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Die Sprache der Bienen Braucht die Honigbiene den Schwänzeltanz?

Redakteur: Christian Lüttmann

Bienen haben eine aufwändige Form der Kommunikation entwickelt. Mit einer besonderen Choreografie geben sie ihren Artgenossen Informationen über umliegende Futterquellen weiter. Nun haben Forscher der Universität Lausanne und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz untersucht, ob sich dieser Aufwand für die Bienen wirklich lohnt.

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Forscher haben die Effizienz des Schwänzeltanzes von Bienen untersucht (Symbolbild).
Forscher haben die Effizienz des Schwänzeltanzes von Bienen untersucht (Symbolbild).
(Bild: Pixabay/PollyDot)

Mainz, Lausanne/Schweiz – Der Austausch von Informationen ist für Bienen ein wichtiger Faktor, um den Erfolg einer Kolonie zu sichern. Honigbienen besitzen dazu ein einmaliges Verhaltensmuster, das vermutlich bereits vor über 20 Millionen Jahren entstanden ist: den Schwänzeltanz. Mit dem Schwänzeltanz teilt eine Biene ihren Schwestern in der Kolonie mit, wo eine qualitativ hochwertige Futterquelle zu finden ist. Der konkrete Nutzen dieser als Tanzsprache bezeichneten Kommunikation ist in den vergangenen Jahren jedoch infrage gestellt worden.

Nun haben Biologen der Universität Lausanne und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mehr Klarheit in das Für und Wider des Bienentanzes gebracht. „Zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass Bienenvölker erfolgreicher Nahrung sammeln, wenn man ihnen die Tanzsprache wegnimmt“, sagt Dr. Christoph Grüter, Verhaltensökologe an der JGU. Ein Grund dafür könnte der durch menschliche Einflüsse veränderte Lebensraum sein. Grüter hat zusammen mit den Kollegen in Lausanne in mehrjährigen Experimenten die Bedeutung der Tanzsprache für den Kolonie-Erfolg untersucht.

Die meisten Bienenarten sind keine Tänzer

Es gibt nur etwa zehn verschiedene Arten von Honigbienen, die sich über den Schwänzeltanz verständigen. Weit mehr, nämlich über 500 Arten hochsozialer stachelloser Bienen haben keine Tanzsprache zur Verfügung. Grüter wollte der Frage nachgehen, was der Gewinn des Schwänzeltanzes für eine Kolonie ist, vor allem in Anbetracht dessen, dass es sich um eine relativ zeitaufwändige Kommunikationsstrategie handelt. Ein Schwänzeltanz kann nur wenige Sekunden, aber auch bis zu fünf Minuten dauern.

Verwirrung im Bienenstock

Bei den Experimenten haben die Wissenschaftler für einen Teil der Bienenvölker die Bedingungen so manipuliert, dass die tanzenden Bienen verwirrt wurden und dadurch desorientiert waren. Der Schwänzeltanz, der in so einer Umgebung aufgeführt wird, macht für die Zuschauerinnen keinen Sinn mehr. Dazu mussten der Lichteinfall unterbunden und die Waben in eine horizontale Position gebracht werden, damit die Richtung der Schwerkraft nicht zur Orientierung zur Verfügung steht.

Besonders wichtig war es aber, das Erinnerungsvermögen der Bienen zu berücksichtigen. „Die Sammlerinnen haben ein sehr gutes Erinnerungsvermögen, sodass sie einen ergiebigen Futterplatz mehrere Tage lang wiederfinden“, erklärt Grüter. In den Versuchen wurde der Schwänzeltanz daher während 18 Tagen behindert, damit die Sammlerinnen nicht aufgrund ihrer Erinnerung zu den reichhaltigen Futterquellen fliegen. Sammlerinnen sind ältere Bienen, die in ihrer letzten Lebensphase nicht mehr mit Arbeiten im Stock, sondern mit dem Sammeln von Nektar und Pollen befasst sind. Sie leben in der Regel nicht mehr länger als 18 Tage.

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Überschätzter Schwänzeltanz?

Weniger genau als lange gedacht. Der Schwänzeltanz ist laut Jürgen Tautz nicht allzu präzise. Der mittlerweile im Ruhestand angekommene leidenschaftliche „Bienenprofessor“ aus Würzburg hat in jahrelanger Arbeit zahlreiche Hinweise gefunden, dass es sich bei dem Tanz eher um den ersten Schritt in einer dreistufigen Informationsweitergabe ist. „Der Tanz hilft anderen Bienen, ein Gebiet aufzusuchen, in dem sich in einer zweiten Stufe eine Suchphase anschließt“, erklärt er in einem Interview mit der Mainpost. Erst aus dieser Suchphase im offenen Feld ergebe sich eine dritte, zielführende Stufe hin zur Futterquelle.

Manchmal ist einfach drauflosfliegen besser

Von den Ergebnissen war das Biologenteam überrascht: Bienenstöcke ohne Schwänzeltanz waren aktiver und brachten mehr Honig ein als Bienenstöcke mit Tanzsprache. „Wir haben genau das Gegenteil gefunden, von dem, was wir erwartet hatten, nämlich dass die Tanzsprache wichtig ist“, sagt Dr. Robbie I’Anson Price, Erstautor der Studie. „Wahrscheinlich verlieren die Bienen bei einem desorientierten Tanz das Interesse und machen sich auf eigene Faust auf die Nahrungssuche“, vermutet der Biologe. Die Unterschiede sind beachtlich: Bienen ohne Tanzsprache waren bei einem Flug acht Minuten länger unterwegs und haben über den gesamten 18-tägigen Zeitraum 29 Prozent mehr Honig eingebracht als die Sammlerinnen aus der Gruppe mit Schwänzeltanz.

Wie die Honigbienen per Tanzchoreografie kommunizieren, zeigt dieser Videoclip:

Für die Honigbienen – hier waren es Buckfast-Bienen, eine etwa 100 Jahre alte Zuchtform der Westlichen Honigbiene – kann es also von Vorteil sein, auf die soziale Kommunikation zu verzichten. Grüter vermutet, dass es dabei stark auf das Umfeld und das Nahrungsangebot ankommt. Wenn irgendwo ein großer Apfelbaum in voller Blüte steht, lohnt es sich, diese Information abzuwarten und den Standort über den Tanz einer Artgenossin zu erfahren. Wenn Blütenpflanzen aber spärlich auf Balkonen oder Randstreifen an Straßen verteilt sind, ist es unter Umständen besser, frühzeitig den Stock zu verlassen und selbstständig zu sammeln. „Wir halten den Zeitgewinn für einen Hauptgrund für das beobachtete Verhalten“, sagt Grüter.

Bienen scheinen desorientierte Tänze zu erkennen

Eine besondere Entdeckung ist für die Forschenden, dass die Bienen den Informationsgehalt eines Tanzes offenbar beurteilen können und das Interesse an einem desorientierten Tanz verlieren. „Sie merken eventuell, dass etwas nicht stimmt“, vermutet Grüter. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Mensch möglicherweise eine Umgebung geschaffen hat, an die die Schwänzeltanz-Sprache nicht gut angepasst ist“, schreiben die Autoren in ihrer Studie.

Grüter will dieser Vermutung, dass Bienen etwas über den Wert einer Tanz-Information lernen können, in Zukunft genauer nachgehen und außerdem die Experimente in der Mainzer Gegend unter unterschiedlichen Bedingungen wiederholen: in städtischen und ländlichen Gebieten sowie zu verschiedenen Jahreszeiten. So hofft er, mehr über die tatsächliche Bedeutung der Tanzsprache der Bienen herauszufinden.

Originalpublikation: R. I’Anson Price et al.: Honeybees forage more successfully without the "dance language" in challenging environments. Science Advances, 13 Feb 2019: Vol. 5, no. 2; DOI: 0.1126/sciadv.aat0450

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