Zerstörungsfrei datierte Felsbilder Das Schwarze Brett der Steinzeit – Felskunst analysiert
In zahlreichen Fundstätten auf der Welt zeugen Felsbilder vom Leben unserer Vorfahren. Wann diese prähistorischen „Postings“ gemacht wurden und ob sie dann wirklich unveränderlich „in Stein gemeißelt“ waren, haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie mit einer zerstörungsfreien Methode untersucht.
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Mainz – In Stein gravierte menschenähnliche Wesen, fantastische Tiergestalten oder geometrische Muster: Felsbilder sind oft Jahrtausende alt und erlauben uns einzigartige Einblicke in die Welt unserer Vorfahren. Die zeitliche Einordnung dieser Felsgravuren, auch Petroglyphen genannt, bleibt jedoch eine Herausforderung. Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie ist es nun gelungen, ihre zerstörungsfreie Methode zur Datierung von Felszeichnungen auf einen Fundort in Nordamerika zu übertragen. Die Analysen zeigen, dass Felskunst im Great Basin, einer Region im Westen der USA, über zwölf Jahrtausende erzeugt und kontinuierlich erneuert wurde. Menschen griffen dabei immer wieder auf die gleichen Kunstwerke zu und versahen sie mit neuer Bedeutung, interpretieren die Wissenschaftler ihre Ergebnisse.
Gesteinslack vor Ort untersucht
Um das Alter der in die Felsen geritzten Figuren verlässlich einzuschätzen, ermittelten die Wissenschaftler von Mangan und Eisen die so genannte Flächendichte, also die Masse pro Fläche in der Felsoberfläche. Beide Elemente sind in der Gesteinslack genannten Kruste enthalten, die sich auf Felsen als dünner, dunkler Überzug abgelagert hat. Nach dem Einritzen bildet sich diese Schicht erneut und wächst mit den Jahren. „Wir haben intakten Gesteinslack mit dem Lack der Gravuren verglichen und konnten diese so chronologisch einordnen“, erklärt Meinrat O. Andreae. Der emeritierte MPI-Direktor führte gemeinsam mit seiner Frau, der Biogeowissenschaftlerin Tracey Andreae, insgesamt 461 Messungen direkt vor Ort mithilfe eines tragbaren Röntgenfluoreszenzgerätes durch. Bei dieser Methode wird der Gesteinslack nicht zerstört oder angegriffen.
Die Forscher konzentrierten sich auf die Felskunst an vier Fundorten in Idaho, Wyoming und im Süden von Montana im nordöstlichen Teil des Great Basin. Hier liegt u. a. das Kulturareal der Shoshonen-Indianer. In diesem Gebiet erstreckt sich die vielfältige Felskunst über eine breite Zeitspanne, die von der paläo-indianischen Epoche vor rund 15.000 Jahren bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Ein weiterer Vorteil: Die Wissenschaftler konnten ihre eigene Methode durch Messungen von Felsgravuren ergänzen, deren Alter zuvor mithilfe unabhängiger, geochemischer Methoden datiert wurde. Beide Altersschätzungen stimmen überein und bestätigten sich somit gegenseitig. Auch der Abgleich mit anderem, archäologisch datierbarem Material an den Fundorten der Felskunst unterstützte die Altersschätzungen der Forscher.
Kunstwerke im Wandel der Zeit
Weitere Gewissheit über die korrekte Datierung erlangten die Wissenschaftler, indem sie ermittelten, auf welche Weise sich Mangan im Laufe der Jahrtausende im Felslack abgelagert hat. Sie vermuteten ein relativ gleichmäßiges Wachstum des Lackes. Als Referenz wählten sie Analysen von Felsflächen, von denen zweifelsfrei feststeht, wann sie sich gebildet haben. Im Great Basin erfüllen diese Bedingung zwei Arten von Oberflächen: Die melonenartig geformten Basalt-Felsbrocken im Snake River Valley, die vor 14.500 Jahren geologisch abgetragen wurden, und zwei circa 2.000 Jahre alte Basalt-Lavaströme im Craters of the Moon National Monument. Tatsächlich waren die Ablagerungsraten zu beiden Zeiten nahezu konstant, was auf eine annähernd lineare Ablagerung schließen lässt.
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Archäologie
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„Alle unsere Analysen lassen den Schluss zu, dass die frühesten Felszeichnungen bereits in der Übergangszeit vom Pleistozän zum Holozän, also vor rund 12.000 Jahren, entstanden sind und von den Ureinwohnern über Jahrtausende hinweg bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder überarbeitet wurden“, erklärt der Biogeochemiker Andreae.
Allein im Celebration Park, einem der Fundorte in Idaho, decken die Felsgravuren eine Spanne von rund 10.000 Jahren ab. Die frühesten Bilder dort waren abstrakte Formen. Später kamen repräsentative, gegenständliche Darstellungen hinzu. An anderen Orten wiederum dominierten die gegenständlichen Figuren zuerst und abstrakte Muster folgten später.
Natur- und Humanwissenschaften verbinden
Insgesamt machten Andreae und seine Frau an den Fundstätten ein breites Spektrum an Stilen und Motiven aus, angefangen von Strichzeichnungen abstrakter geometrischer Muster bis hin zu großen, menschenähnlichen Wesen, so genannten Anthropomorphen.
„Mit unserer Methode stellen wir eine Verknüpfung zwischen den Natur- und Humanwissenschaften her“, sagt der Forscher. „Sie ermöglicht Altersschätzungen für eine statistisch relevante, große Anzahl von Felskunst-Elementen – und das mit geringem Aufwand und vor allem ohne zerstörerische Probennahmen“, resümiert Andreae die Ergebnisse der Studie im Nordamerikanischen Becken. Weitere Expeditionen in Saudi-Arabien, wo es ebenfalls zahlreiche gut erhaltene Petroglyphen gibt, plant der Max-Planck-Forscher bereits.
Originalpublikation: Meinrat O. Andreae, Tracey Andreae: Archeometric studies on rock art at four sites in the northeastern Great Basin of North America, POS Online, 1/2022; DOI: 10.1371/journal.pone.0263189
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