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Biosynthese von Methylisoborneol

Autor / Redakteur: Thorben Nawrath* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

2-Methylisoborneol ist eine flüchtige Verbindung mit intensivem, modrig-unangenehmem Geruch, die von verschiedenen Bakterien wie Streptomyceten, Cyano- oder Myxobakterien produziert wird. Die Verbindung ist von erheblichem ökonomischem Interesse, da sie Trinkwasser leicht kontaminiert und für den gelegentlich bei Fischen auftretenden schlechten Geschmack verantwortlich ist. Nun ist es gelungen, die Biosynthese dieses flüchtigen Duftstoffs im Myxobakterium Nannocystis exedens aufzuklären.

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Viele Bakterien produzieren flüchtige Duftstoffe, deren Strukturen sehr vielfältig sind und die zu verschiedenen Substanzklassen gehören [1]. Besonders Streptomyceten, Cyano- und Myxobakterien weisen oft einen sehr intensiven und häufig charakteristischen Geruch auf. Eine der Verbindungen, die dafür verantwortlich ist, ist das Terpenoid 2-Methylisoborneol (1, s. Abb. 1), das erstmals in der Bakterienart Streptomyces lavendulae gefunden wurde [2]. Es verströmt einen an Erde erinnernden Geruch, der aufgrund eines Geruchsschwellenwerts von zehn Nanogramm pro Liter schon in geringen Konzentrationen wahrgenommen werden kann. Produziert wird 2-Methylisoborneol nicht nur von verschiedenen Actinomyceten, zu denen auch die Streptomyceten zählen, sondern auch von verschiedenen anderen Mikroorganismen wie Pilzen, Lebermoosen sowie Cyano- und Myxobakterien [3 bis 8]. Besondere Bedeutung kommt 2-Methylisoborneol zu, weil schon geringe Mengen in Wasser oder Speisefischen einen unangenehmen, modrigen Geschmack hervorrufen. Dementsprechend kann 2-Methylisoborneol zu Verlusten in der Fischwirtschaft führen oder Probleme bei der Trinkwasseraufbereitung bereiten [9,10]. Werden geringe Mengen von 2-Methylisoborneol vom Menschen aufgenommen, wirken sie zwar nicht toxisch, können aber Kopfschmerzen und Übelkeit hervorrufen [11].

Die Biosynthese von 2-Methylisoborneol

Die Biosynthese von 2-Methylisoborneol war bis vor kurzem größtenteils ungeklärt [12]. In diversen Experimenten ist es jetzt gelungen, die Biosynthese in Myxobakterien der Art Nannocystis exedens zu ermitteln [8]. Dabei wurde zunächst die absolute Konfiguration des von N. exedens produzierten 2-Methylisoborneol bestimmt, wozu beide Enantiomere ausgehend von D-(+)- und L-(-)-Campher durch CeCl3-katalysierte Addition von MeMgCl synthetisiert und mittels chiraler Gaschromatographie mit dem produzierten Duftstoff verglichen wurden [8,13]. Es zeigte sich, dass der von N. exedens produzierte Naturstoff als (-)-Enantiomer vorliegt.

Weiterhin wurden verschiedene, potenzielle biosynthetische Vorstufen von 2-Methylisoborneol in markierter Form synthetisiert und den Bakterienkulturen zugesetzt. Für solche Experimente reichen im Allgemeinen schon wenige Milligramm der Vorstufe aus, die den Bakterien in Agarplatten-Kulturen angeboten werden. Die Bakterien metabolisieren die Vorstufen zu 2-Methylisoborneol, das dann detektiert werden kann. Diese Detektion erfolgt mit Hilfe der so genannten Closed Loop Stripping Analyse (CLSA), gefolgt von gaschromatographisch-massenspektrometrischen Untersuchungen, bei denen – je nach verfüttertem Vorläufer – verschieden markierte Formen des jeweiligen Duftstoffs beobachtet werden konnten. Anhand dieser markierten Duftstoffe und der resultierenden Massenspektren ist es dann möglich, einen Biosyntheseweg abzuleiten.

Bei der CLSA-Technik wird zunächst Luft oder Inertgas mithilfe einer Pumpe kontinuierlich durch ein geschlossenes System geführt (s. Abb. 2). Die von den Bakterien an die Gasphase abgegebenen flüchtigen Verbindungen werden dabei durch einen Aktivkohlefilter geleitet, dort absorbiert und so angereichert. Anschließend können sie mit wenigen Mikrolitern eines organischen Lösungsmittels extrahiert werden. Der so gewonnene Extrakt wird dann mittels GC-MS auf seine Zusammensetzung hin überprüft. Findet ein Einbau von markierten Vorläufern statt, so können diese im Massenspektrum neben der nicht-markierten Verbindung beobachtet werden (s. Abb. 3).

Im Fall von 2-Methylisoborneol wurde bereits früher gezeigt, dass die zusätzliche Methylgruppe des eigentlich nur aus zehn Kohlenstoffatomen bestehenden Monoterpen-Grundgerüsts aus S-Adenosyl-methionin (SAM; 3, s. Abb. 4) stammt, dem universellen Methylierungsmittel in Biosynthesen [11]. Diese Annahme konnte durch die Fütterung und den Einbau von 13C-markiertem S-Methylmethionin in 2-Methylisoborneol auch für N. exedens bewiesen werden (s. Abb. 4). Weiterhin wurden den Bakterienkulturen synthetisches [4,4,6,6,6-D5]- und [5,5,6,6,6-D5]-Mevalonolacton zugesetzt [14, 15]. Diese Verbindungen sind das cyclische Analogon der Mevalonsäure, einer natürlichen biosynthetischen Vorstufe von 2-Methylisoborneol, und sollten dem zu Terpenen führenden Mevalonatweg folgend in N. exedens zunächst markierte Isopreneinheiten liefern. Werden zwei solcher Isopreneinheiten miteinander verknüpft, entsteht die Monoterpen-Vorstufe (2, s. Abb. 4). Diese Verbindung sollte dann zu 2-Methylisoborneol weiterreagieren, wobei der Zeitpunkt der Methylierung durch SAM sowie der Mechanismus bisher nicht bekannt waren. Wie durchgeführte GC-MS-Experimente zeigten, wurde bei beiden Fütterungsexperimenten das unterschiedlich markierte Mevalonolacton von N. exedens aufgenommen und zu markiertem 2-Methylisoborneol metabolisiert.

Anhand eines von Weinberg und Djerassi für Campher ermittelten MS-Fragmentierungsmusters, welches aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit auf 2-Methylisoborneol übertragbar ist, konnten die Deuterium-markierten Positionen in 2-Methylisoborneol genau lokalisiert werden [16] (s. Abb. 5). Allerdings war noch nicht genau klar, ob der elektrophile Angriff von SAM und somit die Methylierung des Monoterpen-Grundgerüsts vor oder nach der Cyclisierung der Monoterpen-Vorstufe stattfindet. Wie die Analyse des Duftstoffextrakts von N. exedens jedoch weiterhin zeigte, produzieren diese Bakterien auch einen Alkohol, dessen Struktur durch Synthese der entsprechenden Referenzverbindung als (E)-beta-Methylgeraniol (4, s. Abb. 6) charakterisiert werden konnte [8]. Diese Verbindung stellt das Hydrolyseprodukt von (E)-beta-Methylgeranylpyrophosphat (5, s. Abb. 7) dar, das ein möglicher Vorläufer von 2-Methylisoborneol ist. Da in diesem Fall die zusätzliche Methylgruppe bereits in dem Molekül vorhanden ist, muss die Methylierung also schon vor der Cyclisierung stattfinden. Anhand aller gemachten Beobachtungen konnte letztendlich der in Abbildung 7 vorgestellte Biosynthesemechanismus von 2-Methylisoborneol entwickelt werden. Gleichzeitig war es möglich, alternativ denkbare Mechanismen auszuschließen, da diese nicht das gefundene Markierungsmuster aufweisen würden.

Bei der Biosynthese von 2-Methylisoborneol wird zunächst die Monoterpen-Vorstufe durch SAM methyliert, wobei (E)-beta-Methylgeranylpyrophosphat entsteht. Dieses isomerisiert zu beta-Methyllinalylpyrophosphat (6, s. Abb. 7), das dann unter der Abspaltung des Pyrophosphatrestes und abschließender Addition von Wasser 2-Methylisoborneol liefert (s. Abb. 7).

Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten

Die genaue Kenntnis des Biosyntheseweges von 2-Methylisoborneol ist aus vielfältigen Gründen sehr interessant. Da Myxobakterien für ihren komplexen Lebenszyklus sowie ihre außergewöhnliche Physiologie und Fähigkeit zur Bildung von sekundären Stoffwechselprodukten bekannt sind, stehen sie schon seit längerer Zeit im Blickpunkt der Wissenschaft [1]. Aus diesem Grund wurden bereits vollständige Genomsequenzierungen bei verschiedenen Myxobakterienarten durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass diese in vielen Fällen die entwickelten Biosynthesewege aufgrund bestimmter Genabfolgen unterstützen. Außerdem ist es möglich, bestimmte Gene gezielt auszuschalten, um mit den entsprechenden Mutantenstämmen weitere Biosyntheseuntersuchungen durchzuführen. Ist nun ein Biosynthesemechanismus aufgeklärt, kann dieser auch umgekehrt dazu genutzt werden, direkt nach bestimmten Gensequenzen zu suchen und so einen Beitrag zur Entschlüsselung eines Genoms leisten. Im Fall von 2-Methylisoborneol ergibt sich die Möglichkeit, gezielt nach den entsprechenden Gensequenzen zu suchen.

Weiterhin ist es durch die Kenntnis des genauen Biosyntheseablaufs möglich, in so genannten Knock-out-Experimenten, bei denen bestimmte Gensequenzen ausgeschaltet werden, die Funktion und Auswirkung des Fehlens eines Genabschnitts genau zu überprüfen. Dadurch können auch Rückschlüsse auf weitere Funktionen dieses bestimmten Abschnitts gezogen und, im Fall von 2-Methylisoborneol, die bisher noch unbekannte Funktion der Verbindung für den Organismus aufgeklärt werden.

Hintergrund: Myxobakterien – Können sekundäre Naturstoffe produzieren

Myxobakterien wurden erstmals im Jahr 1892 von R. Thaxter beschrieben [16]. Sie zählen zu den Prokaryonten, wobei sie der Klasse der gram-negativen Bakterien angehören [17]. Diese besiedeln eine Vielzahl von Habitaten und sind in allen klimatischen Bereichen anzutreffen, bevorzugen aber besonders halbtrockene, warme, aerobe Gebiete, die reich an organischem Material und mikrobiellem Leben sind, z.B. den Erdboden, verrottende Biomasse oder Tierexkremente. Allerdings können sie auch in aquatischen Systemen auftreten. So wurden sie beispielsweise aus Frischwasser und marinen Sedimenten isoliert [18,19]. Die meist gelb bis intensiv rot gefärbten Zellen der Myxobakterien besitzen Stäbchenform, die in zwei unterschiedlichen Erscheinungen auftreten können: Sie besitzen entweder zylindrische Form mit abgerundeten Enden (Sorangineae), oder sie sind schlank und haben spitz zulaufende Enden (Cystobacterineae) mit einer Größe von etwa 0,6 bis 1,2 Mikrometer Breite und 3 bis 15 Mikrometer Länge [20]. Außerdem weisen Myxobakterien im Vergleich zu anderen Prokaryonten eine enorme Genomgröße auf, die z.B. 9,45 Mbp bei Myxococcus xanthus, 9,35 Mbp bei Stigmatella aurantiaca und 12,2 Mbp bei Sorangium cellulosum beträgt [21-23]. Myxobakterien können aufgrund von zwei charakteristischen Eigenschaften von anderen Bakterien unterschieden werden. Zum einen bewegen sie sich durch Gleiten über eine Oberfläche, wobei ihre Schwärme eine bestimmte Struktur aufweisen.Zum anderen aggregieren sie bei Nahrungsknappheit zu multizellulären artspezifischen Fruchtkörpern. In dieser hitzeresistenten Dauerform können sie bestehen, bis sich die Nahrungsverhältnisse verbessert haben. Myxobakterien verfügen über ein großes Synthesepotenzial sekundärer Naturstoffe von struktureller Diversität. So produziert z.B. Sorangium cellulosum die biologisch wirksame Verbindung E-pothilon B (A, s. Abb. 8), die Antitumorwirkung besitzt [24]. Neben pharmakologisch aktiven Verbindungen produzieren Myxobakterien zudem eine Vielzahl weiterer Sekundärmetabolite [25]. Bei diesen wird teilweise pheromonelle Wirkung vermutet, weshalb sie wesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Myxobakterien nehmen.

Hintergrund: Terpene

Der Begriff Terpene leitet sich ursprünglich von Terpentin (Balsamum Terebinthinae) ab, bei dem es sich um das „Kiefernharz“ handelt. Dies ist ein zähflüssiger Balsam mit einem typischen Geruch, der bei Anschneiden aus der Rinde und dem jungen Holz verschiedener Kiefern fließt [26]. Schon lange ist bekannt, dass viele Pflanzen oder deren Teile oftmals angenehme Düfte verbreiten, würzig schmecken oder sogar bestimmte pharmakologische Wirkungen besitzen, was auf das Vorhandensein bestimmter Terpene zurückzuführen ist. Die genaue biologische und chemisch-ökologische Funktion von Terpenen ist jedoch bis heute vielfach unbekannt [27]. Dabei stellen die Terpene eine Familie von Naturstoffen dar, die eine sehr große strukturelle Vielfalt aufweist. Gemein ist allen Terpene, dass sie formal aus Isopren-Einheiten (2-Methylbuta-1,3-dien) aufgebaut sind (Abb. 6). Statt Isopren wird in der Biosynthese Isopentenylpyrophosphat (A) verwendet, das mit dem daraus gebildeten Dimethylallylpyrophosphat (B) zum universellen Terpenvorläufer Geranylpyrophosphat gekoppelt wird. Das für die Biosynthese der Terpene benötigte Isopentenylpyrophosphat kann auf zwei Wegen gebildet werden: Dem so genannten Mevalonat-Weg oder dem Desoxyxylulosephosphat-Weg, wobei das Myxobakterium N. exedens den zuerst genannten nutzt [28].

Literatur

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*Institut für Organische Chemie der TU Braunschweig, 38106 Braunschweig, Tel. +49 (0) 5 31 / 3 91 - 73 68

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