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Forum Liquid Handling – Nachschau Ein Tag im Zeichen der Pipette

Von Christian Lüttmann Lesedauer: 9 min |

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Wie sieht meine Pipette von innen aus? Kann ich sie selbst reinigen? Wann lohnt sich der Wechsel aufs vollautomatisierte Liquid Handling System? Und welche Tricks verbessern die Ergebnisse beim Liquid Handling? Diese und weitere Fragen haben Experten beim Forum Liquid Handling beantwortet. Das Online-Seminar von Klinkner & Partner bot eine Plattform zum Austausch rund um das Thema Pipettieren und Transfer von flüssigen Proben. Wir fassen zusammen.

Tipps zum Pipettieren im Labor gab es beim Online-Forum Liquid Handling am 28. Februar 2023 (Symbolbild).
Tipps zum Pipettieren im Labor gab es beim Online-Forum Liquid Handling am 28. Februar 2023 (Symbolbild).
(Bild: eplisterra - stock.adobe.com)

Es müsste eigentlich jedem Laboranten im Blut stecken: das Liquid Handling. Doch was genau ist Liquid Handling eigentlich? Ist es das gleiche wie Pipettieren? „Nein“, sagt Prof. Dr. Kerstin Thurow vom Center for Life Science Automation (Celisca) in Rostock. Liquid Handling sei viel mehr als Pipettieren. „Es ist ein Prozess, bei dem flüssige Proben oder Lösungen automatisch oder manuell auf ein Instrument oder ein System übertragen werden. Das geschieht mit Pipettierrobotern, aber auch mit Volumetriegeräten, Dispensern und Transportsystemen.“ Diese Einordnung setzte den Rahmen für das Forum Liquid Handling, das Klinkner & Partner am 28. Februar 2023 zum ersten Mal angeboten haben.

Das eintägige Online-Seminar brachte mehr als 40 Anwender mit Liquid-Handling-Experten verschiedener Pipetten- und Pipettiersystem-Anbieter zusammen, sowie mit weiteren Fachleuten z. B. aus der Automatisierungstechnik. Aus zwei parallelen Streams konnten sich die Teilnehmer ihren Schwerpunkt selbst wählen: Ein virtueller Vortragsraum bot Einsichten, Tipps und Tricks rund um das klassische manuelle Liquid Handling per Pipette, der andere Stream behandelte den größeren, automatisierten Ansatz mit Pipettierrobotern und Workstations.

Kurztrip in die Vergangenheit des Pipettierens

Als Einstieg in den Seminar-Tag nahm Dr. Sebastian Haßler, Referent für Liquid Handling-Seminare bei Klinkner & Partner, die Teilnehmer auf eine kurze Reise in die Vergangenheit mit. Er zeigte den Werdegang der Pipetten, von ersten einfachen Messzylindern wie dem Berthollimeter bzw. Alkalimeter von Francois Antoine Henri Descroizilles (1791) über die erste Erwähnung des Begriffs „Pipette“ durch Joseph Louis Gay-Lussac (1824) bis hin zum großen Liquid-Handling-Durchbruch von Heinrich Schnitger, der 1957 an der Uni Marburg die Kolbenhubpipette erfand. Bis heute ist diese Art der Pipette, bei der ein Stempel ein Luftpolster aus einem Reservoir verschiebt, die häufigste Art von Laborpipetten. Sie findet auch in der Automatisierung Einsatz, z. B. in Form von elektronischen Pipetten. Welche Entwicklung es hier gab, stellte Automationsexpertin Thurow vor.

Spätestens seit in den 1990er Jahren die ersten High Throughput Screenings automatisiert wurden, schritt die Technik in großen Schritten voran, und ermüdende repetitive Aufgaben wurden mehr und mehr von Maschinen durchgeführt. Bis zu 1.536 Kanäle lassen sich heute parallel von einem einzigen System bedienen – nach Thurows Recherchen ist dies aktuell nur mit dem Cy-Bio Well Vario von Analytik Jena möglich. Neben dem steigenden Automatisierungsgrad beim Liquid Handling hat sich auch in der Präzision einiges getan. So werden heute Volumina von Nano bis hin zu Picolitern dosiert. Dies gelingt mit speziellen Techniken wie Piezoelektrischen oder akustischen Dispensern, die entsprechend winzige Tröpfchen produzieren können.

Mit Haßlers und Thurows Einführungsbeiträgen waren die Teilnehmer bestens eingestimmt auf die weiteren Fachvorträge des Tages.

Das Pflege-1x1 für Pipetten

Ob nun per Hand oder mithilfe von Pipettierrobotern – Liquid Handling gehört zu den essenziellen Arbeiten in den meisten Laboren. Dabei spielen die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit eine große Rolle. Schließlich hängen die Analyserergebnisse am Ende auch von der Qualität des Liquid Handlings ab. Wie gut das gelingt, liegt zum Teil auch in der Hand der Anwender selbst – im Fall des manuellen Pipettierens wortwörtlich. Denn wie die Pipette bedient wird, beeinflusst auch das Pipettierergebnis. Tipps und typische Fehlerquellen zeigte u. a. Yves Lachavanne, Marketing und Sales Support Manager bei Socorex. Darüber hinaus wies er auf die Bedeutung einer ordentlichen Pipettenpflege hin: „Man sollte Kolben und Dichtung regelmäßig einfetten. Aber nicht so, wie man Butter auf Brot schmiert, sondern mit möglichst wenig Schmierfett, damit die Funktion der Pipette nicht gestört wird.“

Eine regelmäßige Wartung von Pipetten sei ebenfalls entscheidend für deren Verlässlichkeit. Auch hier hatte der Experte einen Tipp: Um zu prüfen, ob eine Kalibrierung dringend nötig ist, könne man den Einstellungsknopf drehen, bis der Kolbenhub nicht mehr zu spüren ist. Dann sollte die Anzeige genau 0,00 µl anzeigen. Andernfalls weicht die Pipette wahrscheinlich um das angezeigte Volumen ab. „Das ersetzt keine fachliche Pipettenprüfung“, betonte Lachavanne, „Aber so weiß man zumindest, dass die Pipette einigermaßen in Ordnung ist.“

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Wie baut man eine Pipette auseinander?

Thomas Maier vom Kalibrierlabor bei Klinkner & Partner zeigt, wie eine Pipette auseinendergebaut und gereinigt wird.
Thomas Maier vom Kalibrierlabor bei Klinkner & Partner zeigt, wie eine Pipette auseinendergebaut und gereinigt wird.
(Bild: Klinkner & Partner)

Ein Highlight des Forums war sicherlich der Beitrag von Thomas Maier aus dem Kalibrierlabor von Klinkner & Partner. Er zeigte an ausgewählten Modellen, was in einer Pipette steckt, und nahm sie in einer Live-Demonstration zur Prüfung und Reinigung auseinander. „Wichtig ist, auf fusselfreie Tücher und Wattestäbchen zu achten, wenn die Innenreinigung durchgeführt wird“, betonte der Fachmann und demonstrierte die einzelnen Schritte im Livestream. Trotz der jahrzehntelangen Weiterentwicklung von Kolbenhubpipetten ist ihr Aufbau bis heute vergleichsweise einfach und ähnelt mit Kolben, Feder und Schaft einem auseinandergeschraubten Kugelschreiber.

Ob sich eine Pipette in Eigeninitiative reinigen oder reparieren lässt, hängt auch vom Hersteller ab. So sind etwa für einige Modelle von Thermo Fisher Scientific Spezialwerkzeuge nötig, während Brand und Eppendorf auch von Laien mit etwas technischem Verständnis und Geschick geöffnet werden können, um kleinere Reparaturen durchzuführen, etwa Flüssigkeit aus dem Innenraum zu entfernen. Bei Unsicherheiten oder auffälligen Funktionsabweichungen sollten die Geräte aber durch Fachpersonal gewartet werden. Generell ist eine regelmäßige Wartung unerlässlich für die einwandfreie Funktion der Pipetten.

Blick in die Norm: Wichtiges zur ISO 8655

Wie streng die Genauigkeit beim Liquid Handling sein muss, ist von Anwendung zu Anwendung unterschiedlich. Für den regulierten Pharmabereich gelten sicher die höchsten Anforderungen, wie Dr. Antonio Romaguera, Leiter beim Produktmanagement von Brand, in seinem Vortrag erklärte. Er stellte die Normrevision 2022 der ISO 8655 vor, die Spezifikationen für den Einsatz von Pipetten im Labor festlegt. Dabei ist es von Kapitel zu Kapitel unterschiedlich, wie genau sich die Prüfer an die Vorgaben halten müssen. Während etwa Teil 6 zur gravimetrischen Kalibrierung von Mehrkanalpipetten keine Abweichungen erlaube, lasse Teil 7 durchaus Spielraum für die Prüfung, vorausgesetzt alle Abweichungen werden ordentlich dokumentiert.

Alle Forderungen der Norm konnte übrigens selbst der Experte nicht vollständig nachvollziehen. So sieht die DIN EN ISO 8655-6 beim Kalibrieren etwa einen Wechsel der Spitzen alle fünf Messwiederholungen vor. Dies sorge nicht nur für zusätzlichen Abfall und sei im Sinne der Nachhaltigkeit fragwürdig, sondern sei auch für den Prüfprozess selbst ein Hindernis. Denn für ein verlässliches Ergebnis muss jede Spitze zunächst vorkonditioniert werden, sodass sich der Gasraum in der Pipette mit dem entsprechenden Lösemitteldampf sättigen kann. „Mit dem Wechsel der Spitze innerhalb einer Messserie zerstört man dieses Gleichgewicht und muss es mühsam durch mehrfaches Aufziehen und Ablassen der Probe neu einstellen“, erklärte Romaguera. Dass manchmal auch scheinbar ungünstige Vorgaben in der Norm landen, sei dem Entstehungsprozess geschuldet. Hier spielen international viele Akteure eine Rolle und bringen bei den Abstimmungen die jeweils etablierten Erfahrungen und Praktiken mit ein. Die Entstehung einer Norm geschieht aber immer im Konsens, sodass in manchen Punkten Kompromisse eingegangen werden müssen, führte der Experte aus.

Liquid Handling unter ökologischen Gesichtspunkten

Nachhaltigkeit ist ein Aspekt, dem Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt von der Niub-Nachhaltigkeitsberatung mit einem eigenen Vortrag widmete. Sie zeigte Ansätze, wie sich Liquid Handling unter ökologischen Aspekten optimieren lässt, etwa durch Abfallreduktion. Hier können gezielte Einsparungen bei Kunststoffprodukten wie Pipettenspitzen oder Probenröhrchen ein Hebel sein. In einem Fallbeispiel zeigte die Expertin, wie ein Labor den Verbrauch der Tubes von 2.200 auf 1.670 pro Monat reduzierte und so – auf ein Jahr hochgerechnet – rund 1.600 Euro an Kosten sparte. Auch die Wiederverwendung von Tubes empfahl die Nachhaltigkeitsexpertin. So ergab eine Gesamtkostenschätzung über einen Zehn-Jahre-Zeitraum, dass selbst unter Berücksichtigung von Personalkosten sowie Energiekosten für Autoklavieren und Trocknen die Wiederverwendung von Plastik-Tubes rund 20 Prozent preiswerter ist als der Kauf von Single-Use-Tubes.

Vorteile von automatisiertem Liquid Handling

Während ein nachhaltiges Labormanagement also durchaus Kosten sparen kann, sind Automationslösungen fürs Liquid Handling zumindest am Anfang mit deutlich höheren Investitionen verbunden. Labore mit hohem Probenaufkommen können aber schon nach wenigen Jahren vom gesteigerten Durchsatz profitieren und die Investition amortisiert haben.

Neben der langfristigen Kostenersparnis bieten automatisierte Workstations noch weitere Vorteile. Dazu gehören ein verringertes Stresspotenzial für die Belegschaft, die von ermüdenden repetitiven Aufgaben entlastet wird, sowie ein erhöhter Schutz des Personals, welches bei vollautomatischen Liquid Handling Systemen nicht mehr in die Nähe der Proben kommt und somit einem geringeren Kontaminationsrisiko ausgesetzt ist. Wichtig war es Automations-Expertin Thurow an dieser Stelle zu betonen, dass die technischen Lösungen nicht dazu führen, dass Stellen eingespart werden, sondern lediglich zu einer Verschiebung der Arbeit zu hochwertigeren Tätigkeiten wie Auswertung und Versuchsplanung verlagert werden. „Mir ist kein Fall bekannt, bei dem es durch Einführung eines solches Systems zu Entlassungen gekommen ist“, sagte sie beim Forum Liquid Handling.

Fallbeispiele zu automatisiertem Pipettieren

Konkrete Beispiele für den Einsatz von Laborautomation lieferte u. a. Jan Hoffmann, Account Manager bei Integra Biosciences. Er erklärte, wie durch Einsatz von Pipettierrobotern beispielsweise das Angleichen aller Konzentrationen auf einer Platte (Normalisierung) oder das Hit Picking beschleunigt wird. Entscheidend für den Nutzen solcher automatisierten Systeme ist die einfache Benutzeroberfläche. Eine grafische Programmierung über leicht verständliche Eingabefelder erlaubt es Anwendern, eigene Programme zu schreiben und bestehende Methoden zu übernehmen und anzupassen.

Dass sich solche Automationslösungen tatsächlich lohnen, belegte Anna Bach von Celisca in ihrem Vortrag mit vier Fallbeispielen und konkreten Zahlen. So ergab sich bei der Umstellung von manueller auf automatisierte Bearbeitung von 24-Well-Platten in der Vitamin D-Analytik eine Amortisierung der Geräte binnen sechseinhalb Jahren. Bei 96-Well-Platten waren die Investitionskosten bereits nach knapp zwei Jahren wieder eingeholt. Mit Wiederfindungsraten von etwa 85 Prozent und einer Nachweisgrenze von wenigen Nanogramm pro Milliliter überzeugte das System auch qualitativ. „Insgesamt bringt die automatisierte Bioanalytik gute Genauigkeit und Reproduzierbarkeit, eine Reduzierung von Fehlern, Zeitersparnis und eine gute Skalierbarkeit mit sich“, fasste Bach ihre Erfahrungen zusammen.

Liquid Handling: wichtige Säule der Laborarbeit

Die Erstveranstaltung am 28. Februar 2023 kam gut bei den Teilnehmern an. Veranstalter Dr. Roman Klinkner zieht eine positive Bilanz: „Das Thema Liquid Handling hat eine enorme Bedeutung gewonnen, deckt es doch die gesamte Breite vom händischen Pipettieren im analytischen Labor bis zum Vollautomaten in der Humandiagnostik, Pharmaforschung und Biotechnologie ab. Dabei kommen viele Aspekte zusammen: Geschwindigkeit, Wirtschaftlichkeit, Robotik, Datenmanagement, Qualität und Nachhaltigkeit. Das Forum Liquid Handling sehen wir daher als Einstieg von Klinkner & Partner in dieses Thema. Die positive Resonanz bestätigt unsere Absicht, auch in 2024 ein solches Forum anzubieten.“

Routinen für Maschinen, Entscheiden bleibt dem Mensch

Am Ende ist es an den Anwendern, sich die am besten passende Liquid-Handling-Lösung für das eigene Labor zusammenzustellen. Während manuelle Pipetten wohl in jedem Fall dazugehören, da sie die größte Flexibilität für „die Probe zwischendurch“ bieten, sind automatisierte Systeme ein gewaltiger Vorteil für größere Labore und hohe Probenaufkommen sowie für den streng regulierten Pharmabereich, da die Technik im Vergleich zum Menschen reproduzierbarer und mit weniger Fehlern arbeitet.

Selbst im regulierten Umfeld, wo nicht ohne Weiteres Änderungen an Workflows umgesetzt werden können, bieten Automationslösungen eine praktikable Alternative. „Die SOPs im Pharmabereich legen zwar jeden Schritt exakt fest und dürfen in der Regel auch nicht abgewandelt werden. Da aber nirgendwo definiert ist, dass ein Mensch die Schritte durchführen muss, kann hier auch ein Zweiarm-Pipettierroboter genutzt werden, solange er die Schritte genauso umsetzt, wie es ein Mensch tun würde – nur eben deutlich besser reproduzierbar“, erklärte Automationsexpertin Thurow. In diesem Fall eifert die Maschine sozusagen dem Menschen nach – in Zeiten zunehmend autonomer Laborgeräte ist das doch eine durchaus versöhnliche Vorstellung. (clu)

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