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Doppelkammer-Versuche, Isolierung der Reinsubstanz und Strukturaufklärung
Es brauchte ausgetüftelte Experimente, um diesen Substanzen überhaupt auf die Spur zu kommen: So kultivierten die Wissenschaftler beide Organismen sowohl in Reinkultur als auch nebeneinander, wobei beide Kulturen durch eine halbdurchlässige Membran getrennt waren. Diese wirkte als extrem feines Sieb: kleine Moleküle gelangten auf die jeweils andere Seite, und schädigten die Amöben, die Bakterien selbst konnten jedoch nicht durch die Membran. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der direkte Kontakt zwischen den zwei Organismen nicht notwendig war, um die Amöbe zu töten. Vielmehr waren toxische Moleküle die Amöben-Killer.
In aufwendigen Reinigungsschritten und chemischen Analysen konnte das Team schließlich wenige Milligramm Reinsubstanz dieser Giftstoffe isolieren und deren chemische Struktur aufklären. Sie erhielten in Anlehnung an den Produzenten (Pseudomonas) und an das chemische Grundgerüst (Pyrrolizidin-dione) die Bezeichnung Pyreudione. In einem biologischen Test konnten sie außerdem zeigen, dass die Pyreudione auch allein, also ohne die Bakterien, von denen sie gebildet wurden, Amöben abtöten können.
Naturstoff-Forschung als wichtige Grundlage für künftige Medikamente
Nun untersucht das kleine Team wie diese Bakterien Pyreudione produzieren. Die Arbeit verdeutlicht, dass mikrobielle Räuber-Beute-Beziehungen eine wertvolle Quelle neuer biologisch aktiver Verbindungen sind. Ob sich eine Anwendungsmöglichkeit für die neu entdeckten Substanzen am Menschen ergibt, bedarf noch weiterer Studien. Der Grundlagenforschung zur chemischen Kommunikation zwischen verschiedenen Organismengruppen – einem wichtigen Forschungsschwerpunkt in Jena – dienen die Erkenntnisse auf jeden Fall.
Der 33-jährige Pierre Stallforth leitet die Nachwuchsforschergruppe Chemie mikrobieller Kommunikation am Hans-Knöll-Institut. Sein Werdegang ist sehr international geprägt. Der gebürtige Bayer studierte in Oxford Chemie und wechselte für seine Doktorarbeit an die ETH Zürich. Bevor er nach Jena kam, forschte Stallforth an der renommierten Harvard Medical School in Boston. „Ich bin sehr gern nach Jena gekommen, da es ein internationales Zentrum für Naturstoff-Forschung ist und mir die Stadt sofort gefallen hat.“
Genomanalysen belegen zunehmend, dass viele Mikroorganismen das Potential haben, bislang unbekannte Wirkstoffe zu bilden. Da sie jedoch mit ihrer Energie haushalten müssen, tun sie dies nur dann, wenn es für das Überleben wichtig ist. Für das Laborexperiment ist es daher wichtig, die natürliche Lebensumgebung von Bakterien oder Pilzen in geeigneter Weise nachzustellen und die Bildung neuer Substanzen anzuregen. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, auf diese Weise neue Moleküle zu entdecken, die künftig als Medikamente nutzbar sein könnten. Die Untersuchung mikrobieller Lebensgemeinschaften oder von Räuber-Beute-Beziehungen ist hierfür ein vielversprechender Ansatz, dem in Jena mit modernsten Methoden nachgegangen wird.
Originalpublikation: Klapper M, Götze S, Barnett R, Willing K, Stallforth P (2016) Bacterial alkaloids prevent amoebal predation. Angew Chem Int Ed 55(31), 8944-8947. doi: 10.1002/anie.201603312.
* Dr. M. Ramm: Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. – Hans-Knöll-Institut (HKI), 07745 Jena
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