Röntgenanalyse poröser Materialien Das Innenleben von Katalysatoren in Echtzeit durchleuchtet
Was passiert mit einem feinen, schwammartigen Porennetzwerk bei großer Hitze? Dies ist eine wichtige Frage für das Design vieler Katalysator-Materialien. Mit speziellen Röntgentechniken sind Forscher des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY der Evolution von Porenstrukturen nachgegangen.
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Hamburg – Poröse Materialien haben vielfältige technische Anwendungen und sind auch in der Natur weit verbreitet. Die dreidimensionale Porenstruktur dieser Materialien kann man sich dabei wie einen Schwamm vorstellen. Das Porensystem bestimmt maßgeblich die physikalischen Eigenschaften des Materials und ermöglicht eine große Oberfläche, auf der sich Stoffe anlagern (Adsorption) und chemische Reaktionen stattfinden können. So haben beispielsweiße einige technische Katalysatoren oder Adsorptionsmaterialien in einem Gramm eine Oberfläche, die der Fläche eines Fußballfeldes entspricht.
Was zeichnet einen guten Katalysator aus?
Neben der großen Oberfläche spielen auch der Porendurchmesser und die Verbindung der einzelnen Poren untereinander zu einem größeren Porennetzwerk eine entscheidende Rolle für die physikalisch-chemischen Eigenschaften, insbesondere für den Transport von Molekülen innerhalb des Porensystems. Die Stofftransporteigenschaften eines Katalysators sind entscheidend für seine Leistungsfähigkeit und ein wichtiger Designparameter auf der Suche nach besseren Katalysatormaterialien, v. a. im industriellen Hinblick.
Da der Großteil aller industriellen chemischen Prozesse an einem gewissen Punkt in Kontakt mit einem Katalysator kommt, haben schon kleine Verbesserung der Effizienz einen großen Einfluss auf beispielsweise die benötigte Prozessenergie und damit verbundene Emissionen von Treibhausgasen oder unerwünschten Nebenprodukten. Somit kann die Optimierung der Porenstruktur einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigeren chemischen Prozessen leisten.
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Ganzheitliches Modell für Katalysatoren
Katalyse – Wie die Partikelgröße die Reaktion beeinflusst
Strukturanalyse in zwei und drei Dimensionen
Die Herstellung von Materialien mit angepassten Porenstrukturen erfordert jedoch häufig komplexe Synthesemethoden, die oft auf Erfahrungen beruhen und nicht im Detail verstanden sind. Ob und wie sich die Porenstruktur während des Betriebs ändert, lässt sich zudem meist nur durch einen Vorher-Nachher-Vergleich bestimmen, aber nicht live im laufenden Betrieb verfolgen. Das wäre jedoch wichtig, um das Porensystem zu optimieren.
Hier kommen Röntgenquellen wie PETRA III beim Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) ins Spiel: Mit moderner Röntgenmikroskopie lassen sich komplexe Porenstrukturen untersuchen, die typischerweise in Längenskalen von Nanometern bis Mikrometern vorliegen. Eine dieser Methoden nennt sich Röntgen-Ptychographie und kann sowohl in 2D als Röntgen-Nanomikroskopie oder in 3D als Röntgen-Nanotomographie an Synchrotron-Strahlenquellen wie PETRA III durchgeführt werden. Die Röntgen-Ptychographie zeichnet sich durch eine hohe Auflösung aus und kann noch 50 nm kleine Details bei Probendurchmessern von rund 50 µm erkennen. Zusätzlich dazu kann sie in der tomographischen Anwendung eine quantitative 3D-Abbildung der Elektronendichte einer Probe liefern.
Dem Katalysator bei Veränderungen zugeschaut
Mithilfe der Röntgen-Ptychographie haben Forscher nun analysiert, wie sich die Porenstruktur eines Katalysators während der so genannten Kalzinierung verändert. Die Kalzinierung ist typischerweise der abschließende Schritt in der Herstellung poröser Materialien. Dazu untersuchten sie zunächst bei DESY das Katalysatormaterial per 2D-Röntgen-Nanomikroskopie. Sie verwendeten einen Nanoreaktor, in welchem sich die Temperatur und Gasatmosphäre genau kontrollieren lässt. In diesen Versuchen ließ sich die Änderung des Katalysators von Raumtemperatur bis 800 °C bei verschieden Gasbedingungen nahezu in Echtzeit verfolgen.
Die 2D-Röntgen-Nanomikroskopie zeigt Änderungen der Oberflächenform (Morphologie). Da das Porensystem und die Probe allerdings eine 3D Struktur haben, können die Änderungen nur eingeschränkt in 2D-Abbildungen quantifiziert werden.
Besseres Verständnis der Porenstruktur
Für die Quantifizierung wurden daher ergänzende Röntgen-Nanotomographie-Messungen zusammen mit Forschern des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) in der Schweiz durchgeführt. Dabei untersuchte das Team identische Partikel des Katalysators vor und nach der Kalzinierung. Diese Tomogramme dienten dazu, die Porenstruktur der Katalysatoren zu beschreiben und die zuvor bereits beobachteten Änderungen daran zu quantifizieren. Die aus der Analyse der Tomogramme erhaltenen Informationen können direkt für komplexe Modellierungen des Stofftransports verwendet werden. Dies ist eine wichtige Basis, um die Porenstruktur solcher Materialien zu optimieren.
Zusammen ermöglichen die verwendeten Verfahren ein viel detaillierteres Verständnis der Evolution von Porenstrukturen als bisher. Dies ist besonders für die Entwicklung neuer Katalysatoren in der chemischen Industrie interessant, aber auch im Bereich von Adsorptionsmaterialien, Membranen, Isolationsmaterialien oder Batterien sind solche detaillierten Informationen über die 3D-Struktur entscheiden.
Originalpublikation: Sebastian Weber, Ana Diaz, Mirko Holler, Andreas Schropp, Mikhail Lyubomirskiy, Ken L. Abel, Maik Kahnt, Arno Jeromin, Satishkumar Kulkarni, Thomas F. Keller, Roger Gläser, Thomas L. Sheppard: Evolution of Hierarchically Porous Nickel Alumina Catalysts Studied by X-ray Ptychography, „Advanced Science“, 2022; DOI: 10.1002/advs.202105432
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