Darmgesundheit und Backwaren Die Wissenschaft von darmfreundlichem Brot
Brot ist gleichermaßen Kulturgut wie Grundnahrungsmittel. Doch bestimmte Kohlenhydrate machen die Backwaren im wahrsten Sinne des Wortes schwer verdaulich – besonders für Menschen mit empfindlichem Darm sind sie ein Problem. Forscher am Max-Rubner-Institut erproben daher neue Backrezepte für bekömmlichere Brote.
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Karlsruhe – Brot steht wie kein anderes Lebensmittel, symbolisch und real, für die Ernährung des Menschen. Doch bei manchen Menschen können bestimmte Backwaren auch negative Wirkungen haben. Am Max-Rubner-Institut (MRI) wird daran geforscht, wie diese vermieden werden können. Der Herstellungsprozess und sein Einfluss auf die Gruppe der Kohlenhydrate ist dabei entscheidend.
Eine der häufigsten Verdauungsstörungen ist das Reizdarmsyndrom. Die Symptome und Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten beinhalten u. a. Blähungen, Völlegefühl und Durchfall. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen sind durch Darm-Mikroorganismen fermentierbare, aber sonst unverdauliche Kohlenhydrate Auslöser der Symptome. Sie werden unter dem Akronym Fodmap zusammengefasst (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide, sowie Polyole). Dazu gehören z. B. Fruktose, Laktose und Mannitol, aber auch Frukto- und Galaktooligosaccharide.
Strategien für darmfreundliche Backwaren
Zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in der europäischen Ernährung zählen Brot und Backwaren. Doch auch diese Lebensmittel sind eine Quelle für unverdauliche Kohlenhydrate in der menschlichen Ernährung. Anhand der wissenschaftlichen Literatur haben MRI-Forscher verschiedene Ansätze zur Herstellung Fodmap-armer, also darmfreundlicherer Backwaren identifiziert. Diese beinhalten u. a. längere Teiggaren, den Einsatz alternativer Hefen, sowie den gezielten Einsatz von Sauerteig. Als Grundlage für die im Labormaßstab hergestellten Gebäcke wurden Auszugs- und Vollkornmehle aus Weizen verwendet.
Die ersten Ergebnisse haben gezeigt, dass praxisnah produziertes Weißbrot generell eher wenig unverdauliche Kohlenhydrate enthält. Eine spezielle Fodmap-Reduktion ist bei Produkten aus Weizenauszugsmehl somit nicht nötig. Allerdings sind die Gehalte der fraglichen Kohlenhydrate in Weizenvollkornmehl und in Roggenmahlprodukten deutlich höher. Wegen ihrer gesundheitsfördernden Eigenschaften sollten aber gerade Roggen- und Vollkornbrote bevorzugt verzehrt werden. Dementsprechend erfordern Backwaren aus Roggen und Weizenvollkornmehlen einen angepassten Herstellungsprozess, um auch vom Reizdarmsyndrom-Betroffene bekömmlich zu sein. Daher wurden die oben genannten Ansätze zur Fodmap-Reduktion (längere Teiggare, alternative Hefen, Verwendung von Sauerteig) im Produktionsprozess angewendet und geprüft, ob das resultierende Gebäck sowohl Verbraucherakzeptanz als auch Marktfähigkeit erreichen kann.
Drei Maßnahmen für neue Brotrezepte im Detail
Die einfachste Modifikation im Produktionsprozess ist die Verlängerung der Teiggare, um der Bäckerhefe mehr Zeit für die Stoffwechselvorgänge zu geben. Dadurch können einige Komponenten wie kurzkettige Fruktane und Fruktose weiter reduziert, jedoch nicht vollständig eliminiert werden. Insbesondere langkettige Fruktane können durch die Enzyme der Bäckerhefe nicht abgebaut und dementsprechend auch durch eine verlängerte Teiggare nicht eliminiert werden.
Da der alleinige Einsatz von Bäckerhefe zur Teiglockerung demnach keine ausreichende Fodmap-Reduktion bewirkt, wurde auch die Eignung der Hefe Kluyveromyces marxianus untersucht. Diese Hefe baut die unverdaulichen Kohlenhydrate sehr effektiv ab, insbesondere Frukto-Oligosaccharide. Jedoch ist die Herstellung qualitativ hochwertiger Gebäcke eingeschränkt, da diese Hefe im Vergleich zur Bäckerhefe nicht genügend Triebkraft aufweist (s. Bild). Indem die Forscher aber Co-Kulturen der beiden Hefen verwendeten, ließen sich Brote herstellen, die sich von Broten mit rein konventioneller Bäckerhefe nicht unterscheiden. Dennoch sind dort die unerwünschten Kohlenhydrate reduziert, weil Fructane von der Hefen-Kombination nicht nur zu Fruktose abgebaut, sondern die Fructose weiter verstoffwechselt wurde.
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Darüber hinaus können Brote mit Sauerteig zubereitet werden. Gängige Verfahren sind die Detmolder Drei- und Einstufenführung. In der Brotherstellung wird Sauerteig häufig wegen seines Beitrages zur Verbesserung von Aroma, Textur und Haltbarkeit der hergestellten Brote eingesetzt. Gleichzeitig verändert dieser Prozess aber auch die Qualität und die Zusammensetzung der im Mehl enthaltenen Nährstoffe. In Bezug auf die unverdaulichen Kohlenhydrate erleichtert die Sauerteigfermentation den Abbau von Fruktanen, kann aber im Gegenzug zur Freisetzung des ebenfalls unerwünschten Kohlenhydrats Mannitol führen. Der Einsatz von Sauerteig zeigte also lediglich eine Veränderung des Fodmap-Profils, aber keine ausreichende Reduktion der entsprechenden Verbindungen.
Das ideale Brot ist noch nicht gefunden
Die bisherigen Untersuchungen haben verdeutlicht, dass eine Verlängerung der Teiggare oder die Verwendung von Sauerteig in Weizenvollkorn- und Roggenbroten die Fodmap-Gehalte reduzieren. Die Reduktion reicht aber nicht aus, um die Backwaren auch für Patienten mit Reizdarmsyndrom bekömmlich zu machen. Außerdem sind bisher Fodmap-arme Lebensmittel aus Weißmehl naturgemäß ballaststoffarm, was einer guten Darmgesundheit der Betroffenen entgegenwirkt.
Um dieses Problem näher zu untersuchen, ist ein weiterführendes Forschungsprojekt zur Herstellung von Fodmap-armen, aber ballaststoffangereicherten Backwaren am Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide geplant. Damit soll der selektive Abbau der unverdaulichen Kohlenhydrate bei gleichzeitigem Erhalt der nicht-Fodmap Ballaststoffe in Gebäcken auf Basis von Weizen und Roggen weiter untersucht und optimiert werden.
Originalpublikation: Schmidt, M., Sciurba, E.: Determination of FODMAP contents of common wheat and rye breads and the effects of processing on the final contents, Eur Food Res Technol 247, 395–410 (2021); DOI: 10.1007/s00217-020-03633-6
(ID:48173865)