenalkoholen. Die SBSE lieferte generell das breiteste Spektrum an Verbindungen.“ Darüber hinaus habe sich mit der SBSE eine signifikante Anzahl von Verbindungen einfangen lassen, die in den anderen Profilen fehlten. Dieser Sachverhalt deute darauf hin, schlussfolgern die Forscher, dass die SBSE ein idealer Ausgangspunkt für die umfassende Analyse flüchtiger Verbindungen in ähnlichen Lebensmittelmatrizes sein kann. Darüber hinaus böten Modifikationen des SBSE-Ansatzes ein interessantes Potenzial, auch semipolare und semiflüchtige Stoffe zu trappen, was sich als vorteilhaft für die Analyse von Lebensmittelaromen, einschließlich Prozessaromen, erweise.
SPME und DHS wiederum hätten sich in ihrem Fall bei der Extraktion von Sesquiterpen- bzw. Monoterpen-Kohlenwasserstoffen hervorgetan. Ohne auf weitere Details der Arbeit von Diez- Simon et al. einzugehen: Allein dieser Sachverhalt deutet daraufhin, dass es sinnvoll und weitsichtig sein kann, insbesondere wenn ein Interesse an dieser Verbindungsklasse besteht, verschiedene Extraktionstechniken miteinander zu kombinieren. Besonders die Reichweite in Sachen Polarität sowie die Extraktionseffizienz der DHS lässt sich über mehrstufige Verfahren deutlich erweitern [6].
Kommerziell verfügbar sind GC/MS-Komplettsysteme, die mit Autosamplern (beispielsweise Gerstel-Multi-Purpose-Sampler, MPS) kombiniert sind und die eine vollständige Automatisierung der oben genannten Extraktionstechniken auf einem Gerät erlauben, was eine effiziente Vorgehensweise ermöglicht. Eine Probe mit unterschiedlichen Extraktionstechniken zu behandeln, könne sich nach Ansicht der Wissenschaftler zudem aufgrund ihrer technischen Unterschiede und daran geknüpft veränderten Parametern als zielführend erweisen. Das Extraktionsverfahren selbst nehme nämlich signifikant Einfluss auf das Flüchtigkeitsprofil von Prozessaromen, basierend auf der Flüchtigkeit, Löslichkeit und Polarität der Zielverbindungen, schildern Diez-Simon et al. Eine Kombination der Extraktionstechnik könne sich mit Blick auf das Analyseziel als richtungsweisend darstellen, v. a. wenn ein vollständiges oder umfangreiches Aromaprofil zu erstellen ist. Die chemische Komplexität der spezifischen zu charakterisierenden Proben kann laut Diez-Simon et al. letztlich mehr als ein Protokoll erfordern.
Literatur:
[1] Carmen Diez-Simon, Brenda Ammerlaan, Marco van den Berg, John van Duynhoven, Doris Jacobs, Roland Mumm und Robert D. Hall, Comparison of volatile trapping techniques for the comprehensive analysis of food flavourings by Gas Chromatography-Mass Spectrometry, Journal of Chromatography A 1624 (2022) 461191, https://doi.org/10.1016/j.chroma.2020.461191
[2] Kevin Mac Namara und Andreas Hoffmann, Whiskeyaromen mit kombinierter Headspace-Technik analysieren, Laborpraxis 3 (2011), https://www.laborpraxis.vogel.de/whiskeyaromen-mit-kombinierter-headspace-technik-analysieren-a-306694/?p=3
[3] https://gerstel.com/de/twister-sbse
[4] Guido Deußing, Aroma-Profiling mittels Headspace-Technik, Laborpraxis 1 (2008), https://www.laborpraxis.vogel.de/aroma-profiling-mittels-headspace-technik-a-108867/
[5] Guido Deußing, Aroma an dünnen Schichten, Laborpraxis 3 (2022), https://www.laborpraxis.vogel.de/aroma-an-duennen-schichten-a-1105279/
[6] Jun Tsunokawa, Nobuo Ochiai, Kikuo Sasamoto, Andreas Hoffmann, 2-Step Multi-Volatile Method (2-Step MVM) for Characterization of Aroma Compounds in Bread. GERSTEL Application Note No. 185, 2016. https://gerstel.com/de/2-Step-Multi-Volatile-Method
* G. Deußing, Redaktionsbüro Guido Deußing, 41464 Neuss
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