Nicht-zielgerichtete Analyseverfahren für die Echtheitsprüfung von Wein Food Fraud: Die Wahrheit liegt im Wein
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Insbesondere hochpreisige Lebensmittel wie Wein werden mitunter gefälscht. Ob der Wein vorsätzlich verändert wurde, kann mithilfe klassischer chemischer Analytik gezielt untersucht werden. Unbekannte Verfälschungen lassen sich auf diese Weise jedoch oft nicht aufdecken. Die Entwicklung nicht-zielgerichteter Analyseverfahren für die umfassende Echtheitsprüfung von Wein ist daher gefragt.

Wein als Genussmittel und Kulturgetränk nimmt seit Langem in unserer Gesellschaft eine hohe Stellung ein. Schon Johann Wolfgang von Goethe bemerkte angeblich, dass das Leben viel zu kurz sei, um schlechten Wein zu trinken. Obwohl die Einteilung in „guten” und „schlechten” Wein subjektiv ist, herrscht zumindest Konsens über den Wunsch nach dem Konsum von unverfälschtem Wein. Denn auch wenn im Wein tatsächlich die Wahrheit liegt, so kann doch zuweilen das Etikett lügen. Gestreckt, gepanscht, gefälscht – die Schummelei mit Wein ist ein globales Problem und vermutlich so alt wie das Produkt selbst. Beispielsweise durch Streckung, Abwandlung, Zusätze oder falsche Angaben auf dem Etikett wird Wein vorsätzlich verändert, wobei gewinnsteigernde Absichten eine vorrangige Rolle spielen.
Bei Wein handelt es sich um ein oft hochqualitatives und hochpreisiges Erzeugnis, dessen Wert i.d.R. durch sensorische Attribute wie Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl definiert wird. Der Jahrgang, die Herkunft und die Rebsorte sowie die Marke sind zusätzliche Produkteigenschaften, die für die Kaufentscheidung von großer Bedeutung sind, jedoch vom Verbraucher oftmals nicht überprüft werden können. Sie müssen darauf vertrauen, dass die Angaben stimmen. Dies ist nur möglich, weil es Standards für die Weinwirtschaft gibt und Überwachungsbehörden deren Einhaltung prüfen.
Insbesondere die wertgebenden Eigenschaften sind jedoch nur schwer auf analytischem Weg erfassbar. Nicht zuletzt aufgrund dessen zählt Wein zu den am häufigsten verfälschten Lebensmitteln und entsprechend lang ist die Liste der bislang aufgedeckten Weinfälschungen. Beispielsweise hat im Jahr 2014 ein Weinhändler durch den Verkauf von gefälschten Weinen angeblich seltener Jahrgänge und aus speziellen Weinbaugebieten einen Schaden im zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verursacht und wurde somit zu einem der berühmtesten Weinfälscher der Welt.
Wein unter der analytischen Lupe
Bedingt durch die klimatischen und geografischen Bedingungen während des Anbaus sowie der verschiedenen angewandten Herstellungsverfahren, erfordert die Echtheitsprüfung von Wein, insbesondere das Aufspüren von Verfälschungen, wahre Detektivarbeit. Mitunter müssen die Mitarbeiter der Weinüberwachung dafür auch mal selbst in die Rolle der Lebensmittelfälscher schlüpfen. Die amtliche Weinkontrolle in Deutschland umfasst neben der sensorischen Analyse des Weins, die analytische Kontrolle der Angaben auf dem Etikett (z.B. Alkoholgehalt, Rebsorte, geografische Herkunft, Jahrgang). Auch Untersuchungen auf unerlaubte chemische Zusätze wie Aroma- und Farbstoffe zur Vortäuschung einer höheren sensorischen oder optischen Qualität werden durchgeführt. Hierzu zählen Glycerin und andere Substanzen zur Veränderung des Mundgefühls sowie Zuckerzusatz zum Süßen und zur Erhöhung des Alkoholgehaltes oder Wasser zur Streckung.
Dementsprechend beruht die klassische Echtheitsprüfung von Wein auf der gezielten Analyse spezifischer Kenngrößen, Markerverbindungen bzw. Inhaltsstoffe, die für eine bestimmte Eigenschaft des Erzeugnisses charakteristisch sind. Diese erfolgt routinemäßig durch nass-chemische Ansätze und instrumentelle Analytik, wie für die Bestimmung des Alkoholgehaltes, der Dichte, der flüchtigen Säure, organischer Säuren oder die Analyse des Farbstoffprofils. Wertvolle Hinweise auf bestimmte Rebsorten können dabei über den Shikimisäuregehalt im Wein (z.B. Burgunder-Gruppe) oder über die charakteristischen Verhältnisse der im Rotwein enthaltenen Anthocyan-Verbindungen (z.B. Spätburgunder und Cabernet Sauvignon) gewonnen werden.
Darüber hinaus kann die zielgerichtete Analyse der stabilen Isotope mittels Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (IRMS) oder der stellungsspezifischen natürlichen Isotopenfraktionierung, gemessen durch Kernspinresonanz-Spektroskopie (SNIF-NMR), zur Überprüfung der geografischen Herkunftsangabe von Weinen und zur Aufdeckung unerlaubter Praktiken, beispielsweise einer Wässerung und Zuckerung des Weines, beitragen.
Hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln mittels Stabilisotopenanalytik blickt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf eine lange Geschichte zurück. Bereits in den Vorgängerinstitutionen wurde hierzu geforscht und in den 1990er-Jahren vom damaligen Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) eine der ersten Datenbanken zur Überprüfung der Authentizität von Wein mittels Stabilisotopendaten mit aufgebaut.
Den analytischen Fingerabdruck von Wein im Blick
Die klassische Analytik bietet somit bereits vielfältige laborbasierte Verfahren, die einen wichtigen Beitrag zur Echtheitsprüfung von Weinen liefern. Diese Verfahren wurden oftmals als Reaktion auf rein zufällig entdeckte Weinverfälschungen entwickelt und können diese bestimmte Art der Verfälschung gezielt und effizient aufdecken. Ein Nachteil dieser Verfahren ist jedoch, dass aufgrund ihres zielgerichteten Charakters nur das gefunden werden kann, was auch explizit gesucht wird. Das heißt, neue, unbekannte Verfälschungen können leicht übersehen werden. Zudem können die wertgebenden Eigenschaften, wie Rebsorte, geografische Angabe, Jahrgang, oftmals nur unzureichend überprüft werden.
Da Fälscher meist sehr kreativ sind, werden innovative Strategien zur Aufdeckung auch von unvorhersehbaren Weinverfälschungen benötigt. Die derzeitige Entwicklung ermöglicht es Forschenden, große Datensätze schnell zu verarbeiten und somit ihren Blickwinkel von klassischen zielgerichteten zu so genannten nicht-zielgerichteten Analyseverfahren zu erweitern.
Interessant sind die nicht-zielgerichteten Ansätze, da sie nicht nach einer bestimmten Verfälschung suchen, sondern das Typische der Weinproben erfassen und anschließend, durch Vergleich mit Referenzdaten authentischer Proben, Abweichungen feststellen können. Es handelt sich um schnelle und einfache spektroskopische oder spektrometrische Analysen, die ein charakteristisches Muster für die chemische Zusammensetzung eines Weines ermitteln. Dieses basiert auf dem gesamten Spektrum der Probe und enthält Informationen über diverse Produkteigenschaften, wodurch eine umfassende Charakterisierung der untersuchten Erzeugnisse möglich wird. Die beobachteten Muster kann man sich wie einen chemischen Fingerabdruck der Probe vorstellen, weswegen derartige Verfahren auch oft als Fingerprinting-Analysen bezeichnet werden.
Die im Fingerprinting-Bereich am häufigsten eingesetzten Analysetechniken sind die Infrarot-Spektroskopie (IR), die Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) und die hochauflösende Massenspektrometrie (MS). Eine Herausforderung bei der Suche nach dem typischen analytischen Fingerabdruck eines Weines ist die natürliche Variation seiner Inhaltsstoffe. Für die Bestätigung der Etikettangaben werden die aufgenommenen Muster daher mit einer Datenbank typischer Weinmuster verglichen. Hier gilt grundsätzlich: Je mehr Daten von verlässlichen Weinen zu jeder Weineigenschaft in der Datenbank hinterlegt sind, desto besser.
Weicht das analysierte Muster von dem Vergleichsstandard ab, kann das ein Hinweis auf Etikettenschwindel oder unerlaubte Zusätze sein. In diesem Fall lohnt sich die Suche nach zusätzlichen Indizien, denn für eine entsprechende weinrechtliche Beurteilung sind weitere Untersuchungen erforderlich. Bei den Fingerprinting-Verfahren handelt es sich derzeit also noch um reine Screeningmethoden, die es ermöglichen, Abweichungen leichter als bisher zu erkennen, die jedoch noch nicht in der Routineanwendung angekommen sind.
Mit vereinten Kräften
Um den Einsatz der nicht-zielgerichteten Analyseverfahren in der amtlichen Weinkontrolle zu stärken, ist der Aufbau einer gemeinsam nutzbaren Referenzdatenbank für Wein-Fingerabdrücke grundlegend. Dies kann nur mit vereinten Kräften aller Akteure gelingen. Bis diese Vision Realität wird, sind jedoch noch viele technische und organisatorische Hürden zu nehmen. Es muss sichergestellt sein, dass die Datenerhebung sowie die anschließende Analyse aller Nutzer der Datenbank vergleichbare Ergebnisse liefern und dass der Datenaustausch unkompliziert und dennoch geschützt stattfinden kann. Hierzu forschen Wissenschaftler am BfR, um den Einsatz von mathematischen und statistischen Modellen für die Weinauthentifizierung und die Harmonisierung von Datenaustauschformaten voranzubringen. Damit das Zukunftsszenario näher rückt, steht das BfR in engem Austausch mit der amtlichen Weinüberwachung.
* Dr. C. Fauhl-Hassek, Dr. J. Riedl, Dr. B. Horn, Dr. S. Esslinger: Bundesinstitut für Risikobewertung, 10589 Berlin
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