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Ursache plötzlicher Eruptionen Explosionsartige Vulkanausbrüche durch winzige Kristalle

Von Christian Wißler*

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Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings wirklich einen Orkan auslösen? Das ist kaum wissenschaftlich nachzuweisen. Einen ähnlich unglaublichen Zusammenhang haben nun aber Forscher der Universität Bayreuth untersucht. In ihrer Studie zeigen sie, dass winzige Nanokristalle Vulkanausbrüche begünstigen können.

Der Ätna in Italien
Der Ätna in Italien
(Bild: gemeinfrei, Shawn Appel / Unsplash)

Bayreuth – Winzige Kristalle, zehntausend Mal dünner als ein menschliches Haar, können explosionsartige Vulkanausbrüche verursachen. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis kommt ein deutsch-britisches Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Danilo Di Genova vom Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.

„Für die Geoforschung war es immer ein Rätsel, was den plötzlichen und gewaltsamen Ausbruch scheinbar friedlicher Vulkane veranlasst“, sagt Di Genova. „Mit nanogeowissenschaftlichen Forschungsarbeiten sind wir jetzt einer Erklärung auf die Spur gekommen: Sehr kleine Kristallkörnchen mit hohen Anteilen von Eisen, Silizium und Aluminium stehen am Anfang einer Verkettung von Ursachen und Wirkungen, die für die Bevölkerung im Umkreis eines Vulkans mit einer Katastrophe enden kann.“

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Kristalle machen Magma zäh

Wegen ihres Durchmessers von wenigen Nanometern werden die Kristalle auch als Nanolithe bezeichnet. Mit spektroskopischen und elektronenmikroskopischen Verfahren haben die Forscher Spuren dieser für das Auge unsichtbaren Teilchen in der Asche ausgebrochener Vulkane nachgewiesen. Das Team zeigte, wie diese Kristalle die Eigenschaften von vulkanischem Magma beeinflussen. Bei ihren Untersuchungen konzentrierten sich die Forscher auf Magma, das einen geringen Anteil von Siliziumoxid besitzt und nach einem Vulkanausbruch an der Erdoberfläche zu Basalt erkaltet.

Siliziumarmes Magma ist für seine geringe Viskosität bekannt: Es bildet bei einem Ausbruch eine dünnflüssige Lava, die schnell und leicht dahinströmt. Anders verhält es sich, wenn eine größere Anzahl von Nanolithen darin enthalten ist. Dadurch wird das Magma zähflüssig – und weit weniger durchlässig für Gase, die aus dem Erdinneren aufsteigen. Statt kontinuierlich aus dem Vulkankegel zu entweichen, bleiben die Gase in den Tiefen des Vulkans im heißen Magma stecken. Infolgedessen gerät das Magma immer stärker unter Druck, bis es schließlich explosionsartig aus dem Vulkan herausgeschleudert wird.

Ausbrüche besser vorhersagen

Die Erkenntnisse der Forscher könnten bei der Vorhersage von Ausbrüchen helfen und tragen zum besseren Verständnis von den Ursachen einer Vulkaneruption bei. Denn selbige sieht man nicht einfach so kommen, wie Di Genova warnt: „Ständige leichte Rauchfahnen über einem Vulkankegel müssen nicht unbedingt als Anzeichen eines bevorstehenden gefährlichen Ausbruchs gedeutet werden. Umgekehrt aber kann die Inaktivität scheinbar friedlicher Vulkane trügen. Beispielsweise lassen Gesteinsanalysen, schriftliche Quellen und archäologische Funde darauf schließen, dass die Menschen in der Umgebung des Vesuv im Jahr 79 v. Chr. von einem äußerst heftigen Ausbruch des Vulkans überrascht wurden. Zahlreiche Todesopfer und schwere Gebäudeschäden waren die Folge.“

In seinen weiteren Forschungsarbeiten will der Bayreuther Wissenschaftler die geochemischen Prozesse, die unerwartet zu derart heftigen Ausbrüchen führen, mithilfe von Techniken der Hochdruck-Forschung und mit Computersimulationen modellieren. Das Ziel ist es, diese Prozesse noch besser zu verstehen und damit auch die Risiken für die Bevölkerung im Umkreis von Vulkanen reduzieren zu können.

Lava oder Magma?

Bei bis zu 3000 °C liegt Gestein im Erdinnern als glühende Masse vor – man spricht dann von Magma. Gelangt dieser verflüssigte Gesteinsbrei durch den herrschenden Druck nach oben und tritt aus Spalten und Kratern an die Erdoberfläche hervor, so nennt man es Lava. Weil Lava durch die Luft abkühlt, hat sie schnell nur noch eine Temperatur von rund 1000 °C, je nach Zusammensetzung der Schmelze. Die kälteste Lava ist so genannte Karbonatit-Lava, die wegen eines hohen Calciumgehalts auch noch bei 500 °C fließfähig ist, obwohl sie bei dieser „tiefen“ Temperatur schon gar nicht mehr glüht.

Magma und Lava bezeichnen also eigentlich das Gleiche, nur an unterschiedlichen Orten: Magma befindet sich im Inneren der Erde, Lava an der Erdoberfläche. Kinder scheinen diesen Unterschied besser zu kennen als Erwachsene, denn sie spielen „Der Boden ist Lava“ – und nicht „Der Boden ist Magma“.

Originalpublikation: Danilo Di Genova et al.: In situ observation of nanolite growth in volcanic melt: A driving force for explosive eruptions, Science Advances, Vol 6, No. 39, 23 September 2020; DOI: 10.1126/sciadv.abb0413

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* C. Wißler, Universität Bayreuth, 95447 Bayreuth

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