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Diabetes-Typ-2 Der chemischen Sprache unserer Fettpolster auf der Spur

Quelle: Pressemitteilung Universität Augsburg Lesedauer: 3 min

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Unser Fettgewebe schickt Nachrichten ins Blut. In Form von kleinen „Päckchen“ gibt es Botenstoffe ab, die die Ausschüttung des Blutzucker-senkenden Hormons Insulin stimulieren. Diese Entdeckung durch Forscher der Universität Augsburg und des Forschungszentrum Helmholtz Munich trägt dazu bei, frühe Prozesse in der Entstehung des Diabetes-Typ-2 besser zu verstehen.

Bei zu viel Zuckerkonsum kann sich eine Insulin-Resistenz etwickeln. Dann hören die Zellen schlechter auf die körpereigenen Botenstoffe (hier: Insulin) – und Zucker wird verstärkt in Fettzellen eingelagert.
Bei zu viel Zuckerkonsum kann sich eine Insulin-Resistenz etwickeln. Dann hören die Zellen schlechter auf die körpereigenen Botenstoffe (hier: Insulin) – und Zucker wird verstärkt in Fettzellen eingelagert.
(Bild: TarikVision - stock.adobe.com)

Fettgewebe hat einen schlechten Ruf. Dieser ist nicht zuletzt der weltweit steigenden Zahl von übergewichtigen und fettleibigen Menschen geschuldet. Dennoch ist Körperfett nicht generell schlecht, sondern hat auch äußerst wichtige Funktionen. Die Zellen des Fettgewebes sind hocheffiziente Energiespeicher, die überschüssige Kalorien aus der Nahrung in Fettpolster umwandeln – grundsätzlich eine sinnvolle Reserve, solange diese Funktion nicht überstrapaziert und die Fettpolster zu groß werden. Weiterhin ist das Fettgewebe als endokrines, d. h. Hormon-produzierendes Organ, beispielsweise an der Regulation vieler Körperprozesse beteiligt. Forschern der Universität Augsburg und des Forschungszentrums Helmholtz Munich, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), ist es nun gelungen, eine neue Funktion des Fettgewebes aufzuklären. Denn Fettzellen geben nicht nur Hormone ins Blut ab, sondern auch so genannte extrazelluläre Vesikel.

Extrazelluläre Vesikel sind kleine membranumhüllte Partikel, die aus allen Körperzellen freigesetzt werden und eine Art Momentaufnahme des zellulären Geschehens durch den Körper tragen. Man kann sie mit Trojanischen Pferden vergleichen, die Proteine, Lipide und Nukleinsäuren zu einem Zielgewebe transportieren und dort freisetzen. In der neuen Zelle angekommen, können sie deren Funktion verändern“, erklärt Konxhe Kulaj, Doktorandin und Erstautorin der Studie. „So gelangen extrazelluläre Vesikel aus den Fettzellen gezielt zu den Betazellen der Bauchspeicheldrüse, werden dort aufgenommen und steigern dort die Ausschüttung des Hormons Insulin“ führt Kulaj weiter aus.

Unterschiedliche „Fracht“ aus dem Fettgewebe

Zusammen mit ihren Kollegen wies Kulaj in einer Reihe von Versuchen nach, dass extrazelluläre Vesikel aus gesundem und adipösem Fettgewebe eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung an Botenstoffen als „Fracht“ mit sich führen und dadurch die Funktion von Betazellen der Bauchspeicheldrüse verschiedenartig beeinflussten. Stammten die extrazellulären Vesikel aus gesundem Fettgewebe, wie es bei Normalgewicht vorliegt, wurde die Insulinausschüttung nur geringfügig verändert. Extrazelluläre Vesikel aus adipösem Fettgewebe übertrugen dagegen spezifisch Proteine und Nukleinsäuren auf die Bauchspeicheldrüse, die dort die Freisetzung von Insulin stark erhöhten. In Folge sanken die Blutzuckerspiegel.

Die Studienergebnisse helfen den Forschern, Diabetes-Erkrankungen besser zu verstehen, wie Teamleiterin Prof. Dr. Kerstin Stemmer erklärt: „In unserem Verständnis zur Entstehung des Typ-2-Diabetes klafft eine Lücke. Bei Übergewicht und Fettleibigkeit reagieren unsere Körperzellen zum Beispiel im Muskel oder Fettgewebe weniger empfindlich auf Insulin, wir sprechen von Insulinresistenz.“ In diesem sehr frühen Stadium des Typ-2-Diabetes müsse die Bauchspeicheldrüse, zum Beispiel nach einer Mahlzeit, mehr Insulin ausschütten, um die Blutzuckerspiegel im Normalbereich zu halten. Wie aber erkennen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, dass eine Insulinresistenz vorliegt, sie also mehr Insulin bereitstellen müssen? Hier sind die Wissenschaftler einer Erklärung nun nähergekommen.

„Eine Erhöhung der Insulinsekretion ist in diesem Frühstadium des Typ-2-Diabetes sehr förderlich und führt dazu, dass der Körper seinen Blutzuckerspiegel auf normalem Niveau halten kann“, sagt Stemmer. „Vielen übergewichtigen und adipösen Menschen gelingt dies über Jahrzehnte, die Krankheit bricht nie aus. Die extrazellulären Vesikel aus den Fettzellen scheinen in diesem Prozess eine wichtige Rolle zu spielen“.

Ziel: „Päckchen“ für Therapien individuell beladen

Alles in allem sehen die Forscher in extrazellulären Vesikeln ein sehr großes Anwendungspotential für die Diagnostik und Therapie verschiedenster Erkrankungen. „Unsere laufenden Studien zielen darauf ab, die Vesikel gezielt zu beladen, um sie für therapeutische Zwecke nutzen zu können“, sagt Teamleiterin Stemmer. In weiteren Studien entwickeln die Augsburger und Münchner Forscher derzeit neue Verfahren, um im Blut zirkulierende, extrazelluläre Vesikel für eine minimalinvasive Untersuchung von Organfunktionen nutzen zu können. (clu)

Originalpublikation: Kulaj et al.: Adipocyte-derived extracellular vesicles increase insulin secretion through transport of insulinotropic protein cargo, Nature Communications. 14, Article number: 709 (2023); DOI: 10.1038/s41467-023-36148-1

(ID:49191978)

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