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Neue Einblicke in Sternsysteme Atome in eisiger Falle – Geheimnis der Sternentstehung

Quelle: Pressemitteilung

Sterne entstehen aus kosmischem Staub. Doch bevor das passiert, wirken die Staubkörnchen wie eine eisige Falle für Moleküle und Atome: Alles, was schwerer ist als Helium, friert an deren Oberfläche fest. Dies fanden Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik heraus.

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Diese Infrarotaufnahme von Herschel zeigt einen Teil der Molekülwolke im Sternbild Stier, mit der hellen, kalten prästellaren Wolke L1544 unten links. Die Wolke ist etwa 450 Lichtjahre von der Erde entfernt und damit eine der nächstgelegenen großen Sternentstehungsregionen.
Diese Infrarotaufnahme von Herschel zeigt einen Teil der Molekülwolke im Sternbild Stier, mit der hellen, kalten prästellaren Wolke L1544 unten links. Die Wolke ist etwa 450 Lichtjahre von der Erde entfernt und damit eine der nächstgelegenen großen Sternentstehungsregionen.
(Bild: ESA/Herschel/SPIRE)

Garching – Wie entstehen Planeten und Sterne? Dies ist eine der zentralen Fragen der modernen Astrophysik. Die groben Züge sind bereits bekannt: eine kalte Molekülwolke kollabiert unter ihrer eigenen Schwerkraft, eine so genannte Akkretionsscheibe entsteht und in ihrem Zentrum bildet sich ein Protostern. Der Teufel steckt aber im Detail. Ein entscheidender Schritt ist die Phase des so genannten prästellaren Kerns. Das ist der Zeitraum, wenn sich die interstellare Gaswolke zusammenzieht und abflacht, um schließlich eine proto-planetare Scheibe zu bilden, aber noch bevor die Gravitationskraft einen zentralen Protostern erzeugt.

Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) haben nun mit den ALMA-Radioteleskopen einen solchen prästellaren Kern mit der Bezeichnung L1544 im Sternbild Stier in noch nie dagewesener Auflösung beobachtet. „Studien von prästellaren Kernen in nahen Wolken haben bereits Hinweise auf ihre physikalische und chemische Struktur geliefert, aber es war immer noch unklar, was im Zentrum passiert“, sagt Paola Caselli, Hauptautorin einer neuen Studie. „Jetzt können wir die Strukturen innerhalb der zentralen 2.000 Astronomischen Einheiten (AE) untersuchen, wo das zukünftige Sternsystem entstehen wird.“ Zum Vergleich: Neptun, der äußerste bekannte Planet in unserem eigenen Sonnensystem, befindet sich in einer Entfernung von 30 AE zur Sonne, während sich der Kuiper-Gürtel und die so genannten transneptunischen Objekte – kurzlebige Kometen und andere Eiskörper – auf etwa 200 AE erstrecken.

Wenn jedes schwere Atom festfriert

Dieses Bild zeigt die Morphologie der NH2D-Emission, mit einer deutlich sichtbaren, abgeflachten Hülle (die auch als Pseudo-Scheibe bezeichnet wird) als Vorläufer der späteren proto-planetaren Scheibe. Der schwarze Kreis links unten zeigt die Auflösung von ALMA, der Balken in der rechten unteren Ecke die Größenordnung. In den innersten 2.000 Astronomischen Einheiten befinden sich NH2D und alle anderen Moleküle schwerer als Helium auf der Oberfläche von Staubkörnchen, den Bausteinen zukünftiger Planeten.
Dieses Bild zeigt die Morphologie der NH2D-Emission, mit einer deutlich sichtbaren, abgeflachten Hülle (die auch als Pseudo-Scheibe bezeichnet wird) als Vorläufer der späteren proto-planetaren Scheibe. Der schwarze Kreis links unten zeigt die Auflösung von ALMA, der Balken in der rechten unteren Ecke die Größenordnung. In den innersten 2.000 Astronomischen Einheiten befinden sich NH2D und alle anderen Moleküle schwerer als Helium auf der Oberfläche von Staubkörnchen, den Bausteinen zukünftiger Planeten.
(Bild: MPE/ALMA)

Die Beobachtungen umfassten sowohl die Kontinuumsemission von Staubkörnchen in diesem prästellaren Kern als auch Beobachtungen der Spektrallinien von deuteriertem Ammoniak (NH2D). Während die Kontinuumsemission des Staubes eine kompakte zentrale Region mit einer Masse von etwa 1/6 der Masse unserer Sonne erkennen ließ, war die Analyse der Moleküllinien die eigentliche Überraschung. Zum ersten Mal lieferten die Beobachtungen Beweise für ein fast vollständiges Ausfrieren: so gut wie alle (99,99 %) Moleküle und Atome, die schwerer als Helium sind, verschwinden aus dem Gas und kondensieren auf den Staubkörnchen in den zentralen 2.000 AE.

„Dies deutet auf eine ‚vollständige Leerzone‘ hin, in Übereinstimmung mit Vorhersagen astrochemischer Modelle für den prästellaren Kern“, führt Olli Sipilä aus, der die theoretische Modellierung durchführte. Das chemische Modell sagt voraus, dass das Ausfrieren bereits bei 7.000 AE beginnt und dass Strahlungstransfereffekte dafür sorgen, dass die Emission einiger Moleküle auf das Zentrum konzentriert zu sein scheint. „Dies hat verhindert, dass das Ausfrieren in früheren Beobachtungen, bei denen das Zentrum nicht aufgelöst werden konnte, entdeckt wurde“, fügt er hinzu.

Unsere Geschichte, konserviert in stellarem Eis?

In einem prästellaren Kern sind also die Staubkörner von dicken Eishüllen umgeben, reich an Wasser und organischen Molekülen, welche die Bausteine für zukünftige Planeten bilden. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung des Kometen 67P/CG zeigte tatsächlich, dass die relativen Häufigkeiten der Moleküle dort ähnlich sind zu denen von prästellaren Kernen und jungen Sternentstehungsgebieten.

Eisige Objekte an den Rändern unseres Sonnensystems könnten tatsächlich die ‚eingefrorene‘ chemische Geschichte unseres Sonnensystems enthalten.

Paola Caselli, geschäftsführende Direktorin am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

„Wir konnten zeigen, dass prästellare Moleküle vor der Bildung eines Sternsystems ähnlich dem unserem im Eis ‚gespeichert‘ werden“, betont Jaime Pineda, Zweitautor der Studie. Einige dieser prästellaren Eiskörper, insbesondere die Eiskörnchen im äußeren Teil der Scheibe, könnten spätere Stadien der Planetenbildung überleben und die chemische Signatur dieser frühen Phasen kurz vor dem Aufleuchten eines neuen Sterns konservieren. „Eisige Objekte an den Rändern unseres Sonnensystems könnten tatsächlich die ‚eingefrorene‘ chemische Geschichte unseres präsolaren Kerns enthalten, der Wolke, aus der alles entstanden ist, was wir heute in unserem Sonnensystem sehen – einschließlich uns selbst“, fasst Hauptautorin Caselli zusammen. „Da wir wissen, dass im jungen Sonnensystem einige der eisigen Körnchen in Richtung der Entstehungszone der terrestrischen Planeten gedriftet sind, könnten diese sogar zu den flüchtigen Molekülen, einschließlich Wasser und organischen Stoffen, auf unserer Erde beigetragen haben. D. h. sie könnten wertvolle Zutaten für den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten geliefert haben.“

Originalpubliaktion: Paola Caselli, Jaime E. Pineda, Olli Sipilä et al.: The Central 1000 au of a Pre-stellar Core Revealed with ALMA. II. Almost Complete Freeze-out, ApJ 929 13, 2022; DOI: 10.3847/1538-4357/ac5913

(ID:48201057)