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Mikroplastik Doppelt schädlich: Mikroplastik als Vehikel für Metalle

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Mikroplastik hat sich zu einem globalen Umweltproblem entwickelt. Doch nicht nur die Polymere können für Lebewesen gefährlich sein. Angereicherte Metalle wie Chrom, Eisen oder seltene Erden können über das Plastik in die Organismen gelangen, wie Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon jetzt in einer Studie präsentiert haben.

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Lars Hildebrandt hat gemeinsam mit seiner Kollegin und seinen Kollegen zahlreiche Plastikpartikel untersucht. Dazu müssten die Proben zunächst aufwändig aufbereitet und dann analysiert werden.
Lars Hildebrandt hat gemeinsam mit seiner Kollegin und seinen Kollegen zahlreiche Plastikpartikel untersucht. Dazu müssten die Proben zunächst aufwändig aufbereitet und dann analysiert werden.
(Bild: Hereon/Steffen Niemann)

Geesthacht – Weltweit haben Wissenschaftler die alarmierende ökologische Allgegenwärtigkeit und Langlebigkeit von Kunststoffpartikeln bereits nachgewiesen. Die Partikel sind zwischen einem Mikrometer und einem halben Zentimeter groß. Sie entstehen zum Teil, wenn größer Plastikteile im Meer zerbrechen oder gelangen von Land direkt durch Abwässer in die Flüsse und darüber in die Ozeane. Wenn es in sehr hohen Konzentrationen auftritt, ist Mikroplastik toxisch. Dazu kommt, dass es auch andere Schadstoffe anreichern, transportieren und freisetzen kann. Während es zu organischen Schadstoffen in diesem Kontext bereits publizierte Daten gibt, ist bislang wenig über die Wechselwirkungen zwischen den im Wasser treibenden Mikroplastikteilchen und gelöst vorliegenden Metallen bekannt. Deshalb haben Wissenschaftler des Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes des Helmholtz-Zentrums Hereon diese Wechselwirkungen nun systematisch im Labor untersucht.

55 verschiedene Metalle untersucht

Das Team um Erst-Autor Dr. Lars Hildebrandt hat die Anreicherung von 55 verschiedenen Metallen und Halbmetallen an Polyethylen- und Polyethylenterephthalat-Partikeln einer Größe von 63 bis 250 Mikrometer untersucht. „In Hinblick auf die Verschmutzung von Wasser mit Kunststoffen spielen die beiden von uns untersuchten Kunststofftypen eine wichtige Rolle“, sagt Umweltchemiker Hildebrandt. „Dies liegt an ihren vielfältigen Anwendungsbereichen und den damit einhergehenden hohen Produktionsmengen. Die meisten Einkaufstüten bestehen beispielsweise aus Polyethylen (Recycling-Code 4, LDPE) und Kunststoffgetränkeflaschen fast ausnahmslos aus Polyethylenterephthalat (Recycling-Code 1, PET).“

Je kleiner die Plastikpartikel sind, desto größer kann die für das Auge unsichtbare schädliche Fracht ausfallen, die sie tragen können: Mikroplastik transportiert schädliche Metalle in der Umwelt – und setzt sie unter bestimmten Bedingungen auch wieder frei.
Je kleiner die Plastikpartikel sind, desto größer kann die für das Auge unsichtbare schädliche Fracht ausfallen, die sie tragen können: Mikroplastik transportiert schädliche Metalle in der Umwelt – und setzt sie unter bestimmten Bedingungen auch wieder frei.
(Bild: Hereon/Anorganische Umweltchemie)

Anreicherung unterschiedlich, je nach Metall

„Bei den Untersuchungen haben wir festgestellt, dass die Anreicherung umso stärker ist, je kleiner die Partikel sind und dass es signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Elementen (Metallen und Halbmetallen) gibt, was das Ausmaß der Anreicherung betrifft“, sagt Co-Autor Dr. Daniel Pröfrock, Leiter der Abteilung Anorganische Umweltchemie am Hereon. Einige Metalle, genauer gesagt deren Ionen, wie z. B. Chrom, Eisen, Zinn und die Seltenen Erden, lagerten sich fast vollständig an das Mikroplastik an. Andere, wie beispielsweise Cadmium, Zink und Kupfer, zeigten über die gesamte Versuchszeit nahezu keine Anlagerung am Plastik. Dazu kommt, dass die Polyethylen-Partikel eine deutlich stärkere Anreicherung aufwiesen als die Polyethylenterephthalat-Partikel.

Metalle werden nahezu vollständig wieder freigesetzt

Im zweiten Teil des Versuchs konnten die Hereon-Wissenschaftler zeigen, dass die mit Metallen oder Halbmetallen beladenen Partikel die jeweiligen Metallgehalte unter chemischen Bedingungen, wie sie im Verdauungstrakt herrschen, nahezu vollständig wieder freisetzen. „Unser Versuchsaufbau im Labor war zwar vereinfacht und ohne Modellorganismen. Doch trotzdem liefern die Ergebnisse wichtige Hinweis darauf, dass Mikroplastikpartikel, wenn sie vom Körper aufgenommen werden, als eine Art Trojanisches Pferd für Metalle fungieren und diese so eventuell verstärkt in Organismen eintragen werden können“, zieht Hildebrandt ein erstes Fazit.

Während in der hier beschriebenen Laborstudie nur PE und PET untersucht wurde, finden die Forschenden in den untersuchten Umweltproben zahlreiche weiter Kunststofftypen wie z.B. Polyurethan (links im Bild). Mit modernsten Instrumenten und digitalen Methoden werden diese direkt identifiziert und vermessen (rechts im Bild).
Während in der hier beschriebenen Laborstudie nur PE und PET untersucht wurde, finden die Forschenden in den untersuchten Umweltproben zahlreiche weiter Kunststofftypen wie z.B. Polyurethan (links im Bild). Mit modernsten Instrumenten und digitalen Methoden werden diese direkt identifiziert und vermessen (rechts im Bild).
(Bild: Hereon/Anorganische Umweltchemie)

In weiteren Versuchen wird jetzt überprüft, wie sich andere, häufig in der Umwelt anzutreffende Kunststoffe verhalten, beziehungsweise welchen Einfluss das Alter der Partikel und ihr Verwitterungszustand auf die Anlagerungs- und Freisetzungsprozesse haben.

Originalpublikation: L. Hildebrandt, F.L. Nack, T. Zimmermann, D. Pröfrock, Microplastics as a Trojan horse for trace metals, Journal of Hazardous Materials Letters, 2021, 100035, ISSN 2666-9110, https://doi.org/10.1016/j.hazl.2021.100035

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