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Wie Diäten auf Gesundheit, Tierwohl und Umwelt wirken Fleischverzicht und andere Ernährungsformen im Vergleich

Quelle: Pressemitteilung

Wir sollen weniger Fleisch essen. Doch wie wirkt sich eine geänderte Ernährungsform auf unsere Gesundheit, das Tierwohl und die Umwelt aus? Hierzu haben Forscher der Uni Bonn Daten ausgewertet und die verschiedenen Diäten miteinander verglichen.

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Fleischauslage im Supermarkt (Symbolbild).
Fleischauslage im Supermarkt (Symbolbild).
(Bild: Juliana Paris/ Uni Bonn)

Bonn – 950 Kilogramm Lebensmittel und Getränke nimmt jeder EU-Bürger pro Jahr zu sich – eine Menge, so schwer wie ein Kleinwagen. Weltweit ist die Ernährung für ein Viertel der menschlichen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Ein großer Teil davon geht auf das Konto der Nutztierhaltung: Tiere wandeln nur einen kleinen Teil der verfütterten Kalorien in Fleisch um. Wiederkäuer erzeugen zudem Methan, das die Erderwärmung weiter beschleunigt.

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Was wir essen, hat nicht nur Folgen fürs Klima, sondern auch für unsere Gesundheit und das Tierwohl. Will man Ernährungsformen miteinander vergleichen, sollte man auch diese Aspekte in den Blick nehmen. Die Fachwelt bezeichnet die optimale Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auch als „One Health“-Perspektive. „Studien, die diesen Blickwinkel auf Ernährungsfragen anwenden, sind aber noch rar“, sagt Juliana Paris vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn.

Drei Ernährungsszenarien im Vergleich

Paris hat zusammen mit Kollegen eine Analyse durchgeführt, die diese Forschungslücke etwas verkleinern soll. „Dazu haben wir uns exemplarisch angesehen, welche Produkte bei Menschen in Nordrhein-Westfalen auf dem Speiseplan stehen“, sagt die Forscherin. „Diese Referenzkost haben wir dann mit drei verschiedenen Szenarien verglichen: einer Umstellung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dem Wechsel zu einer Mittelmeer-Diät mit mehr Fisch und Meeresfrüchten sowie der Änderung hin zu einer veganen Ernährung.“

Die beste Ernährung… hat auch ihre Probleme

Jede der drei Ernährungsformen wäre aus One-Health-Perspektive nachhaltig von Vorteil. Aber nicht unter jedem Aspekt: So schnitt die vegane Ernährung in vielen Bereichen am besten ab. Allerdings ist die Erzeugung veganer Lebensmittel mit einem erhöhten Wasserverbrauch verbunden. „Außerdem müssen Veganerinnen und Veganer bestimmte Nährstoffe separat zuführen, etwa Vitamin B12, Vitamin D oder auch Kalzium“, sagt Studienleiterin Paris.

Die mediterrane Diät (obwohl gesund) hat aufgrund des hohen Anteils an Nüssen und Gemüse ebenfalls einen erhöhten Wasserbedarf zur Folge. Wird – wie in der Studie angenommen – das konsumierte Fleisch komplett durch Fisch ersetzt, sind zudem ihre Effekte auf das Tierwohl erstaunlich negativ: Da Fische und Meeresfrüchte deutlich kleiner sind als etwa Kühe oder Schweine, leiden unter dieser Ernährungsform erheblich mehr Tiere. Negativ wirkt sich zudem auch der vermehrte Konsum von Honig aus, der eine intensive Bewirtschaftung von Bienenvölkern verlangt. „Es wäre also von Vorteil, den Proteinbedarf insgesamt weniger aus tierischen Quellen zu decken“, betont Dr. Neus Escobar vom Institut für Angewandte Systemanalyse in Österreich, die die Arbeit betreut hat. „Zudem ernähren sich viele Menschen heute deutlich zu reichhaltig. Würden sie ihre Nahrungsmenge auf das reduzieren, was sie wirklich brauchen, hätte das möglicherweise zusätzliche positive Effekte.“

Die Empfehlungen der DGE gehen laut Studie zwar in die richtige Richtung. Mit Blick auf die menschliche Gesundheit sind die beiden anderen Optionen jedoch besser. Dennoch zeigen die Daten auch hier: Wer öfter auf Fleisch verzichtet und stattdessen Vollkornprodukte, Gemüse und Obst isst, der tut nicht nur sich etwas Gutes, sondern auch den Tieren und der Umwelt.

Zur Untersuchung

In jedem der drei untersuchten Ernährungsszenarien wurden die Lebensmittel so gewählt, dass sie sich so wenig wie möglich von der Referenzernährung unterschieden. „Das heißt beispielsweise, dass wir in der Mittelmeer-Variante den Anteil von Fisch und Meeresfrüchten, Gemüse und Getreideprodukten erhöht haben“, sagt Paris. Zudem sollte die Produkt-Auswahl insgesamt dieselben Nährstoffe in ähnlichen Mengen enthalten wie bislang. Die Forscher erhielten so für jedes Szenario einen „Lebensmittel-Korb“, den sie weiter analysierten.

Für die detailliertere Analyse haben sich die Wissenschaftler auf verschiedene Datenbanken gestützt. „Mit ihrer Hilfe konnten wir zum Beispiel den Effekt jeder Ernährung auf bestimmte Umweltaspekte abschätzen – etwa die bei ihrer Produktion entstehende Menge an Klimagasen oder den Wasserverbrauch“, sagt Escobar. „Ähnlich gingen wir vor, um die Auswirkung der jeweiligen Ernährung auf die Gesundheit zu bewerten.“ So ist beispielsweise von rotem Fleisch bekannt, dass es das Risiko bestimmter Krebsarten und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Die Konsequenzen für das Tierwohl schätzten die Forscher anhand mehrerer Indikatoren. Darin floss unter anderem ein, wie viele Tiere durch den Konsum der Lebensmittel ihr Leben verlieren und unter welchen Bedingungen sie gehalten werden. „Wir haben aber auch anhand der Zahl von Neuronen oder der Größe des Gehirns im Verhältnis zum Körper abgeschätzt, inwiefern die jeweiligen Tiere unter ihrer Nutzung tatsächlich leiden“, erklärt Studienleiterin Paris.

Originalpublikation: Juliana Minetto Gellert Paris, Timo Falkenberg, Ute Nöthlings, Christine Heinzel, Christian Borgemeister & Neus Escobar: Changing dietary patterns is necessary to improve the sustainability of Western diets from a One Health perspective, Science of the Total Environment, DOI: 10.1016/j.scitotenv.2021.151437

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