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Materialforschung Außergewöhnliche Symmetrien erzeugen neue Materialien

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Manche Symmetrien mag die Natur, andere offenbar nicht. Oft weisen geordnete Festkörper eine so genannte sechszählige Rotationssymmetrie auf. Den Grund hierfür haben Forscher der Universität Stuttgart, des Max-Planck-Instituts für Metallforschung und der TU Berlin gefunden, als sie versuchten einer Lage geladener Kolloidteilchen mit starken Laserfeldern eine siebenzählige Symmetrie aufzuzwingen.

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Stuttgart – Atome in Metallen ordnen sich häufig nach einer sechszähligen Rotationssymmetrie an. Daneben existieren andere, kompliziertere Strukturen, etwa mit fünf-, acht- oder zehnzähliger Rotationssymmetrie. „Bemerkenswert ist, dass Materialien mit sieben-, neun- oder elfzähliger Symmetrie in der Natur noch nie beobachtet wurden“, sagt Clemens Bechinger, Professor an der Universität Stuttgart und Fellow am Max-Planck-Institut für Metallforschung. Wurden solche Materialien bisher einfach übersehen oder hat die Natur etwa eine Abneigung gegen gewisse Symmetrien? Der Physiker Clemens Bechinger ist dieser Frage mit seinen Mitarbeitern nun nachgegangen. Die Antwort könnte unter anderem helfen, Materialien für technische Anwendungen maßzuschneidern. Denn die Eigenschaften eines Materials hängen generell stark von seiner Rotationssymmetrie ab. Graphit und Diamant etwa bestehen beide aus Kohlenstoffatomen und unterscheiden sich ausschließlich in der Kristallsymmetrie.

Sieben-, neun- oder elfzähliger Symmetrien kommen in der Natur nicht vor

Um Materialien mit siebenzähliger Symmetrie herzustellen, greifen die Forscher zu einem Trick: Sie erzeugen mit Laserstrahlen ein Lichtmuster mit siebenzähliger Symmetrie. Darin bringen sie eine Lage von Kolloidteilchen ein. Das elektromagnetische Feld des Lichtmusters wirkt auf die Teilchen wie eine Gebirgslandschaft, in der sie sich bevorzugt in die Täler setzen. Die Kolloidteilchen versuchen eine Anordnung mit sechszähliger Symmetrie zu bilden. Indem die Forscher die Intensität der Laser erhöhen, verstärken sie den Zwang auf die Teilchen, eine siebenzählige Symmetrie zu bilden. Auf dieselbe Weise pferchen die Physiker die Teilchen in ein fünfzähliges Lichtgitter und beobachten, dass für das Erzwingen der fünfzähligen Symmetrie viel geringere Laserintensitäten ausreichen.

Als Ausgangspunkte für die entstehenden Symmetrien haben die Forscher blütenförmige Strukturen im Lichtmuster identifiziert, die bei fünfzähliger Symmetrie gut 100 Mal häufiger auftreten als im siebenzähligen Muster. Demnach ist also einfach die Dichte dieser Keimzellen verantwortlich dafür, dass die Natur bestimmte Symmetrien bevorzugt. Das Wissen, wie sich neue Materialien mit unkonventionellen Symmetrien erzeugen lassen, ist nützlich, da sie über interessante Eigenschaften verfügen, wie etwa einen sehr kleinen Reibungswiderstand. In Form von dünnen Beschichtungen könnten solche Materialien beispielsweise die Gleitfähigkeit beweglicher Teile verbessern. Auch photonische Kristalle mit siebenzähliger Symmetrie bieten neue Verwendungsmöglichkeiten, da ihre optischen Eigenschaften weniger stark von der Einfallsrichtung eines Lichtstrahls abhängen.

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