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Austausch von Immunzellen Darm an Hirn: „Ich schick was hoch“

Von Lisa Pietrzyk*

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Immunzellen aus dem Darm gelangen bis hinauf ins Gehirn. Dies haben Forscher der TU München nun erstmals sichtbar gemacht. Die Nachverfolgung der T-Zellen bietet Potenzial für neue Therapien von Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose.

Darm und Hirn stehen in ständigem Austausch miteinander. Das Verdauungsorgan sendet sogar Immunzellen bis hinauf ins Hirn (Symbolbild).
Darm und Hirn stehen in ständigem Austausch miteinander. Das Verdauungsorgan sendet sogar Immunzellen bis hinauf ins Hirn (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Bret Kavanaugh / Unsplash)

München – Der menschliche Körper ist zwar unterteilt in einzelne Einheiten wie die Organe und verschiedene Gewebe, aber alles ist miteinander verbunden und fungiert als eine komplexe Einheit. Schon länger ist beispielsweise bekannt, dass eine Verbindung zwischen dem Darm-Mikrobiom und dem Zentralen Nervensystem (ZNS) besteht.

Die Verbindung zwischen dem Darm-Mikrobiom und dem ZNS, die so genannte „Darm-Hirn-Achse“, wird für vieles mitverantwortlich gemacht: für das Gewicht eines Menschen, für Autoimmunerkrankungen, Depressionen, psychische Erkrankungen oder Alzheimer. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) und des LMU Klinikums München hat diese Verbindung nun erstmals sichtbar gemacht. Dies ist ein bedeutender Fortschritt für die Medizin: Nun könnten beispielsweise die Therapien gegen Multiple Sklerose (MS) angepasst und die T-Zellen eventuell vor dem Eintreffen im Gehirn der Erkrankten verändert werden.

Botengänger zwischen Darm und Gehirn

Das Immunsystem wird von Umweltfaktoren beeinflusst – bei Patienten mit einer MS auch im Zentralen Nervensystem. Sie erleben immer wieder Schübe dieser Autoimmunerkrankung – die MS verbessert oder verschlechtert sich. T-Zellen sammeln Informationen und transportieren diese bei Patienten mit Multipler Sklerose in das Zentrale Nervensystem, also ins Gehirn und Rückenmark, wo dann eine Immunreaktion ausgelöst wird. Wie und von welchem Ausgangspunkt die T-Zellen tatsächlich ins ZNS gelangen, war allerdings lange unklar.

Das Team um Thomas Korn, Professor für Experimentelle Neuroimmunologie an der TUM, hat nun eine Methode entwickelt, um Immunzellen von Mäusen durch photokonvertierbare Proteine zu markieren. Mit violettem Licht können die T-Zellen so sichtbar gemacht werden. Dies gelang den Forschern am Mausmodell in Lymphknoten sowohl im Darm als auch in der Haut. So verfolgte das Team optisch nach, wie die T-Zellen von dort ins Zentrale Nervensystem wanderten.

Herkunft von T-Zellen im Hirn aufgeklärt

T-Zellen aus der Haut wanderten in die graue und weiße Substanz des Zentralen Nervensystems, T-Zellen aus dem Darm fast ausschließlich in die weiße Substanz. Die Herkunft der T-Zellen konnte selbst im Gehirn immer noch abgelesen werden.

„Diese Erkenntnisse sind so bedeutsam, da damit erstmals gezeigt wurde, dass Umwelteinflüsse die T-Zellen in den Darm- oder Hautlymphknoten prägen und dann diese Informationen mit in die Organe transportieren, die weit entfernt liegen“, erklärt Studienleiter Korn. „Die Eigenschaften der T-Zellen sind dabei so stabil, dass wir feststellen konnten, ob die Immunreaktionen durch Haut- oder Darm-T-Zellen beeinflusst werden“, fügt Dr. Eduardo Beltrán hinzu, der wesentlich zur bioinformatischen Analyse der untersuchten Immunzellen beigetragen hat.

Behandlungsansatz für Multiple Sklerose

Die nun gezeigte Rückverfolgbarkeit von T-Zellen stellt eine wichtige Erkenntnis für die Behandlung von MS-Patienten dar. „Wüsste man nämlich, ob Darm- oder Hautzellen die Erkrankung ausgelöst haben, könnte man die T-Zellen am Ausgangspunkt der Erkrankung behandeln und Vorhersagen für das Fortschreiten der chronischen Entzündung und der Autoimmunität treffen“, erläutert Michael Hiltensperger, Erstautor der Studie. Auch für andere Autoimmunerkrankungen oder Krebs könnten die Erkenntnisse neue Therapieansätze ermöglichen.

Originalpublikation: Hiltensperger, M., Beltrán, E., Kant, R. et al.: Skin and gut imprinted helper T cell subsets exhibit distinct functional phenotypes in central nervous system autoimmunity, Nat Immunol 22, 880–892 (2021); DO: 10.1038/s41590-021-00948-8

* L. Pietrzyk, Technische Universität München, 80333 München

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