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Behandlung von Covid-19 Corona-Medikamente: aussichtsreiche Wirkstoffe identifiziert

Redakteur: Christian Lüttmann

Schwere Covid-19-Verläufe endlich auch durch geeignete Medikamente verhindern – dies ist das Ziel von Forschern am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY. Sie haben tausende Wirkstoffe gescreent und in anschließenden Tests zwei besonders aussichtsreiche Kandidaten identifiziert. Der Vorteil: Die Stoffe sind bereits für andere Anwendungen zugelassen und könnten daher schneller in klinischen Studien erprobt werden.

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In einem umfangfreichen Röntgenscreening haben Forscher vielversprechende Kandidaten für Medikamente gegen das Coronavirus (künsterische Darstellung) identifiziert.
In einem umfangfreichen Röntgenscreening haben Forscher vielversprechende Kandidaten für Medikamente gegen das Coronavirus (künsterische Darstellung) identifiziert.
(Bild: DESY/SciComLab)

Hamburg – Gegen eine Infektion mit Corona haben wir bereits einige Impfstoffe. Doch nicht geimpfte Personen sind der durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung oft ausgeliefert, da es bisher kein eigens auf das Virus zugeschnittenes Medikament gibt. Nach selbigem suchen Forscher an der Röntgenlichtquelle PETRA III des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY – mit erstem Erfolg.

In einem so genannten Röntgenscreening testeten die Wissenschaftler um DESY-Physiker Alke Meents fast 6000 bereits für die Behandlung anderer Krankheiten existierende Wirkstoffe in über 7000 Messungen. Dabei identifizierten sie 37 aussichtsreiche Wirkstoffkandidaten. Diese 37 Stoffe binden an ein wichtiges Protein des Virus, die so genannte Hauptprotease, und könnten damit die Basis für ein Medikament gegen Covid-19 sein.

Von den 37 Stoffen aus der Vorauswahl hemmen sieben tatsächlich die Tätigkeit des Proteins und bremsen so die Vermehrung des Virus. Zwei von ihnen tun das besonders gut, weshalb sie zurzeit in präklinischen Studien weiter untersucht werden. Das vermutlich größte Wirkstoffscreening dieser Art brachte zudem eine neue Bindungsstelle an der Hauptprotease des Virus zu Tage, an der Medikamente ankoppeln können.

Schnell zu Ergebnissen kommen

Das Screening einer großen Wirkstoffbibliothek einen wichtigen Vorteil bei der Suche nach neuen Medikamenten: Es handelt sich nämlich um bereits für die Behandlung von Menschen zugelassene Wirkstoffe oder solche, die sich zurzeit in verschiedenen Erprobungsphasen befinden. Geeignete Kandidaten zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 könnten daher erheblich schneller in klinischen Studien eingesetzt werden und so Monate oder Jahre der Wirkstoffentwicklung sparen.

Auch die technische Ausrüstung am DESY ist auf Effizienz optimiert: Den Forschern stand ein vollautomatischer Probenwechsel mit einem Roboterarm zur Verfügung, sodass jede der über 7000 Messungen nur etwa drei Minuten dauerte. Mithilfe einer automatisierten Datenanalyse fand das Team schnell die aussichtsreichen Wirkstoffkandidaten.

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Im Gegensatz zu Impfstoffen, die gesunden Menschen helfen, sich gegen das Virus wehren zu können, werden in der Wirkstoffforschung Medikamente gesucht, die bei erkrankten Personen die Vermehrung des Virus im Körper bremsen oder zum Erliegen bringen. Viren können sich allein nicht vermehren. Sie schleusen stattdessen ihr eigenes Erbgut in die Zellen ihres Wirts ein und bringen diese dazu, neue Viren herzustellen. Dabei spielen Proteine wie die Hauptprotease des Virus eine wichtige Rolle. Sie zerschneidet Proteinketten, die nach dem Bauplan des Viruserbguts von der Wirtszelle hergestellt wurden, in kleinere Teile. Die daraus entstehenden „Protein-Schnipsel“ sind für die Vermehrung des Virus notwendig. Wenn es gelingt, die Hauptprotease zu blockieren, lässt sich der Zyklus u. U. unterbrechen – das Virus kann sich nicht mehr vermehren und die Infektion ist besiegt.

Eine Grundvoraussetzung für Wirkstoffe, die die Protease hemmen sollen, ist das Andocken an selbige. Wie der Schlüssel in ein Schloss passt dabei das Wirkstoffmolekül in ein Bindungszentrum der Protease. Ob das der Fall ist oder nicht, lässt sich aus Röntgendiffraktogrammen ableiten, wie sie an DESYs Forschungslichtquelle PETRA III erzeugt werden.

Ob die identifizierten Wirkstoffkandidaten tatsächlich zur Behandlung von Covid-19 taugen, haben nach dem Screening die Forscher am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin untersucht. Sie testeten, ob die ausgewählten Wirkstoffe in Zellkulturen die Virusvermehrung hemmen oder sogar verhindern, und wie verträglich sie für die Wirtszellen sind. Von den anfangs 37 aussichtsreichen Stoffen bestanden sieben diese Prüfung, wobei die beiden Wirkstoffe Calpeptin und Pelitinib die deutlich höchste Antiviralität bei guter Zellverträglichkeit zeigten, wie DESY-Forscher Sebastian Günther berichtet.

Wie das Screening nach Wirkstoffkandidaten für Coronamedikamente ablief, zeigt dieses Video vom Deutschen Elektronen-Synchrotron:

3D-Bilder des Virusproteins enthüllen neue Bindungsstelle

In ihrem Wirkstoffscreening mithilfe der Proteinkristallographie haben die Forscher nicht wie üblich Fragmente potenzieller Wirkstoffe untersucht, sondern vollständige Wirkstoffmoleküle. Dabei entdeckte das Team auch eine neue Bindungsstelle an der Hauptprotease. „Einer der beiden heißen Wirkstoffkandidaten bindet sogar genau an diese Stelle“, sagt Christian Betzel von Universität Hamburg, Mitinitiator der Studie.

„Eine besondere Stärke unserer Methode des Röntgenscreenings im Vergleich zu anderen Screeningmethoden ist, dass wir als Ergebnis die dreidimensionale Struktur der Protein-Wirkstoff-Komplexe erhalten und damit die Bindung der Wirkstoffe an das Protein auf atomarer Ebene bestimmen können“, erläutert Patrick Reinke, DESY-Forscher und Koautor der Veröffentlichung. „Selbst wenn die beiden aussichtsreichsten Kandidaten es nicht in klinische Studien schaffen sollten, so bilden die 37 Stoffe, die an die Hauptprotease binden, eine wertvolle Datenbasis für darauf aufbauende Medikamentenentwicklungen.“

An den Arbeiten sind neben DESY-Wissenschaftlern auch Forscher der Universitäten Hamburg und Lübeck, des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie, des Heinrich-Pette-Instituts, des European XFEL, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie EMBL, der Max-Planck-Gesellschaft, des Helmholtz-Zentrums Berlin und weiteren Institutionen beteiligt. Zusätzlich zu den Experimenten an der Messstation P11 wurden auch Messungen an den EMBL-Messstationen P13 und P14 an PETRA III durchgeführt.

Originalveröffentlichung: Sebastian Günther, Patrick Y. A. Reinke, et al.: X-ray screening identifies active site and allosteric inhibitors of SARS-CoV-2 main protease, Science, 02 Apr 2021; DOI: 10.1126/science.abf7945

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