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Elektrisch geladene Arme umklammern Öltröpfchen Das Zwiebelprinzip in der Sojabohne

Autor / Redakteur: Christian Schneider* / Christian Lüttmann

Die Sojabohne findet auf dem Nahrungsmittelmarkt großen Absatz, ist sie doch Basis für viele fleischlose oder lactosefreie Lebensmittel. Was sie reichlich enthält, ist Öl – verpackt in kleinen Tröpfchen. Diese dienen der Bohne beim Keimen und Wachsen als Energielieferant und werden bei der Herstellung von Sojaölen verwendet. Nun haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung aufgedeckt, wieso diese Tröpfchen so ungewöhnlich stabil sind. Die Ergebnisse könnten der Entwicklung innovativer Lebensmittel auf natürlicher Basis nützen.

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Ölkörperchen bei Sojabonen (Klicken für mehr Infos)
Ölkörperchen bei Sojabonen (Klicken für mehr Infos)
(Bild: MPI-P)

Mainz – Wasser und Öl vermischen sich nicht – dies ist eine Erfahrung des täglichen Lebens. Um Wasser mit Öl zu mischen bedarf es so genannter Emulgatoren. Ein solcher ist das in der Sojapflanze vorkommende Molekül Phospholecithin, ein Phospholipid: Das langkettige Molekül besitzt einen wasserliebenden sowie einen wasserabweisenden (und damit fettliebenden) Teil.

Lecithin-Moleküle ordnen sich um Öltröpfchen herum an und schließen diese im Inneren einer Kugel ein. Der fettliebende Teil schaut hierbei nach innen zum Öl. Da das Molekül nach außen hin wasserliebend ist, können also kleine Ölkörperchen – bestehend aus der Emulgatorhülle sowie dem öligen Inneren – in Wasser gelöst werden. Diese Ölkörperchen nennen sich Oleosome.

Drei „Zwiebelschichten“ halten die Tröpfchen in Form

Rein über das Vorhandensein des Emulgators Phospholecitin ist jedoch nicht erklärbar, warum Oleosome eine lange Zeit stabil in der Sojapflanze vorliegen können. „Schon kleine Temperaturschwankungen und Erschütterungen müssten Oleosome eigentlich zerstören – und die Pflanze würde sterben“, so Prof. Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz.

Daher schafft die Natur durch spezielle Proteine, so genannte Oleosine, einen Stabilitätsbonus. Diese Oleosine ragen mit ihrem langgestreckten und eng-haarnadelförmigen Mittelteil wie Anker tief in die Ölphase, während sich zwei wasserliebende Ärmchen schützend über die Phospholipide ausbreiten.

Zudem sind diese wasserliebenden Ärmchen elektrisch geladen. Damit ergibt sich für die nur wenige hundert Nanometer großen Oleosome eine zwiebelartige Schichtstruktur: außen die Enden der ins Wasser ragenden Proteinärmchen, darunter liegend die Phospholipide, und im Inneren die ins Öltröpfchen ragenden Proteinanker.

Maß nehmen mit Neutronenstreuung

Für Wissenschaftler um Vilgis standen diese in der Natur vorkommenden Nanopartikel schon seit längerem im Fokus der Forschung, aber die genaue Struktur der Oleosome war bisher unbekannt. Aufklärung brachte erst eine genaue Analyse über Kleinwinkelneutronenstreuung. Dazu wurden an den Forschungsreaktoren in Grenoble und Oxford Neutronen auf die Nanopartikel geschossen und aus deren Ablenkung Rückschlüsse über die Struktur der Partikel geschlossen.

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Details zur Größenbestimmung der Oleosome

Möglich wird dies durch Kontrastvariationsverfahren mit Mischungen von unterschiedlichen Konzentrationen aus „schwerem Wasser“ (dessen Wasserstoffatome durch Deuterium ersetzt wurden) und „normalem Wasser“. Die Neutronen werden von Deuterium und Wasserstoff vollkommen unterschiedlich abgelenkt, was mit der sogenannten Streulänge beschrieben wird. Diese hat sogar für Deuterium und Wasserstoff ein unterschiedliches Vorzeichen. Somit lassen sich, ähnlich wie bei der Wahl entsprechender Brechungsindizes in der Optik, verschiedene Schichten des Oleosoms selektiv für die Neutronen aus- und einblenden. Aus den Mustern der gestreuten Neutronen lassen sich damit Struktur und Größe der Ölkörperchen bestimmen.

Die Forscher konnten den Durchmesser der Oleosome auf 278 Nanometer bestimmen. Das entspricht etwa einem Drittel des Durchmessers von einem roten Blutkörperchen. Die äußere Schicht der ins Wasser ragenden Proteinärmchen zeigt sich mit 9 Nanometern dicker als bisher angenommen. Grund dafür sind die darauf vorhandenen positiv elektrischen Ladungen: wegen deren Abstoßung bleibt nur der Ausweg in die wässrige Umgebung der Zelle und damit weg vom Oleosom. Auch die Temperaturstabilität der Ölkörperchen bis zu 90 °C konnte über die Neutronenstreumessungen direkt verifiziert werden.

Transportbereit, innen wie außen

Aus der genauen Kenntnis der Struktur der Nanopartikel aus der Sojabohne erhoffen sich die Forscher eine ganze Reihe Anwendungen: Mit derartigen natürlichen Nanopartikeln könnten wasser- und fettlösliche Nährstoffe gezielt platziert und transportiert werden. Während Öl-lösliche Nährstoffe (z.B. Vitamine) in das Innere der Partikel geschleust werden können, lassen sich wasserlösliche Stoffe an deren Oberfläche haften. Möglich wird dies durch die elektrisch geladenen Oleosine, deren Ladung sich über den pH-Wert steuern lässt: Die Oleosome sind in saurer Umgebung positiv, in basischer Umgebung negativ geladen.

Damit lassen sich die Nanopartikel auch auf eine vielfältige Weise mit Biopolymeren jeweils gegensätzlicher Ladung „verkapseln“. Dies wurde in der Vergangenheit z.B. bereits mit Pektin – einem bekannten Zucker und Geliermittel – durchgeführt. Auch hier konnte die Schichtdicke des Pektins mit Neutronenstreuung gemessen werden. Damit sind neue Formen von pflanzlichen Lebensmitteln auf Oleosombasis denkbar. Den Wissenschaftlern zufolge beschränken sich die Erkenntnisse nicht auf Sojabohnen, sondern lassen sich auch auf die Oleosome anderer Ölsaaten wie Haselnüsse oder Leinsamen erweitern. Neue Ansätze, z.B. für die geriatrische Ernährung könnten daher ebenfalls realisiert werden.

Originalpublikation: Birgitta I.Zielbauer, Andrew J. Jackson, Sania Maurer, Gustav Waschatko, Marta Ghebremedhin, Sarah E. Rogers, Richard K. Heenan, Lionel Porcar, Thomas A. Vilgis: Soybean oleosomes studied by small angle neutron scattering (SANS). Journal of Colloid and Interface Science, Volume 529, 1 November 2018, Pages 197-204, DOI: 10.1016/j.jcis.2018.05.080

* Dr. C. Schneider Max-Planck-Institut für Polymerforschung, 55021 Mainz

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