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Der genaue Ablauf dieser Prozesse war bisher noch nicht bekannt, die Studie ergänzt damit frühere Untersuchungen zur Kristallstruktur im Fettreif. "Zum ersten Mal konnten wir die dynamischen Mechanismen, die zur Bildung des Fettreifs führen, im Detail direkt verfolgen", erläutert Desy-Forscher Dr. Stephan Roth, Leiter der Messstation P03 an Petra III, an der die Versuche stattfanden. „Die verwendete Methode, die Röntgenkleinwinkelstreuung, ist genau auf derartige Echtzeituntersuchen und auf die Beobachtung der Änderungen der Struktur durch das Öl angepasst. Die gemeinsame Studie liefert uns wertvolle Informationen, wie wir Strukturänderungen in derartigen ‚alltäglichen‘ Mehrkomponentensystemen untersuchen können."
Analytische Technik verbessert die Qualität von Schokolade
Die Beobachtungen liefern der Lebensmittelindustrie konkrete Ansatzmöglichkeiten, um den Fettreif zu reduzieren. „Eine Konsequenz wäre beispielsweise, die Porösität der Schokolade bei der Herstellung zu begrenzen, damit das Fett langsamer wandert", erläutert Reinke.
„Eine weitere ist die Begrenzung des Flüssigkeitsanteils durch eine kühle, allerdings nicht zu kalte Lagerung. 18°C sind ideal." Schokolade reagiert sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen. „Wenige Grade machen einen großen Unterschied", betont Reinke. „Bei 5°C ist im Prinzip die gesamte Kakaobutter fest, ab etwa 36°C ist hingegen alles flüssig." Darüber hinaus spielt die Kristallform in der Schokolade eine wichtige Rolle. „Kakaobutter kristallisiert in sechs verschiedenen Kristallformen", erläutert Reinke. „Der Flüssiganteil hängt auch von der Kristallform ab." Auch über eine Kontrolle der Kristallisation können Hersteller die Fettreifbildung beeinflussen.
„Die durchgeführten Untersuchungen erlauben es uns als Hersteller von Qualitätsschokolade erstmals Rückschlüsse auf die Ursachen der Migration von Kakaobutterfraktionen in Schokolade zu ziehen", betont Nestlé-Forschungsleiter Palzer. „Die mit modernster analytischer Technologie in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg Harburg und dem Team des Deutschen Elektronen-Synchrotrons gewonnenen Erkenntnisse bilden somit die Grundlage für die Entwicklung geeigneter Verfahren zum Vermeiden eines der wichtigsten Qualitätsdefekte in der Lebensmittelindustrie."
Originalarbeit: Tracking structural Changes in Lipid Based Multicomponent Food Materials due to Oil Migration by microfocus Small-Angle X-ray scattering; Svenja K. Reinke, Stephan V. Roth, Gonzalo Santoro, Josélio Vieira, Stefan Heinrich, Stefan Palzer; "ACS Applied Materials and Interfaces", 2015; DOI: 10.1021/acsami.5b02092
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