Fluoreszenzbildgebung Ein Leuchtfeuer für die Krebschirurgie: neue Fluoreszenzfarbstoffe
Moderne Bildgebungsverfahren erlauben es, gezielt einzelne Strukturen im Körper hervorzuheben, etwa wenn ein Tumor mit Fluoreszenzfarben eingefärbt wird. Für diese Methode haben Forscher nun neue Farbstoffe entwickelt, mit denen gleich mehrere verschiedene Strukturen sichtbar gemacht werden können – live während einer Operation.
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München, Dresden – Tumoroperationen sind Millimeterarbeit. Ziel ist es, den Tumor und mögliche Metastasen vollständig zu entfernen. Zugleich gilt es, gesundes Gewebe sowie umliegende Risikostrukturen wie Nerven und Gefäße soweit wie möglich zu schonen. Die Fluoreszenzbildgebung mit kurzwelligem Infrarotlicht (auch SWIR genannt, kurz für short-wave-infrared) mit Wellenlängen größer 1.000 nm soll Chirurgen künftig bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen.
Mittels SWIR lassen sich deutlich schärfere Bilder und Einblicke in tiefere Gewebeschichten erzielen als mit der herkömmlichen Fluoreszenzbildgebung, die mit Infrarotlicht im Wellenlängenbereich von 700 bis 900 nm funktioniert. Zudem bietet die Methode das Potenzial, zeitgleich ausgewählte Gewebe, Gefäße und Körperflüssigkeiten gezielt zum Leuchten zu bringen.
Neue Farbstoffe für die medizinische Anwendung
Nachdem die Preise für geeignete Kameras durch die rasante Entwicklung in der Industrie deutlich gesunken sind, sind geeignete Farbstoffe das entscheidende Nadelöhr für die medizinische Anwendung. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern am National Cancer Institute in den USA und am Helmholtz Zentrum München hat nun zwei neue Fluoreszenzfarbstoffe für den Kurzwelleninfrarot-Bereich und ein zugehöriges Bildgebungssystem entwickelt.
„Die nun erzielten Fortschritte bei der Farbstoff- und Technologieentwicklung schaffen erstmals die nötigen Voraussetzungen, um verschiedene Strukturen wie den Tumor, ableitende Lymphgefäße und Wächterlymphknoten in einem sehr dynamischen Prozess wie der fluoreszenzgeführten Chirurgie sichtbar zu machen“, sagt Prof. Oliver Bruns, der u. a. Gruppenleiter am Helmholtz Zentrum München ist.
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Zugeschnitten auf den klinischen Einsatz
Bei der Farbstoffentwicklung setzten die Forscher auf Cyanin-Farbstoffe, die zu den gängigsten Farbstoffen für die Mehrfarben-Fluoreszenzmikroskopie gehören. Nur wenige von ihnen sind allerdings für die Bildgebung in lebenden Organismen und im SWIR-Bereich geeignet. Fluoreszenzfarbstoffe werden i. d. R. intravenös verabreicht und lassen sich teilweise mit Antikörpern verknüpfen, die sie spezifisch an Tumore binden lassen.
Durch die gezielte computergestützte Weiterentwicklung einer klinisch zugelassenen Molekül-Klasse gelang es, zwei neue Farbstoffe (FNIR-872, FNIR-1072) zu entwickeln, die nach der optischen Anregung einen Großteil des Lichts im SWIR-Bereich emittieren. „Weitere wesentliche Eigenschaften der neu entwickelten Farbstoffe sind, dass sie ungiftig sind, sich gut in Wasser lösen und sich mit Biomolekülen koppeln lassen, die die Farbstoffe zu den gewünschten Zielstrukturen im Organismus transportieren“, erklärt Dr. Martin Schnermann vom National Cancer Institute.
Mehrere Wellenlängen gleichzeitig für ein umfassendes Live-Video
Parallel zu den Farbstoffen entwickelten die Forscher ein Bildgebungssystem mit drei Lasern und einer LED-Quelle. Damit ist es möglich, einen bereits zugelassenen, für die SWIR-Bildgebung geeigneten Farbstoff (Indocyaningrün, ICG) sowie die beiden neu entwickelten Farbstoffe gleichzeitig mit den jeweils geeigneten Wellenlängen anzuregen. Die verschiedenen Bildinformationen lassen sich in einer gemeinsamen Ansicht bündeln und mit einer Rate von acht Bildern pro Sekunde in ein flüssiges Videobild überführen. Dieses eröffnet die Möglichkeit, Chirurgen während einer Operation einen kontinuierlichen Einblick in alle wichtigen Ziel- und Risikostrukturen zu geben. Mit der bisherigen Fluoreszenzbildgebung lassen sich hingegen jeweils nur einzelne Strukturen in geringerer Qualität hervorheben. Das neu entwickelte Bildgebungssystem hat darüber hinaus den Vorteil, dass es nicht empfindlich für sichtbares Licht ist und Operationen bei normaler Raumbeleuchtung ermöglicht.
In vorklinischen Experimenten wurden die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem bereits erfolgreich getestet. Künftig sollen die Eigenschaften der Farbstoffe weiter optimiert werden, damit sie sich beispielsweise leichter herstellen und noch besser mit verschiedenen Biomolekülen koppeln lassen. „Unser Ziel ist es, dass die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem in wenigen Jahren klinisch verfügbar sind“, sagt der Helmholtz-Forscher Bruns.
Originalpublikation: Bandi, V.G., Luciano, M.P., Saccomano, M. et al.: Targeted multicolor in vivo imaging over 1,000 nm enabled by nonamethine cyanines. Nat Methods (2022); DOI: 10.1038/s41592-022-01394-6
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