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Genom-Entschlüsselung europäischer Höhlenfische Erklärung für das Aussehen von Höhlenfischen gesucht

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Degenerierte Augen, größere Nasenlöcher und eine verringerte Pigmentierung – Höhlenfischen unterscheiden sich deutlich von ihren an der Oberfläche lebenden Artgenossen. In einem Forschungsprojekt, das mit dem Plant and Animal SMRT Grant 2018 wurde, wollen Forscher der Uni Konstanz nun das Genom europäischer Höhlenfischen analysieren, um die Ursachen für die Unterschiede besser zu verstehen.

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Höhlenschmerle aus dem unterirdischen Karstsystemen der Donau-Aach-Region in Süddeutschland
Höhlenschmerle aus dem unterirdischen Karstsystemen der Donau-Aach-Region in Süddeutschland
(Bild: Uni Konstanz)

Konstanz – Der erste europäische Höhlenfisch wurde 2015 vom Höhlentaucher Joachim Kreiselmaier in Süddeutschland entdeckt – eine wissenschaftliche Sensation. Er ist der einzige bekannte Höhlenfisch in Europa und der am nördlichsten lebende überhaupt. Seitdem haben Forscher aus Konstanz, Oldenburg und Berlin erfolgreich die ersten genetischen Analysen durchgeführt. In einem nächsten Schritt wird nun die komplette Genomsequenzierung des Höhlenfisches durchgeführt und dessen Erbgut in vergleichenden Studien weiter erforscht. Das Forschungsprojekt wurde aktuell mit dem Plant and Animal SMRT Grant 2018 ausgezeichnet. Damit verbunden ist eine Unterstützung durch die beiden amerikanischen Unternehmen Pacific Biosciences und Genewiz.

Preiswürdige Forschung zu Höhlenfischen

Mit dem Plant and Animal SMRT Grant 2018 ist für PD Dr. Jasminca Behrmann-Godel vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz und Kollegen die Möglichkeit verbunden, das Genom des Höhlenfischs zu assemblieren. Eine Genomassemblierung erfolgt aus vielen einzelnen Sequenzabschnitten, die anhand kürzerer Stücke des Erbgutes generiert werden. Diese werden zur Sequenz des kompletten Genoms zusammengesetzt. Um dieses Verfahren erfolgreich durchzuführen, bekommen Prof. Dr. Arne Nolte, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften der Universität Oldenburg, und Assistant Professor Fritz Sedlazeck vom Human Genome Sequencing Center des Baylor College of Medicine in Houston (USA) Zugang zu neuester Genomsequenzierungstechnologie von Pacific Biosciences sowie bioinformatischen Support von Genewiz.

Die Forscher werden unter anderem von einer DNS-Sequenzierungsmethode profitieren, die eine möglichst vollständige und akkurate Assemblierung des Genoms gewährleisten soll. Laut Mitteilung von Genewiz zeichnet sich diese Sequenzierung durch „lange Sequenzen und eine gleichmäßige Repräsentation aller Bereiche des Genoms aus, was wiederum zu höchster Genauigkeit und Kontiguität führt“. Auf diese Weise „kann das Erbgut des Höhlenfischs sehr schnell assembliert und analysiert werden. Bislang war das für die meisten Spezies undenkbar“, erklärt Arne Nolte.

Genetischer Vergleich von Fischarten entscheidend

Für Jasminca Behrmann-Godel spielt die Entschlüsselung des Genoms „eine zentrale Rolle beim genetischen Vergleich zwischen Höhlenfischen und an der Oberfläche lebenden Artgenossen“. Sie und ihre Kollegen sind dabei besonders an genetischen Veränderungen interessiert, die für verschiedene morphologische Anpassungen des europäischen Höhlenfischs verantwortlich sind, zum Beispiel für seine degenerierten Augen, größeren Nasenlöcher und die verringerte Pigmentierung.

Aber es geht nicht nur darum, die verschiedenen genetischen Abweichungen zu identifizieren, die den Höhlenfisch von seinen an der Oberfläche lebenden Verwandten unterscheiden, oder darum, die evolutionär bedingten Veränderungen an seinem Sinnessystem nachzuvollziehen. Fritz Sedlazeck freut sich auch darauf, das Erbgut des ersten europäischen Höhlenfischs mit dem mexikanischen Höhlenfisch Astyanax mexicanus vergleichen zu können: „Das Ergebnis dieser Studie wird es uns ermöglichen, die initialen Schritte zu verstehen, welche zur Evolution der Höhlenfische geführt haben.“

Höhlenschmerle brauchte rund 20.000 Jahre für die Abgrenzung von Oberflächen-Fischen

Der jüngst entdeckte Höhlenfisch, eine Schmerle der Gattung Barbatula, kommt in den unterirdischen Karstsystemen der Donau-Aach-Region in Süddeutschland vor. Aus der Betrachtung der lokalen geologischen Geschichte und den ersten genetischen Analysen schlussfolgerten Jasminca Behrmann-Godel und ihre Forscherkollegen, dass diese spezielle Spezies sich innerhalb von 20.000 Jahren von an der Oberfläche lebenden Artgenossen abgrenzte und zum Höhlenbewohner wurde.

Damit Pacific Biosciences und Genewiz das Genom des europäischen Höhlenfischs in den Vereinigten Staaten assemblieren können, wird Arne Nolte DNS-Proben von Fischen, die Joachim Kreiselmaier aus den Höhlen des Donau-Aach-Systems geholt hat und die anschließend von Jasminca Behrmann-Godel vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz betreut wurden, in die USA schicken.

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