Kulturen aus Synechococcus elongatus Bakteriell erzeugter Zucker als Alternative für Glyphosat
Die besten Rezepte kommen oftmals aus der Natur. Gerade zur Abwehr vor Fraß-Feinden, greifen Forscher auf Vorbilder aus der Natur zurück. Chemiker und Mikrobiologen der Universität Tübingen haben nun ein Zuckermolekül entdeckt, das Pflanzen und Mikroorganismen hemmt und für menschliche Zellen ungefährlich ist. In Zukunft könnten solche Desoxy-Zucker als Ersatz für Herbizide genutzt werden.
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Tübingen – Forscher der Universität Tübingen haben einen Naturstoff entdeckt, der dem umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat Konkurrenz machen könnte: Das neu gefundene Zuckermolekül aus Cyanobakterien hemmt das Wachstum verschiedener Mikroorganismen und Pflanzen, ist aber für Menschen und Tiere ungefährlich. Die gemeinsame Studie wurde unter Leitung von Dr. Klaus Brilisauer, Professorin Stephanie Grond (Institut für Organische Chemie) sowie Professor Karl Forchhammer (Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin) durchgeführt.
Zucker blockiert speziellen Pflanzenstoffwechsel
Wirkstoffe für den pharmazeutischen oder landwirtschaftlichen Gebrauch haben ihren Ursprung oft in Naturstoffen. Diese können aus komplexen chemischen Strukturen bestehen, aber auch verhältnismäßig einfach aufgebaut sein. Oft liegt die Genialität solcher Wirkstoffe in ihrer Einfachheit: So genannte „Antimetabolite“ (von Metabolimus; Stoffwechsel) treten in Wechselwirkung mit lebenswichtigen Prozessen in der Zelle, indem sie Stoffwechselprodukte nachahmen. Das Ergebnis ist eine Störung des betroffenen biologischen Prozesses, was zur Wachstumshemmung oder gar zum Tod der betroffenen Zelle führen kann.
Das Tübinger Forschungsteam aus der Chemie und Mikrobiologie stieß nun auf einen sehr ungewöhnlichen Antimetaboliten mit bestechend einfacher chemischer Struktur: Ein Zuckermolekül mit dem wissenschaftlichen Namen „7-desoxy-Sedoheptulose (7dSh)“. Anders als gewöhnliche Kohlenhydrate, die in der Regel als Energiequelle für Wachstum dienen, hemmt diese Substanz das Wachstum verschiedener Pflanzen und Mikroorganismen, wie zum Beispiel Bakterien und Hefen. Der Zucker blockiert dabei ein Enzym des so genannten Shikimatwegs, eines Stoffwechselweges, der nur in Mikroorganismen und Pflanzen vorkommt. Aus diesem Grund stufen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Wirkstoff als unbedenklich für Menschen und Tiere ein und wiesen dies auch bereits in ersten Untersuchungen nach.
Struktur des Desoxy-Zuckers entschlüsselt
Der seltene Desoxy-Zucker wurde aus Kulturen des Süßwasser-Cyanobakteriums Synechococcus elongatus isoliert, das in der Lage ist, das Wachstum verwandter Bakterienstämme zu hemmen. Auf der Suche nach der Ursache für diese Wachstumshemmung gelang es den Forschern, die Struktur des Naturstoffes zu entschlüsseln. Dank einer neu entwickelten Methode zur Herstellung von 7dSh, einer so genannten chemoenzymatischen Synthese, konnten umfangreiche Studien zur Aufklärung des molekularen Wirkprinzips durchgeführt werden.
Im Detail lieferte eine moderne Technik, die sogenannte gekoppelte hochauflösende Massenspekt-rometrie, genaue Einblicke in die Wirkweise des entdeckten Hemmstoffes (Inhibitors): 7dSh blockiert die DHQS (Dehydrochinatsynthase), ein Enzym des Shikimatwegs. Einer der bislang bekanntesten Inhibitoren dieses Stoffwechselwegs ist das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. „Anders als bei Glyphosat handelt es sich bei dem neu entdeckten Desoxy-Zucker um ein reines Naturprodukt. Wir erwarten für 7dSh eine gute Abbaubarkeit und eine geringe Ökotoxizität“, sagt Dr. Klaus Brilisauer. 7dSh hemme das Pflanzenwachstum vielversprechend. „Wir sehen hier eine hervorragende Chance, es als natürliches Herbizid einzusetzen.“
Möglicher Ersatz für Herbizide
Langfristiges Ziel sei, umstrittene Herbizide und damit auch deren gesundheitlich bedenklichen Abbauprodukte langfristig ersetzen zu können, so die Wissenschaftler. Die Wirksamkeit im Feld, Abbaubarkeit im Boden und Unbedenklichkeit gegenüber Nutztieren und Mensch müssten für 7dSh jedoch in umfassenden Langzeitstudien weiter erforscht werden.
Orignalpublikation: Klaus Brilisauer, Johanna Rapp, Pascal Rath, Anna Schöllhorn, Lisa Bleul, Elisabeth Weiß, Mark Stahl, Stephanie Grond, Karl Forchhammer. Cyanobacterial antimetabolite 7-deoxy-sedoheptulose blocks the shikimate pathway to inhibit the growth of prototrophic organisms.Cyanobacterial antimetabolite 7-deoxy-sedoheptulose blocks the shikimate pathway to inhibit the growth of prototrophic organisms. Published in Nature Communications (February 1st, 2019). DOI: 10.1038/s41467-019-08476-8
* A. Karbe, Erberhard Karls Universität Tübingen, 72074 Tübingen
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