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Klimawandel CO2-Budget: In zehn Jahren ist die Erde „pleite“

Redakteur: Christian Lüttmann

Die Kohlendioxid-Emissionen steigen 2019 langsamer als in den Vorjahren – doch das reicht bei Weitem nicht. Wenn es so weitergeht, ist in zehn Jahren so viel zusätzliches CO2 in der Atmosphäre, dass die Globale Erwärmung auf über 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter steigt. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse des Berichts des Global Carbon Projects. Rasante Einsparungen im schrumpfenden „CO2-Budget“ sind nötig.

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Der menschengemachte Kohlendioxid-Ausstoß sorgt für einen Netto-Anstieg des weltweiten CO2-Gehaltes.
Der menschengemachte Kohlendioxid-Ausstoß sorgt für einen Netto-Anstieg des weltweiten CO2-Gehaltes.
(Bild: gemeinfrei, Tama66 / Pixabay )

München – Wird es gelingen, den Klimawandel und seine Folgen beherrschbar zu machen? Das ist die zentrale Frage, an der sich Wissenschaft und Politik abarbeiten. Die entscheidende Maßzahl dafür sind die globalen Kohlenstoffemissionen. Welche Mengen an Treibhausgasen, allen voran Kohlendioxid (CO2), gehen Jahr für Jahr in die Atmosphäre und wie viel davon können Land und Ozean aufnehmen und damit der Atmosphäre entziehen? Das Global Carbon Project (GCP), ein weltweiter Zusammenschluss von Klimaforschern, zieht jedes Jahr Bilanz.

Wie der aktuelle Report des GCP zeigt, steigen auch im Jahr 2019 die globalen Kohlenstoffemissionen weiter an, allerdings langsamer als in den Vorjahren. Zwar wurde global gesehen weniger Kohle verbrannt, aber der wachsende Verbrauch von Erdgas und eine Zunahme der Emissionen aus der Landnutzung gegenüber dem Vorjahr haben den Rückgang mehr als wettgemacht. Somit läuft die Zeit ab. Wenn es so weitergeht wie bisher, dauert es nur noch zehn Jahre, bis die Durchschnittstemperatur auf der Erde um 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit angestiegen ist. Dies verdeutlicht die folgende Animation des Global Carbon Projects:

Ziel: Netto-Null beim CO2-Kreislauf

Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre stieg dadurch weiter an und wird im Jahresmittel voraussichtlich einen Wert von 410 ppm (parts per million) erreichen. Das entspricht einer Zunahme von 47 Prozent gegenüber dem vorindustriellen Wert. „Den internationalen Verpflichtungen, auf die sich die Staatengemeinschaft mit dem UN-Klimaabkommen von Paris geeinigt hat, folgt noch keine angemessene Umsetzung“, sagt Prof. Dr. Julia Pongratz, die als Geografin an der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) und im Kernteam der GCP-Studie arbeitet.

Die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger werden mit wahrscheinlich fast 37 Milliarden Tonnen CO2 (GtCO2) mehr als vier Prozent höher ausfallen als 2015, dem Jahr des Paris-Abkommens. „Die CO2-Emissionen müssen drastisch zurückgehen und netto null erreichen, wenn eine weitere Erwärmung der Welt verhindert werden soll. Jedes weitere Jahr steigender Emissionen macht diese Aufgabe noch schwieriger“, betont Pongratz. Wenn die globale Durchschnittstemperatur mehr als zwei Grad über das vorindustrielle Niveau steigt, so sind sich Wissenschaftler weltweit einig, drohen die Folgen des Klimawandels unbeherrschbar zu werden.

Energiesektor sorgt für die Hälfte der fossilen CO2-Emissionen

Das Tempo, mit dem Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger ansteigen, hat sich indes verringert und liegt mit 0,6 Prozent deutlich unter dem Anstieg der Vorjahre (2017: 1,5 Prozent, und 2018: 2,1 Prozent). Dabei muss allerdings auch eine Unsicherheitsspanne berücksichtigt werden, nach der der Wert für 2019 zwischen -0,2 bis +1,5 Prozent liegen könnte.

Zum Anstieg tragen vor allem China und Indien bei, während Emissionen aus der EU und den USA gesunken sind. In Europa sorgte vor allem ein höherer CO2-Preis dafür, dass die Emissionen zurückgingen – besonders, weil weniger Strom aus Kohle erzeugt wurde. Der Verbrauch von Diesel und Kerosin stieg hingegen weiter. Gemittelt über das vergangene Jahrzehnt stammte knapp die Hälfte der fossilen CO2-Emissionen aus dem Energiesektor sowie jeweils knapp ein Viertel aus Industrie und Verkehr.

Die Geografin Prof. Dr. Julia Pongratz, von der LMU beantwortet drei Fragen zum Klimawandel (Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München):

Erdgas als Energieträger ist nur eine Notlösung

Trotz des Rückgangs bleibt Kohle mit 42 Prozent der fossilen Emissionen im vergangenen Jahrzehnt noch immer die Hauptquelle des anthropogenen CO2-Ausstoßes. Und obwohl bei der Verbrennung von Gas etwa 40 Prozent weniger CO2 pro Energieeinheit emittiert wird als bei Kohle, kann es bestenfalls ein kurzfristiger Ersatz in der Energieproduktion sein. Um die Gesamtemissionen auf netto null zu fahren, sei auch Erdgas ungeeignet, wie die Forscher des Global Carbon Projects sagen.

Das LABORPRAXIS-Klimadossier In unserem Dossier „Klimaforschung“ finden Sie weitere aktuelle Forschungsprojekte und -ergebnisse rund um das Klima.

Der Einfluss von Brandrodungen ist schwer zu beziffern

Emissionen aus Landnutzungsänderungen sind mit größeren Unsicherheiten behaftet und beliefen sich im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt auf etwa 5,5 GtCO2 pro Jahr. Schätzungen für 2019 ergeben einen Anstieg von etwa 0,8 GtCO2 gegenüber dem Vorjahr.

Diese Zunahme dürfte vor allem auf Brandrodung im Amazonasgebiet zurückgehen. Daten der brasilianischen Weltraumagentur zeigen, dass der Amazonas-Regenwald seit 2008 im brasilianischen Teil mit zunehmender Geschwindigkeit kleiner wird. Gleichzeitig war auch die Feueraktivität in den Entwaldungsgebieten Indonesiens ungewöhnlich hoch.

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CO2-Senken: Klimaschützer mit begrenzter Kapazität

Dabei spielen Waldland, ebenso wie die Ozeane, eine wichtige Rolle als CO2-Senken für die globale Kohlenstoffbilanz. Nur etwa 45 Prozent der CO2-Emissionen verbleiben in der Atmosphäre. Der Rest wird von den Weltmeeren und der Vegetation aufgenommen, eine „enorme Dienstleistung der natürlichen Systeme“, sagt Pongratz. „Noch ist nicht zu erkennen, dass die Aufnahmekapazität dieser Kohlenstoffsenken stagniert. Aber wir wissen von der so genannten CO2-Düngung: Bei steigenden CO2-Gehalten der Atmosphäre erhöht sich die Pflanzenproduktivität, erreicht aber irgendwann eine Sättigung“, erklärt die LMU-Geografin.

„Zudem ist die Landsenke sehr anfällig gegen zunehmende Störungen, etwa aus Rodung übergreifende Feuer. Auch Dürre- und Hitzeereignisse werden in einigen Regionen im Zuge des Klimawandels den Prognosen zufolge häufiger und stärker auftreten und die Landsenke gefährden“, warnt Ana Bastos, die ebenfalls als Geografin von der LMU an der Studie mitgearbeitet hat. „Seit Beginn der Industrialisierung haben sich Landnutzungsemissionen und die positiven Effekte der Landsenke in etwa ausgeglichen“, bilanziert Pongratz. „Die Ozeane sind deshalb die wichtigste Netto-Senke anthropogener Kohlenstoffemissionen.“

Eine realistische und erfolgsversprechende, international verbindliche Strategie zum Erreichen der Klimaziele steht weiterhin aus. Die jüngste Klimakonferenz in Madrid 2019 brachte jedenfalls noch nicht den erhofften Erfolg, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze bestätigt: „Leider werden die Ergebnisse den dringend nötigen Fortschritten beim Klimaschutz nicht gerecht.“ Zwar standen laut Schulze am Ende alle zum Pariser Klimaabkommen, „aber wir müssen alle schneller werden bei der Bekämpfung des Klimawandels.“

Weiterführede Informationen:

Hier geht es zum Global Carbon Project.

Und hier finden Sie eine Zusammenfassung des GCP-Berichts 2019.

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