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Automatisierte HPLC-MS/MS BPA-frei – oder? Bisphenol A in Getränken

Von Guido Deußing*

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Bisphenol A (BPA) wird in der Herstellung von Kunststoffen und Beschichtungen von Lebensmittel- und Getränkeverpackungen eingesetzt. Da BPA hormonaktiv und als „besonders besorgniserregend“ eingestuft ist, stehen potenziell kontaminierte Produkte mehr und mehr im analytischen Fokus. Und die Grenzwerte sinken.

Abb. 1: Flaschen aus Polycarbonat-Kunststoff können BPA enthalten.
Abb. 1: Flaschen aus Polycarbonat-Kunststoff können BPA enthalten.
(Bild: ©Brocreative - stock.adobe.com)

Seit Kurzem ist es definitiv: Am 21. Dezember 2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) final festgestellt, dass Bisphenol A (BPA) auf der Liste der „besonders besorgniserregenden Stoffe“ bleibt [1]. Der Industrieverband „Plastics Europe“ hatte gegen die Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geklagt [2] und nun in zweiter Instanz verloren. Das endgültige Urteil des EuGH hat Auswirkungen, deren Ausmaß sich erahnen lässt.

Die Klage von Plastics Europe kommt nicht ohne Grund. Bisphenol A (BPA) ist ein Stoff, der weit verbreitet hauptsächlich in Kombination mit anderen Chemikalien zur Herstellung von Kunststoffen und Harzen verwendet wird. BPA dient der Herstellung von Polycarbonaten, transparenten, wärmeformbeständigen und schlagzähen thermoplastischen Kunststoffen, die auch zur Herstellung von Mehrweggeschirr und wiederverwendbaren Lebensmittelbehältern wie Getränkeflaschen und Aufbewahrungsgefäßen verwendet werden. BPA wird auch genutzt, um Epoxidharze zu produzieren, die u. a. als Schutzbeschichtungen in Lebensmittel- und Getränkedosen sowie in für den Transport von Lebensmitteln und Lebensmittelzusatzstoffen verwendeten Fässern eingebracht sind. Zudem wird BPA als Nichtzwischenprodukt bei der Herstellung von Thermopapier eingesetzt. [1,3]

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Wirkung von Bisphenol A und Risikobewertung

Bei allen guten Argumenten, die für den Einsatz von Bisphenol A in der Industrie sprechen und die den Versuch der Kunststoffindustrie erklären, das Ruder herumzureißen, erweist sich ein Aspekt als bemerkenswert kritisch: Die Europäische Kommission hat Bisphenol A 2016 als reproduktionstoxisch eingestuft [2]. Nach Vorlage eines offensichtlich aussagekräftigen Dossiers durch die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES), beschloss der Ausschuss der Europäischen Chemikalienagentur (European Chemicals Agency, ECHA s. LP-Tipp) einstimmig, Bisphenol A gemäß den Kriterien der REACH-Verordnung als besonders besorgniserregenden Stoff zu deklarieren.

LP-Info: Was regelt die ECHA?

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA ist eine Behörde, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) vom 18. Dezember 2006 die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte bei der Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien regelt. Sie ist in Helsinki, Finnland, angesiedelt und gewährleistet u. a. die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe in einem einheitlichen Verfahren innerhalb der Europäischen Union (EU) [4].

Problematisch erweist sich nicht zuletzt die Tatsache, dass BPA in geringen Mengen in Lebensmittel und Getränke übergehen kann, und zwar eben aus jenen Materialien, die Bisphenol A in freier Form, etwa als Rückstand, enthalten können. Bereits 2006 schloss die European Food Safety Authority (EFSA) ihre erste vollständige Risikobewertung von BPA ab. Seitdem hätten ihre Experten „Hunderte von wissenschaftlichen Publikationen in begutachteten wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Berichte aus Studien der Industrie berücksichtigt“, wie auf der Homepage der EFSA zu erfahren ist [3]. Die EFSA habe demnach in den Jahren 2008, 2009, 2010, 2011 und 2016 auch neue wissenschaftliche Informationen zu BPA geprüft.

Immer niedrigere BPA-Grenzwerte

Im Jahr 2015 veröffentlichte die EFSA eine umfassende Bewertung der BPA-Exposition und -Toxizität und senkte damals die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 50 auf 4 μg pro kg Körpergewicht. Der TDI-Wert wurde befristet, und die EFSA verpflichtete sich, die BPA-Toxizität nach einer zweijährigen Studie des US-amerikanischen National Toxicology Program (CLAR­ITY-BPA-Programm) erneut zu bewerten [3].

Kaum ist der Urteilsspruch des EuGH im Dezember 2021 ergangen, hat nun auch die EFSA eine überarbeitete Risikobewertung für BPA in Lebensmitteln vorgelegt, und zwar eine, die es in sich hat. Darin wird empfohlen, den gesundheitlichen Richtwert (TDI), auch „duldbare tägliche Aufnahmemenge“ (DTA) genannt, von 4 µg/kg respektive 4.000 ng/kg um nicht weniger als den Faktor 100.000 auf 0,04 ng/kg (40 pg/kg) Körpergewicht und Tag herabzusetzen [5]. Das fordert nicht nur die Kunststoffindustrie heraus, sondern auch Laboratorien, die BPA in Lebensmitteln bestimmen.

BPA-Bestimmung ist analytische Herausforderung

Die Verwendung alternativer kunststoffbasierter und polymerhaltiger Verpackungsmaterialien statt Glas rückten Getränke in den Blickpunkt einer potenziellen BPA-Kontamination respektive Analyse. Li et al. hatten 2019 für die Bestimmung von BPA in kommerziell erhältlichem, verpacktem, verzehrfertigem, kohlesäurehaltigem und -freiem Wasser sowie in alkoholfreien Getränken eine HPLC-MS/MS-Methode zur Bestimmung von BPA entwickelt und validiert, die die Anforderungen des AOAC SMPR 2017.018 erfüllte und als AOAC First Action Official Method (SM 2017.15) genehmigt wurde. Ihre Studie diente seinerzeit der Bewertung von freiem BPA in drei Kon­zentrationsstufen (0,3, 1,5 und 20 μg/L), und zwar in zehn verschiedenen Arten kommerziell verpackter alkoholfreier Getränke [6].

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Analyten effizient gewinnen

Ein zentraler Aspekt ihrer Vorgehensweise war die Anwendung einer Flüssigflüssigextraktion (LLE) statt z. B. einer Festphasenextraktion (SPE) sowie der Einsatz von Acetonitril statt Hexan als Lösungsmittel [7]. Letztgenannter Punkt wirke sich günstig auf die Wiederfindung polarer Verbindungen aus, sei jedoch aufwändig, berichten Fred Foster und John Stuff von der in Maryland/USA ansässigen Gerstel, Inc. Um heutigen Anforderungen einer effizienten, produktiven Analytik gerecht zu werden, die sich insbesondere in einem hohen Probendurchsatz pro Zeiteinheit zeigt, haben sich die Applikationsexperten Foster und Stuff die Methode von Li et al. zur Brust genommen und vollständig automatisiert [8].

Fokus Probenvorbereitung

Eine randständige, jedoch wichtige Detailbetrachtung: Die Flüssigflüssigextraktion kommt zum Einsatz, um Verbindungen mit unterschiedlichen Löslichkeiten in zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten zu trennen. Typischerweise wird hierzu ein unpolares Lösungsmittel wie Hexan mit einer wässrigen Probenmatrix gemischt. Eine Einstellung des pH-Werts (sehr hoch oder sehr niedrig) ist üblicherweise erforderlich, um die Gewinnung polarer Verbindungen zu verbessern. Die Rückgewinnung polarer Verbindungen lasse sich allerdings auch ohne Änderung des pH-Wertes erreichen, schildern Foster und Stuff, indem mit einem sehr polaren Lösungsmittel wie Acetonitril extrahiert wird. Nachteil: Polare Lösungsmittel sind mit Wasser mischbar und bilden keine klare Phasengrenze aus.

Dieses Problem lässt sich aushebeln, kommt die so genannte Salting-out Assisted Liquid-Liquid Extraction (SALLE) [6,9] zur Anwendung. Hierbei wird der wässrigen Probe vor dem Mischen ein anorganisches Salz zugesetzt. Dieses Salz bewirkt die Trennung des Lösungsmittels von der Probe und die Ausbildung eines Zweiphasensystems. Mit anderen Worten: Die Technik des Aussalzens (SALLE) lässt den Einsatz höher polarer organischer Lösungsmittel zur Durchführung der Flüssigflüssigextraktion zu. Da das Extraktionslösungsmittel, im vorliegenden Fall Acetonitril, HPLC-MS/MS-kompatibel ist, kann der endgültige Extrakt in das Analysesystem injiziert werden, ohne dass eine Verdampfung und ein Lösungsmittelaustausch erforderlich sind, berichten Foster und Stuff.

Blick auf applikative Details

Obgleich kein Extrakt langwierig habe eingeengt und rekonstituiert werden müssen – was im Kontext der hier vorgestellten automatisierten Lösungen technisch möglich ist, um den Anreicherungsfaktor signifikant zu erhöhen –, seien im Rahmen der Probenvorbereitung viele Schritte zu gehen ([6] gibt einen detaillierten Überblick über deren Fülle). In den Autosampler integriert und somit in die automatisierte Vorbereitungssequenzen eingebunden waren ein Mixer (Gerstel-quick-mix) sowie eine Zentrifuge (CF-200). Nach Abschluss aller präparativen Maßnahmen wurde die flüssige Probe vom Multi-Purpose-Sampler (Gerstel-MPS) in eine Agilent 1260 HPLC injiziert. Die Trennung erfolgte auf einer Agilent Zorbax RRHD, Eclipse Plus C18-Säule (2,1 x 50 mm, 1,8 µm), die Detektion der Analyten in einem Agilent Ultivo Triple Quadrupol-Massen­spektrometer mit Jetstream-Elektrosprayquelle. Als interner Standard wurde d16-Bisphenol A eingesetzt. Die Methodenentwicklung erfolgte mithilfe in Acetonitril angesetzter Standardlösungen.

Foster und Stuff validierten ihre automatisierte Methode zur Bestimmung von BPA in kommerziell erhältlichen, verpackten Getränken durch die Analyse realer Proben, darunter zuckerhaltige und Diätlimonade, Orangensaft mit und ohne Fruchtfleisch, Eistee, Eiskaffee mit Sahne sowie ein mit Vitaminen angereichertes Proteingetränk. Die Proben wurden in dreifacher Ausführung durch Pipettieren von 100 µL einer 1000 ng/mL Bisphenol-A-Zwischenstammlösung in 4 ml jeder entsprechenden Getränkeprobe in Plastikflaschen vorbereitet.

Sodaproben wurden, das der Vollständigkeit halber, vor der Verwendung 30 Minuten lang durch Ultraschallbehandlung entgast. Blindproben wurden sowohl mit als auch ohne internen Standard angesetzt und zusammen mit den Wiederfindungsproben in dreifacher Ausfertigung für jede bewertete Matrix extrahiert, berichten Foster und Stuff.

In der Laborpraxis

„Als Ergebnis unserer Studie konnten wir zeigen“, schildern die Applikationsexperten, „dass eine automatisierte SALLE-Methode mit dem von uns verwendeten Multi-Purpose-Sampler (Gerstel-MPS-robotic-Pro) erfolgreich eingesetzt werden kann, um Bisphenol A aus Getränkeproben zu extrahieren.“ Das Resultat ihrer Studie fassen die Applikationsexperten wie folgt zusammen: „Wir konnten Bisphenol A aus verschiedenen Getränkeproben erfolgreich mit durch Aussalzen unterstützter Flüssigflüssigextraktion gewinnen und mit dem Agilent Ultivo Triple Quadrupole LC/MS-System bestimmen.“ Das Verfahren habe sich problemlos automatisieren lassen. Für Bisphenol A sei eine lineare Kalibrierkurve mit einem R2-Wert von 0,997 erreicht worden. Die automatisierte SALLE-LC-MS/MS-Methode erwies sich als genau und präzise. Die Genauigkeitsdaten lagen laut Foster und Stuff im Bereich von 99,6 und 102 %. Die relative Standardabweichung (RSD) der QC-Proben betrug im Durchschnitt 2,32 % und erstreckte sich über einen Bereich von 1,42 bis 3,22 %. Die Wiederfindungsraten von Bisphenol A bei der Extraktion aus Getränkeproben lagen demnach zwischen 89,4 und 130 % [8].

Literatur:

[1] Urteil des EuGH („Rechtsmittel – Erstellung einer Liste zulassungspflichtiger Stoffe – Liste der Stoffe, die im Hinblick auf ihre etwaige Aufnahme in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 identifiziert wurden – Aktualisierung der Eintragung des Stoffes Bisphenol A als besonders besorgniserregender Stoff“) vom 21.21.2021, https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=251521&pageIndex=0&doclang=en&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=968012

[2] Gericht der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 92/19, Bestätigung der Aufführung von Bisphenol A als besonders besorgniserregendem Stoff aufgrund seiner reproduktionstoxischen Eigenschaften, https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-07/cp190092de.pdf

[3] European Food Safety Authority, Bisphenol A, https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/bisphenol

[4] Wikipedia, Europäische Chemikalienagentur, https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Chemikalienagentur

[5] European Food Safety Authority, Bisphenol A: EFSA-Gutachtenentwurf schlägt Senkung der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge vor, https://www.efsa.europa.eu/en/news/bisphenol-efsa-draft-opinion-proposes-lowering-tolerable-daily-intake

[6] Siheng Li, Jeffrey Shippar, Katerina Mastovska, Determination of Bisphenol A (BPA) in Commercially Packaged Ready-to-Consume Carbonated and Noncarbonated Water and Nonalcoholic Beverages: A Single-Laboratory Validation Study, First Action 2017.15, Journal of AOAC International 102 (2019) 605-611, https://doi.org/10.5740/jaoacint.18-0132

[7] Diana Toma, Quantitative Bestimmung von Bisphenol A und Cyclo-di-BADGE aus Lebensmitteln mit HPLC-FLD und LCMS, Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), https://www.dbu.de/stipendien_30018/805_db.html

[8] Fred D. Foster und John R. Stuff, Automated Salting-out Assisted Liquid-Liquid Extraction and Determination of Bisphenol A in Beverage Samples using a Robotic Autosampler and LC-MS/MS Platform, GERSTEL AppNote Nr. 230 (2022), www.gerstel.de

[9] Wang et al., Salting-Out Assisted Liquid-Liquid Extraction Coupled to Dispersive Liquid-Liquid Microextraction for the Determination of Bisphenol A and Six Analogs (B, E, F, S, BADGE, BFDGE) in Canned Coffee Drinks by Ultra-Performance Liquid Chromatography-Tandem Mass Spectrometry, Food Analytics Methods 14 (2021) 441-452, https://doi.org/10.1007/s12161-020-01879-0

* G. Deußing, Redaktionsbüro Guido Deußing, 41464 Neuss

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