Raman-Spektroskopie Chipbasierte Analytik mit Silbernanostrukturen
Arzneimittel und ihre Abbauprodukte in der Pharmazie oder aber unerlaubte Farbstoffe und Allergene in der Lebensmittelindustrie müssen schnell, hochspezifisch und dabei möglichst kosteneffizient nachgewiesen werden. Für diese anspruchsvolle Analytik bieten Jenaer Forscher jetzt eine vielversprechende Lösung: die oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie (SERS) auf eigens angefertigten Substraten auf der Basis von Silbernanostrukturen.
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Die Raman-Spektroskopie beruht auf der Anregung von Molekülschwingungen durch die inelastische Streuung von monochromatischem Licht. Wie bei der Infrarot-Spektroskopie sind die Schwingungen von bestimmten Molekülgruppen hochspezifisch und ergeben somit für jedes Molekül ein eigenes Spektrum – vergleichbar einem menschlichen Fingerabdruck. Somit ermöglicht die Raman-Spektroskopie anhand dieser spezifischen Fingerprint-Spektren eine genaue Bestimmung von chemischen und biologischen Proben. Allerdings ist der Raman-Effekt ein sehr schwacher Effekt, sodass nur relativ hohe Konzentrationen nachgewiesen werden können bzw. die Analysezeit und/oder die benutzte Laserleistung sehr hoch sein müssen. Eine Möglichkeit diesen Nachteil zu überwinden und das schwache Raman-Signal zu verstärken, ist die Nutzung der so genannten oberflächenverstärkten Raman-Streuung (SERS). Hierbei kommen Edelmetallnanostrukturen zum Einsatz, welche durch die gezielte Anregung von Plasmonenresonanzen das Raman-Signal um mehrere Größenordnungen verstärken können (s. Abb. 3). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich das zu detektierende Molekül in der Nähe (Abstand wenige Nanometer) dieser Metalloberfläche befindet. Die Anforderungen an solche Nanostrukturen, die so genannten SERS-Substrate, sind neben einer kostengünstigen, schnellen und einfachen Herstellung eine hohe Verstärkung des Raman-Signals sowie eine einfache Charakterisierung der SERS-Aktivität, um eine gute Reproduzierbarkeit zu gewährleisten.
Der SERS-Effekt wurde bereits 1974 erstmals beschrieben, allerdings fristet SERS als analytische Methode trotz der hohen Sensitivität und Spezifität immer noch ein Nischendasein. Ein Hauptgrund dafür ist die starke Abhängigkeit des SERS-Effektes (Signalverstärkung) von der Nanostruktur der Metalloberfläche. Es wurden zwar vielfältige Methoden beschrieben um SERS-aktive Oberflächen zu erzeugen, jedoch waren diese oft nicht reproduzierbar herzustellen oder die Kosten sind für eine Routineanwendung zu hoch.
Aufgrund ihrer im sichtbaren Spektralbereich liegenden Plasmonenresonanz, ihrer hohen Stabilität, guten Strukturierbarkeit und hohen Verstärkung des SERS-Signals werden vor allem Gold und Silber als SERS-aktive Oberflächen genutzt. Mithilfe verschiedener Strukturierungsmethoden wie der Elektronenstrahllithographie (EBL) oder der Nanosphere-Lithographie ist die Herstellung von reproduzierbaren Nanostrukturen realisierbar. Allerdings sind diese Herstellungsverfahren z.T. technologisch aufwändig und im Falle der Elektronenstrahllithographie auch mit erheblichen Kosten verbunden. Darüber hinaus lassen sich meist nur kleine Flächen strukturieren. Kostengünstige SERS-Substrate sind metallische Nanopartikel und deren Aggregate, allerdings ist deren Reproduzierbarkeit sehr gering. Daher muss jedes Substrat vor einer Messung mit einer Kontrollsubstanz charakterisiert werden. Durch diese Charakterisierung wird das Substrat jedoch kontaminiert. Das Fehlen von kostengünstigen, einfach zu charakterisierenden und reproduzierbaren SERS-Substraten stellt somit ein großes Hindernis für die weitere Verbreitung der oberflächenverstärkten Raman-Streuung als Analysemethode dar.
EGNP als neues SERS-Substrat
Optimale SERS-Substrate sollten sich durch eine möglichst hohe Oberflächenrauigkeit auszeichnen und außerdem aus Silber bestehen, da dies zu den höchsten Signalverstärkungen führt. Den Wissenschaftlern der Jena Biochip Initiative am IPHT und der Universität Jena ist es nun erstmals gelungen durch den Einsatz eines speziellen Enzyms einfach zu charakterisierende SERS-Substrate in Form von Silbernanopartikel auf Oberflächen herzustellen. Die enzymatisch generierten Silbernanopartikel (EGNP) werden durch die enzymatische Aktivität von auf einer Oberfläche immobilisierten Meerrettich-Peroxidase-Molekülen (HRP) gebildet. Dabei werden durch die enzymatische Aktivität der HRP Silberionen aus der Lösung zu Silber reduziert, welche sich dann um das Enzym anlagern und die Nanopartikel bilden.
Eine Untersuchung der abgeschiedenen Partikel mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) zeigt die spezielle Struktur der EGNP (s. Abb. 1). Im Vergleich zu sphärischen Nanopartikeln besitzen die EGNP neben einer deutlich größeren Oberflächenrauigkeit eine außergewöhnliche Struktur. Diese strukturellen Besonderheiten bedingen eine höhere SERS-Verstärkung auf den EGNP im Vergleich zu sphärischen Nanopartikeln, da an spitzen Strukturen eine höhere SERS-Aktivität als an ebenen Flächen beobachtet werden kann. Das erlaubt den Nachweis noch geringerer Konzentrationen. Für eine SERS-Aktivität ist die Nutzung einer Laseranregungswellenlänge im Absorptionsbereich des SERS-Substrates notwendig. Monodisperse sphärische Nanopartikel eignen sich daher nur bedingt als ein universelles SERS-Substrat, da sie ein schmalbandiges Absorptionsspektrum aufweisen. Die EGNP hingegen zeigen ein breites Absorptionsspektrum und so gestaltet sich die Wahl der Laseranregungswellenlänge deutlich flexibler.
Ein weiterer Vorteil, den die außergewöhnliche Struktur der EGNP bietet, ist die einfache Charakterisierung der SERS-Aktivität mittels einer elektrischen Leitfähigkeitsmessung. Zur Charakterisierung der gebildeten SERS-aktiven Silberschichten werden Chips mit Elektrodenstrukturen verwendet. Bei diesen Chips handelt es sich um 1,3x 1,3 cm2 große Glaschips mit Elektrodenstrukturen (s. Abb. 2). Auf einem solchen Chip befinden sich 42 individuell auslesbare Elektrodenspalte. Diese Elektrodenspalte ermöglichen eine individuelle elektrische Charakterisierung aller 42 Messpunkte auf einem Chip. Liegt die gemessene Leitfähigkeit über einem definierten Schwellenwert, so zeigt das EGNP-Substrat seine maximale SERS-Aktivität und kann für verschiedenste Analysen verwendet werden. Diese Charakterisierungsmethode ist nur bei dieser Art von Substraten möglich. Normalerweise zeigen Nanopartikel-Schichten einen starken Abfall der SERS-Aktivität, wenn eine leitfähige Schicht ausgebildet wird. Ursache hierfür sind die so genannten Oberflächenplasmonen, Schwingungen der Elektronen im Metall gegen ihre Ionenrümpfe. Die nadelartige Struktur der EGNP verändert die Ausbreitung dieser Oberflächenplasmonen. Dadurch bleiben die EGNP-Substrate auch nach der Ausbildung einer leitfähigen Schicht noch SERS-aktiv.
Analytische Fragestellungen
Die EGNP-Substrate werden für verschiedenste Analysen genutzt. Eine Möglichkeit ist der qualitative und quantitative Nachweis niedermolekularer Substanzen. Hierfür werden die EGNP-Substrate mit dem entsprechenden Analyten inkubiert und anschließend mittels SERS vermessen. Abbildung 4 zeigt das Ergebnis einer solchen Untersuchung. Die qualitative Analyse (s. Abb. 4a) ermöglicht über den Vergleich mit Referenzdaten die Identifizierung verschiedenster Analyten anhand ihrer hochspezifischen molekularen Fingerabdrücke. Für eines der qualitativ bestimmten Moleküle, dem Vitamin und Lebensmittelfarbstoff Riboflavin, zeigt Abbildung 4b, dass mittels SERS auf EGNP-Substraten auch quantitative Messungen möglich sind. Dabei ist zu beachten, dass die gezeigte lineare Abhängigkeit nur in einem vorher zu definierenden Konzentrationsbereich gegeben ist. Bei zu hohen Konzentrationen zeigt sich bei konzentrationsabhängigen Messungen ein Sättigungseffekt aufgrund der zu hohen Beladung der EGNP mit der Analysesubstanz und daraus resultierenden Reabsorptionseffekten.
Nicht nur kleine Moleküle können mittels SERS und EGNP-Substraten nachgewiesen werden. Auch biologisch aktive Makromoleküle wie die DNA können sequenzspezifisch detektiert werden. Hierzu kommen zusätzlich noch magnetische Nanopartikel zum Einsatz, welche die Abtrennung und Anreicherung von DNA aus der Analyselösung ermöglichen. Die Detektionsmöglichkeit einer sequenzspezifischen DNA-Anbindung an die magnetischen Nanopartikel mittels SERS wird durch die zusätzliche Hybridisierung einer Signal-DNA realisiert, welche ihrerseits mit einem Raman-Marker modifiziert ist. Die Signal-DNA ist dabei für eine definierte nachzuweisende DNA spezifisch.
SERS als Methode der Zukunft
Im Vergleich zur Fluoreszenzspektroskopie, ermöglicht die SERS eine deutlich höhere Spezifität und somit den parallelen Nachweis mehrerer Analyten (Multiplexing). Für viele Fragestellungen werden Raman-Marker zur Markierung des Analyten und somit zum indirekten Nachweis genutzt. Die Vielfalt dieser Marker ist dabei nahezu unerschöpflich, da die hohe Molekülspezifität sogar die Unterscheidung von strukturell ähnlichen Markermolekülen erlaubt (s. Abb. 5). Weiterhin ist SERS im Gegensatz zur Infrarot-Spektroskopie auch für die Analyse in wässrigen Systemen einsetzbar.
Zukünftige Arbeiten konzentrieren sich auf die Anpassung des Nachweises auf konkrete diagnostische Fragestellungen. In bereits laufenden Projekten wird diese Entwicklung vorangetrieben und es wird nach weiteren Partnern für zusätzliche Applikationen gesucht. Ziel ist es SERS als Analysenmethode für Lebensmittelzusatzstoffe, Medikamente, Metaboliten, biologisch aktive Moleküle wie Proteine oder DNA u.a. zu etablieren. Neben zuverlässigen Nachweisen werden in der modernen Analytik auch miniaturisierte und automatisierte Analysensysteme benötigt. Daran wird am IPHT ebenfalls intensiv gearbeitet.
*Jenaer Biochip Initiative, Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07745 Jena
**Institut für Photonische Technologien, 07745 Jena
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