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Flüchtige Organische Verbindungen leiten Tauben nach Hause Dufte Orientierung: Brieftauben und ihr Geruchsnavi

Redakteur: Christian Lüttmann

Der Heimweg riecht nach Kiefer, Fabrik und Meer – zumindest, wenn man den Geruchssinn einer Brieftaube hat. Sie kann flüchtige organische Verbindungen wahrnehmen und über solche Duftmarker ihren Rückflug anpassen. Nun hat ein internationales Forscherteam verschiedene Duftstoffe in der Luft identifiziert, die regional spezifisch sind und so als Orientierungspunkte dienen könnten.

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Brieftauben finden den Weg zurück nach Hause u.a. mithilfe von Geruchslandkarten (Symbolbild)
Brieftauben finden den Weg zurück nach Hause u.a. mithilfe von Geruchslandkarten (Symbolbild)
(Bild: gemeinfrei, Tim Mossholder / Unsplash)

Mainz – Viele Vogelarten können ihren Weg nach Hause finden, selbst wenn sie an abgelegene oder unbekannte Orte gebracht werden. Umweltgerüche spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die chemische Identität dieser Gerüche ist jedoch ein Rätsel.

Basierend auf Untersuchungen in der italienischen Toskana haben Forscher der Max-Planck-Institute für Chemie in Mainz und für Verhaltensbiologie in Radolfzell sowie der Universitäten Konstanz, Pisa und Mainz nun Landkarten für Duftstoffe erstellt und nachgewiesen, dass es regionale chemische Unterschiede in der Luft gibt. Die Duftstoffe stammen aus dem Meer, der Vegetation an Land oder sind menschlichen Ursprungs.

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Luftanalyse auf Taubenhöhe

Mehrere Monate lang führten die Forscher in den Jahren 2017 und 2018 in der Toskana Messungen durch, bei denen sie eine Reihe flüchtiger organischer Verbindungen in der Umgebungsluft der Heimatvoliere von Tauben aufspürten. Zusätzliche Messungen wurden in ausgewählten, regionalen Waldgebieten und in der Luft durchgeführt. Dabei flogen die Wissenschaftler mit einem Ultraleichtflugzeug in 180 Metern Höhe – der durchschnittlichen Flughöhe von Tauben. Anschließend kombinierten die Forscher die Daten mit GPS-Daten frei fliegender Vögel.

Aus ihren Messungen haben die Forscher regionale Karten erstellt, die die organischen Verbindungen mit Windrichtung und -geschwindigkeit verknüpfen. Daraus erzeugten sie dreidimensionale chemische Konzentrationsverläufe der organischen Verbindungen, die als Grundlage einer Duftkarte dienen könnten.

Orientierung per Duftlandkarte ist lange bekannt

„Ornithologen aus Deutschland und Italien haben in mehr als 40 Jahren Forschung bewiesen, dass Tauben Gerüche in der Luft nutzen, um nach Hause zu navigieren“, sagt Nora Zannoni, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) und Erstautorin der Studie. So ist bekannt, dass Brieftauben eine innere Geruchskarte erstellen, die auf der Verteilung von Umweltdüften basiert. Diese innere Karte besteht aus Gerüchen, die die Vögel während ihres Aufenthalts in der heimischen Voliere über mehrere Monate hinweg wahrgenommen haben. Anhand dieses inneren Kompasses navigieren sie von einem für sie unbekannten Ort wieder zurück zur Heimatvoliere.

Charakteristische Düfte als chemische Leuchttürme

„Unserer Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass sich Tauben mittels Gerüchen orientieren“, ergänzt Zannoni. Einige Verbindungen stammten aus Waldgebieten (Monoterpenen) oder dem Meer (DMS), während andere aus Städten und Industriekomplexen (Trimethylbenzol) stammten, erläutert die Forscherin weiter. Solche charakteristischen Düfte könnten wie chemische Leuchttürme auf der Geruchslandkarte wirken und den Brieftauben zurück nach Hause leiten.

Von der sensorischen Leistung der Brieftauben zeigt sich Jonathan Williams beeindruckt, Gruppenleiter in der Abteilung Atmosphärenchemie des MPIC: „Wir haben diese chemischen Gradienten mit mehreren Tonnen hochempfindlicher wissenschaftlicher Geräte entdeckt. Aber eine nur 400-Gramm schwere Taube kann die gleichen komplexen Geruchsinformationen ebenfalls analysieren und in eine regionale Karte umwandeln.“

Originalpublikation: Nora Zannoni, Martin Wikelski, Anna Gagliardo, Atif Raza, Stefan Kramer, Chiara Seghetti, Nijing Wang, Achim Edtbauer, and Jonathan Williams: Identifying volatile organic compounds used for olfactory navigation by homing pigeons, Scientific Reports, 10, Article number: 15879 (2020) DOI: 10.1038/s41598-020-72525-2

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