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Bakterien Bakterien mit eingebautem Thermometer

Redakteur: Olaf Spörkel

Forscher am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung konnten zeigen, wie Bakterien Temperatur messen und Infektionen steuern.

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Braunschweig – Sobald Bakterien einen Organismus infiziert haben, passen sie ihren Stoffwechsel dem des Wirts an und produzieren Substanzen, die sie vor einer Immunabwehr schützen. Wie sie das machen, ist bei vielen Bakterienarten unbekannt. Forscher der Arbeitsgruppe Molekulare Infektionsbiologie am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der TU Braunschweig konnten nun erstmals zeigen, dass Bakterien der Gattung Yersinia mit dem Protein RovA ein Protein-Thermometer besitzen, das ihnen bei der Infektion hilft. RovA misst laut Forscherangaben zum einen die Temperatur des Wirts, bestimmt aber auch seine Stoffwechselaktivität und Nährstoffe. Passen diese für das Überleben der Bakterien, schaltet RovA weitere für die Infektion wichtige Gene ein.

Yersinien können verschiedene Krankheiten auslösen

Am bekanntesten ist die Art Yersinia pestis, die im Mittelalter die Pest verursachte. Die Arten Yersinia enterocolitica und Yersinia pseudotuberculosis rufen Darmentzündung als Folge einer Lebensmittelvergiftung hervor. Die Bakterien infizieren die Darmzellen, es kommt zu schweren Durchfällen. Damit die Yersinien in die Darmzellen eindringen können, besitzen sie auf ihrer Oberfläche das Protein Invasin. Immunzellen erkennen diesen Virulenzfaktor jedoch leicht als Gefahr und starten ihre Immunabwehr. Um dem auszuweichen, verlieren die Bakterien das Invasin sehr schnell nachdem sie in den Körper eingedrungen sind. Die Keime stellen ihren Stoffwechsel um und ernähren sich von den Nährstoffen, die die Wirtszellen bereitstellen. Außerdem produzieren sie Substanzen, die Abwehrzellen des Körpers, wie Fresszellen, abtöten. Wie Yersinien diese einzelnen Stationen einer Infektion regulieren, wurde bisher kaum verstanden.

RovA ist das Thermometer der Bakterien

Die Forscher um Petra Dersch, Arbeitsgruppenleiterin am HZI, klärten diese Mechanismen nun auf. Eine zentrale Rolle spielt das Protein RovA. Wie ein Thermometer zeigt es den Bakterien die Temperatur an. Je nachdem, in welcher Umwelt sich die Bakterien befinden, hält es Faktoren für den Start der Infektion bereit oder passt sich an das Leben im Wirt an.

Wenn Yersinien in der Umwelt bei rund 25 °C leben, sorgt RovA dafür, dass die Bakterien immer Invasin auf ihrer Oberfläche bilden. Damit ist sicher gestellt, dass die Yersinien sofort in die Darmzellen einwandern können. In dieser wärmeren Umgebung ändert RovA seine Form, sodass das Gen für die Invasin-Produktion still gelegt wird. Ohne Invasine auf ihrer Oberfläche sind die Yersinien für das Immunsystem unsichtbar. Durch seine neue Form kann RovA auch zu Aktivierung anderer Gene der Bakterien führen, die den Stoffwechsel der Yersinien an den des Wirts anpassen. „Wir haben sehr lange nach dem Mechanismus gesucht, der die Aktivität von RovA reguliert“, sagt Petra Dersch. „Umso überraschender war es dann, dass RovA als Thermometer verschiedene Prozesse steuert und sich dabei selbst reguliert.“ Am Ende sorgt RovA auch für seinen eigenen Abbau. Waren die ersten Schritte der Infektion erfolgreich, brauchen die Yersinien es nicht mehr: Durch seine veränderte Form bei 37 °C können es Enzyme in den Bakterien angreifen und zerschneiden.

Originalveröffentlichung: Herbst K. et al.: Intrinsic Thermal Sensing Controls Proteolysis of Yersinia Virulence Regulator RovA. PLoS Pathog 5(5): e1000435. 2009 doi:10.1371/journal.ppat.1000435

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