Flammschutz für Baumwolle Feuerfeste Fasern aus dem Schnellkochtopf
Anbieter zum Thema
Die Arbeit der Feuerwehr ist brandgefährlich. Entsprechende Schutzkleidung ist deshalb essenziell. Nun haben Empa-Forscher ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich Baumwolle in ein schwer entflammbares Gewebe verwandeln lässt, das die hautfreundlichen Eigenschaften des Textils behält.

St. Gallen/Schweiz – Für Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte ist die Schutzkleidung die entscheidende Barriere zwischen Flammen und der Haut. Für solche Zwecke wird hauptsächlich Baumwolle als innere Textilschicht verwendet, die jedoch zusätzliche Eigenschaften benötigt: Sie muss etwa feuerfest sein oder vor biologischen Schadstoffen schützen. Dennoch sollte sie nicht wasserabweisend sein, weil dies ein unangenehmes Mikroklima schaffen würde. Diese zusätzlichen Eigenschaften können durch geeignete chemische Modifikationen in die Baumwollfasern „eingebaut“ werden.
Bisherige Feuerschutzkleidung hat einige Nachteile
„Bislang war es immer ein Kompromiss, Baumwolle feuerfest zu machen“, sagt der Chemiker und Polymerexperte Sabyasachi Gaan aus der Empa-Abteilung „Advanced Fibers“. Waschbeständige, flammhemmende Baumwolle wird in der Industrie durch die Behandlung des Gewebes mit Flammschutzmitteln hergestellt, die sich chemisch mit der Zellulose in der Baumwolle verbinden. Derzeit hat die Textilindustrie keine andere Wahl, als Formaldehyd-basierte Chemikalien zu verwenden – und Formaldehyd gilt als krebserregend. Derartige Flammschutzmittel sind zwar langlebig, haben aber weitere Nachteile: Die OH-Gruppen der Zellulose werden chemisch blockiert. Dies mindert die Fähigkeit der Baumwolle, Wasser aufzunehmen – es resultiert ein unangenehmes Tragegefühl der Textilien.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1508900/1508970/original.jpg)
Alternativer Brandschutz für Holzhäuser
Altpapier schützt gegen Feuer
Gaan kennt die Chemie der Baumwollfasern gut und hat an der Empa viele Jahre lang Flammschutzmittel auf Basis der Phosphorchemie entwickelt, die bereits in zahlreichen industriellen Anwendungen eingesetzt werden. Nun ist es ihm gelungen, einen einfachen Weg zu finden, Phosphor in Form eines unabhängigen Netzwerks in der Baumwolle zu verankern.
Flammschutz überlebt auch die Waschmaschine
Gaan und sein Team nutzten eine trifunktionale Phosphorverbindung (Trivinylphosphinoxid), die die Fähigkeit besitzt, nur mit bestimmten zugesetzten Molekülen (Stickstoffverbindungen wie Piperazin) zu reagieren und ein eigenes Netzwerk im Inneren der Baumwolle zu bilden. Dadurch wird die Baumwolle dauerhaft feuerbeständig, ohne die günstigen OH-Gruppen zu blockieren. Darüber hinaus ist das physikalische Phosphinoxid-Netzwerk hydrophil und nimmt deshalb zusätzlich Feuchtigkeit auf. Diese flammhemmende Ausrüstung kommt ohne krebserregendes Formaldehyd aus, das v. a. die Textilarbeiter bei der Herstellung gefährden würde. Zudem waschen sich die Phosphinoxid-Netzwerke nicht aus: Nach 50 Wäschen sind noch 95 Prozent des Flammschutznetzwerks im Gewebe vorhanden.
Hightech-Lösung durch Haushaltsutensil
Die praktische Umsetzung, um die Phosphinoxid-Netzwerke im Inneren der Zellulose zu fixieren, erfolgte nach einem sehr einfachen Ansatz:
Für unsere Laborexperimente haben wir die Baumwolle zunächst mit einer wässrigen Lösung von Phosphor- und Stickstoffverbindungen behandelt und anschließend in einem handelsüblichen Schnellkochtopf gedämpft, um die Vernetzungsreaktion der Phosphor- und Stickstoffmoleküle zu erleichtern.
Der Anwendungsprozess ist mit den in der Textilindustrie bereits eingesetzten Behandlungsmaschinen kompatibel. „Das Dämpfen von Textilien nach dem Färben, Bedrucken und Veredeln ist ein normaler Schritt in der Textilindustrie. Es ist also keine zusätzliche Investition nötig, um unser Verfahren anzuwenden“, erklärt der Empa-Chemiker.
Inzwischen ist die neu entwickelte Phosphorchemie und ihre Anwendung durch eine Patentanmeldung geschützt. „Es bleiben noch zwei wichtige Hürden“, sagt Gaan. „Für die zukünftige Kommerzialisierung müssen wir einen geeigneten Chemikalienhersteller finden, der Trivinylphosphinoxid herstellen und liefern kann. Außerdem muss Trivinylphosphinoxid noch in der EU-Chemikaliendatenbank REACH registriert werden, damit sie problemlos gehandelt und transportiert werden kann.“
* R. Klose, Empa Eidgenössische Material- Prüfungs- und Forschungsanstalt, 8600 Dübendorf/Schweiz
(ID:47690751)