Temperaturabhängige Resistenzen gegen Insektizide Der Klimawandel schützt Insekten vor Schädlingsbekämpfung
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Steigende Temperaturen könnten dafür sorgen, dass Insektizide an Wirkung verlieren. Wie eine Studie von Forschern der Vetmeduni Wien zeigt, begünstigt der Klimawandel Insektizidresistenzen in Fruchtfliegen. Dieser Effekt könnte generell für Insektenpopulationen eine Rolle spielen.

Wien/Österreich – Viele Insekten sind in den Augen der Menschen eine Plage und werden daher mit Insektiziden bekämpft, z.B. Fliegen, Motten und Stechmücken. Doch die Insekten sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Durch natürliche Mutation entwickeln sie relativ schnell Resistenzen gegen die Gifte. Das schützt die Plagegeister zwar vor den gegen sie eingesetzten Giftstoffen, hat jedoch oft einen Preis. Denn Resistenzmutationen sind meistens nur in der Gegenwart des Insektizids wirklich vorteilhaft. In Abwesenheit des Giftes können sie sogar schädlich für die Insekten sein. Diese wechselseitigen Kosten und Nutzen von Resistenzmutationen sind ein wesentlicher Bestandteil des Insektizidresistenz-Managements. Bislang wurden die Kosten einer Insektizidresistenz allerdings kaum unter ökologisch relevanten Bedingungen getestet.
Ein Forscherteam der Vetmeduni Wien hat sich nun mit einem Umweltaspekt der Resistenzbildung beschäftigt: Dem Temperatureinfluss. Hier bei konzentrierten sie sich auf ein Schlüsselgen für die neuronale Signalübertragung, genannt Ace. Es ist ein zentraler Angriffspunkt vieler Insektizide. Da Temperatur die neuronalen Signale beeinflusst und ein wesentlicher Umweltfaktor ist, untersuchten die Wissenschaftler die Kosten der Insektizidresistenz in verschiedenen Umgebungstemperaturen.
Höhere Temperaturen, widerstandsfähigere Insekten
Für ihre aktuelle Studie experimentierte das Team mit einer natürlichen Population der Fruchtfliege Drosophila simulans bei heißen und kalten Temperaturen. Dabei ergab sich ein überraschend starker Einfluss der Umgebungstemperatur. „Im kalten Temperaturbereich wurden die Resistenzmutationen stark gegenselektiert, aber in einer heißen Umgebung reduzierten sich die Fitnesskosten von Resistenzmutationen um fast 50%“, sagt Christian Schlötterer, einer der Studienautoren. Die Fliegen hatten in wärmerer Umgebung also weniger Nachteile durch ihre entwickelte Insektizidresistenz. „Wir führen diese unerwartete Beobachtung auf den Vorteil der verringerten enzymatischen Aktivität von Resistenzmutationen in heißen Umgebungen zurück.“
Den Forschern gelang damit der Nachweis, dass die Fitnesskosten von Insektizidresistenzgenen temperaturabhängig sind. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, dass die Dauer insektizidfreier Perioden für verschiedene Klimaregionen angepasst werden muss, um diese Kosten zu berücksichtigen. „Wir nehmen an, dass solche umweltabhängigen Fitnesseffekte häufiger auftreten als bisher angenommen und eine große Herausforderung für die Modellierung des Klimawandels darstellen“, sagt Studienerstautorin Anna Maria Langmüller.
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Experimente für Resistenzentwicklung planen
Genaue Schätzungen der Fitnesskosten und ein tiefgreifendes Verständnis darüber, wie sie durch Umweltfaktoren wie die Temperatur beeinflusst werden, sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Strategie für das Insektizidmanagement. „Unsere Studie bestätigt, dass die Temperatur ein Schlüsselfaktor für die Kosten der Resistenzmutationen ist“, sagt Dazu Langmüller. „Die Schwierigkeit, die Fitnesskosten anhand von In-vitro-Experimenten vorherzusagen, zeigt deutlich, dass die Resistenzkosten in sich entwickelnden Populationen untersucht werden müssen.“ Es seien also noch weitere Arbeiten erforderlich, um festzustellen, ob gut konzipierte experimentelle Evolutionsexperimente die Dynamik von Resistenzmutationen in freier Wildbahn vorhersagen können.
Originalpublikation: Anna Maria Langmüller, Viola Nolte, Ruwansha Galagedara, Rodolphe Poupardin, Marlies Dolezal & Christian Schlötterer: Fitness effects for Ace insecticide resistance mutations are determined by ambient temperature, BMC Biology volume 18, Article number: 157 (2020); DOI: 10.1186/s12915-020-00882-5
* N. Grötschl, Veterinärmedizinische Universität, 1210 Wien/Österreich
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