Augmented Reality Digitalisierung im Laboranten-Auge
Infos zum laufenden Experiment, direkt in die Brille projiziert. Was technisch schon möglich ist, wird in Laboren bisher nur selten genutzt. Was aber könnte Augmented Reality im Labor leisten? Und welche Hemmnisse stehen einem verbreiteten Einsatz im Weg? Ein Stimmungsbild vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung.
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Wenn wir uns die Zukunft ausmalen, spielt Technik meist eine übergeordnete Rolle. Vieles von dem, was schon vor Jahrzehnten in Filmen als Science-Fiction erdacht wurde, ist heute Realität: Ob sprechende Computer, kabellose Telefone oder selbstfahrende Autos. Die Digitalisierung treibt Weiterentwicklungen schneller voran denn je. Dies verändert auch das Arbeitsleben im Labor. Doch wo Labore in Filmen oft schon futuristisch und mit allem denkbaren Hightech ausgestattet sind, hängt die Wirklichkeit diesem Bild noch etwas hinterher.
Dabei gibt es bereits zahlreiche Lösungen, die man sich vor wenigen Jahren noch kaum hätte träumen lassen. Ein neu aufkommendes Feld ist die Augmented Reality (AR), also technische Systeme, die unsere reale Umgebung in Echtzeit um virtuelle Informationen erweitern. Erste kommerzielle Systeme nutzen dafür spezielle Brillen, die mit Kamera, Mikrofon und einer Projektionstechnik ausgestattet sind, über die Text und Bild ins Sichtfeld des Benutzers eingeblendet werden.
Um herauszufinden, inwieweit sich eine derartige Technik heute schon eignet, den Arbeitsalltag im Labor zu optimieren, hat ein Team vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Zusammenarbeit mit dem AR-Anbieter Parametric Technology direkt in den Laboren nachgefragt: Wie weit ist die Digitalisierung dort angekommen? Und welche Schwierigkeiten und Chancen sehen die Fachkräfte dort für Augmented Reality? Auch wenn die Umfrage mit 26 Teilnehmern aus 15 Life-Science-Laboren nicht repräsentativ ist, gibt sie doch ein grobes Stimmungsbild dieses Bereiches wieder.
So digital sind die Life-Science-Labore
In den Interviews erfassten die IPA-Forscher zunächst den Ist-Zustand in den Life-Science-Laboren. Dazu sollten sich die Labore zu ihrem Fortschritt in den Kategorien Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung äußern. Auf einer Skala von 1 (so gut wie überhaupt nicht vorhanden) bis 10 (vollständig umgesetzt) streuten die Antworten breit. Während manche Einrichtungen schon weit fortgeschritten sind (Skalenwert 8), stehen andere noch ganz am Anfang (Wert 1). Hervorzuheben ist, dass kein Labor sich in einem der drei Punkte vollständig ausgestattet sieht. Es gibt also in allen Laboren noch Verbesserungspotenzial in Puncto Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung.
Anreize dafür finden sich einige. Zu den wichtigsten Argumenten gehört das Thema Zeiteffizienz. In der Umfrage bestätigte sich die Vermutung, dass ein beträchtlicher Teil der Laborarbeit für unnötige, nicht-wertschöpfende Tätigkeiten gebraucht wird. Dazu zählen die Befragten v.a. Bestellvorgänge, Probenlogistik und -transport sowie lange Wartezeiten aufgrund von Gerätebelegung. Allgemein wird ein hoher Dokumentationsaufwand als Zeitfresser angegeben. Die befragten Laborkräfte geben im Durchschnitt an, dass rund ein Viertel der täglichen Arbeitszeit dafür aufgewendet wird. Dabei reichten die Einschätzungen von 15 bis 45%. Bei einer 40-Stunden-Woche gehen also etwa ein bis zwei Tage allein für Dokumentationsaufgaben „verloren“. Zudem sah man in 10 der 15 Labore die Dokumentationstätigkeiten als nicht-wertschöpfend an.
Mit digitalen Lösungen ließe sich hier viel Zeit sparen. Halb-automatisierte Teilprozesse und entsprechende Geräte wie Barcode-Scanner können Arbeitsabläufe optimieren, ebenso wie Vernetzungen zwischen Gerät und Software sowie von Software untereinander. Teil einer solchen Digitalisierung kann auch der Einsatz von Augmented Reality sein. „Potenzielle AR-Lösungen können die Qualität der Dokumentation verbessern, die Arbeit erleichtern und womöglich sogar beschleunigen“, sagt Studienautor René Zölfl, Business Development Director bei PTC. Es bliebe mehr Zeit für Experimente und damit für wertschöpfende Tätigkeiten. Entsprechende Hightech-Laborbrillen sind bereits auf dem Markt, und zumindest das Prinzip von AR ist dem Großteil der interviewten Labormitarbeiter bekannt (19 von 26). Fünf der Befragten wenden sogar bereits AR-Technik per Datenbrille, Tablet oder Smartphone direkt im Labor an.
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Was bringt Augmented Reality im Labor?
Wie aber hilft Augmented Reality dabei, zeitraubende Dokumentationsaufgaben zu beschleunigen? Mit einer Datenbrille lassen sich Prozessabläufe parallel zur Arbeit aufzeichnen. Dabei kann der Anwender etwa benutzte Chemikalien oder Geräte per Barcode einscannen und im Protokoll abspeichern, Kommentare per Voice-to-Text-Erfassung anlegen oder auch Arbeitsschritte mit der in der Brille integrierten Kamera aufnehmen. Die Dokumentation läuft also idealerweise „nebenbei“ mit, während der Anwender sich auf die tatsächliche Durchführung konzentrieren kann. „Eine sinnvolle Unterstützung für Laboranten, um Infos parallel zu erhalten und die Hände frei zu haben“, zitieren die IPA-Forscher aus einem der Interviews.
Auch Lagerbestände lassen sich einblenden, sodass zuneige gehende Vorräte von Reagenzien oder Verbrauchsmaterial rechtzeitig erkannt werden. Darüber hinaus bietet eine Datenbrille zusätzliche Sicherheitsaspekte. So können etwa Gefahrensymbole und Hinweise von Sicherheitsdatenblättern angezeigt werden, wenn man den Code eines Chemikalienbehälters scannt.
Besonders vielversprechend erscheint vielen der Befragten aus der IPA-Studie der Einsatz in Gerätewartung und Reparatur. So kann die Sicht des Anwenders direkt zu einem Experten vom technischen Support übertragen werden. Damit lassen sich kleine Fehler per Fernanweisung leichter beheben, ggf. unterstützt durch das Einblenden von benötigten Werkzeugen oder Ersatzteilen. „Ich bestelle ein Ersatzteil und bekomme vom Hersteller eine Einbauanleitung per Augmented Reality“, malt sich einer der Befragten aus.
Augmented Reality – überwiegend eine Kopfsache?
Die Potenziale der AR-Technik sind also weithin verinnerlicht – was aber hindert viele Labore dann noch an der Umsetzung? Den Befragten der IPA-Studie zufolge ist es eher selten das fehlende Geld. „Kosten“ rangieren unter den genannten Hemmnissen gegenüber AR im Labor lediglich auf Platz 7. Das größte Hindernis ist laut der Studie vielmehr die Einstellung gegenüber der Technik. Offenbar müssen die Mitarbeiter zunächst von den Neuerungen überzeugt werden und sich an das Tragen der Datenbrille und den Umgang damit gewöhnen. Mit entsprechender Aufklärungsarbeit und Live-Tests der Datenbrillen könnten Vorbehalte abgebaut werden, sodass die Technik schnell mehr Einsatz im Labor finden könnte. Auch konkrete sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten waren vielen der Befragten noch nicht bewusst, was sich ebenfalls mit mehr Informationsveranstaltungen ändern ließe. Doch auch Fragen zum Datenschutz, dem technischen Aufwand und möglichen Sichtbeeinträchtigungen durch die Datenbrille beschäftigen die Befragten.
„Die Akzeptanzgewinnung der Mitarbeiter gegenüber neuen Technologien wie Augmented Reality erfordert ein Umdenken und Eingewöhnungszeit, da durch den Einsatz Änderungen in der Arbeitsweise auftreten können. Hinsichtlich der Anwendung steht die Identifikation sinnvoller Anwendungsfälle mit an vorderster Stelle der Herausforderungen“, resümieren die Studienleiter vom IPA. Insgesamt scheint es aber eine hohe Bereitschaft unter den Laborfachleuten zu geben, denn nur in einem der 26 Interviews konnte sich der Befragte überhaupt nicht vorstellen, Augmented Reality im Laboralltag zu nutzen.
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