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Krankenhaus, Tiermast, Flughäfen Forscher verfolgen Spur antibiotikaresistenter Keime im Wasserkreislauf

Autor / Redakteur: Johannes Seiler* / Dr. Ilka Ottleben

Zunehmend gegen Antibiotika resistent werdende Keime sind weltweit auf dem Vormarsch. Mit fatalen Folgen. Doch wie gelangen sie in die Umwelt und können dort zum Risiko auch für den Menschen werden? In Deutschland haben haben Forscher nun Eintragspfade und Verbreitungswege antibiotikaresistenter Keime nachverfolgt: sowohl an einem Krankenhaus, als auch an Tiermast- und Schlachtbetrieben sowie aus Flugzeugen und Flughäfen.

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Forscher haben in einem Verbundvorhaben mögliche Eintragspfade und Verbreitungswege von Antibiotika-resistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzgenen und Antibiotika-Rückständen u.a. aus Flugzeugen und Flughäfen untersucht (Symbolbild)
Forscher haben in einem Verbundvorhaben mögliche Eintragspfade und Verbreitungswege von Antibiotika-resistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzgenen und Antibiotika-Rückständen u.a. aus Flugzeugen und Flughäfen untersucht (Symbolbild)
(Bild: gemeinfrei, Bild von Rainer Prang auf Pixabay)

Bonn – Vom Vorkommen antibiotikaresistenter Keime wird häufig im Zusammenhang mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie dort erworbenen nosokomialen Infektionen berichtet. Doch immer mehr gelangt ins Bewusstsein, dass diese Keime oder Antibiotika-Rückstände mit den Abwässern dieser und anderer Einrichtungen auch in den Wasserkreislauf gelangen können.

Wie steht es um das Vorkommen von Antibiotika-resistenten Erregern in unseren Ab- und Gewässern? Welche Eintragspfade und Verbreitungswege und damit mögliche verbundene Risiken für Mensch und Umwelt können identifiziert werden? Diesen und weiteren Fragen gingen Forscher im Verbundprojekt „Biologische bzw. hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern (HyReKA)“ nach, dessen Ergebnisse nun vorgestellt wurden.

Antibiotika-Resistenz: Gesamter Abwasserweg unter die Lupe genommen

In dem Verbundvorhaben untersuchten die Forscher mögliche Eintragspfade und Verbreitungswege von Antibiotika-resistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzgenen und Antibiotika-Rückständen an einem Krankenhaus der Maximalversorgung, Tiermast- und Schlachtbetrieben sowie aus Flugzeugen und Flughäfen und deren Weiterverbreitung über Kläranlagen in Gewässer.

Bei der Quellensuche für Antibiotika-Resistenzen wurde beginnend in der Klinik (Sanitäranlagen in Patientenbereichen) der gesamte Abwasserweg bis in den Vorfluter der Kläranlage unter die Lupe genommen. Als Vergleich diente ein unbelastetes ländliches Flusssystem, im Einzugsbereich befinden sich fast keine Mastbetriebe. Zusätzlich wurden auch entsprechende Abwässer direkt in Mast- und Schlachtbetrieben untersucht und deren Ausbreitung über die Abwasserkläranlagen und in Gewässer analysiert. Flugzeugtoiletten und Rohwässer wurden ebenfalls untersucht.

Woher stammen antibiotika-resistente Erreger in unseren Gewässern? Mit dieser Frage befasste sich das Verbundprojekt HyReKA.
Woher stammen antibiotika-resistente Erreger in unseren Gewässern? Mit dieser Frage befasste sich das Verbundprojekt HyReKA.
(Bild: (c) Zweckverband Klärwerk Steinhäule (ZVK))

Hierbei standen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besonders kritisch angesehenen Antibiotika-resistenten Erreger und Antibiotika (Carbapeneme, Colistin) im Fokus. „Infektionen bei gefährdeten Patienten mit diesen Erregern stellen mittlerweile eine große Herausforderung sowohl für die Krankenhaushygiene, die Tier- und Lebensmittelhygiene als auch den öffentlichen Gesundheitsschutz dar“, sagt Prof. Dr. med. Dr. h. c. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn und Leiter des HyReKA-Verbundprojektes.

Resistente Keime und Antibiotika-Rückstände in Klinikabwässer

In den getesteten Klinikabwässern konnten Antibiotika-resistente Bakterien und Resistenzgene nachgewiesen werden; im Vergleich dazu wurden diese Erreger in dem freien Gewässersystem nur sehr selten nachgewiesen. Rückstandsuntersuchungen in den getesteten Klinikabwässern zeigten auch höhere Antibiotika-Konzentrationen als in freien Gewässer. Ergebnisse aus dem HyReKA-Projekt sind Basis für eine entsprechende nationale Empfehlung zur Krankenhaushygiene, die in Kürze erscheinen wird.

Das LABORPRAXIS-Dossier „Antibiotikaresistenz“ Sie möchten mehr zum Thema „Multiresistente Keime“ erfahren? Dann besuchen Sie unser Dossier „Antibiotikaresistenz“, in dem wir entsprechende Artikel zu wichtigen Fortschritten aus der Medizinforschung zusammengestellt haben.

Ländliches Gewässersystem

Es ließ sich aufzeigen, dass Kläranlagen wichtige punktförmige Quellen für Antibiotika-resistente Erreger sind. Dennoch stellen auch diffuse Quellen wie zum Beispiel die Mischwasserentlastung einen sehr wichtigen Beitrag zur Gewässerbelastung mit Antibiotika-resistenten Erregern dar, da hier bei Starkregenfällen große Mengen von Bakterien die Vorfluter erreichen.

Mast- und Schlachtbetriebe

Bei den untersuchten Masttierhaltungen und Schlachtbetrieben zeigte sich, dass in Mastställen keine Abwässer anfallen, die in kommunale Kläranlagen eingeleitet werden. Untersuchungen ergaben, dass die Bakterien aus den Abwässern von landwirtschaftlichen Betrieben weniger multi-resistent sind als jene aus der Humanmedizin. Dabei zeigt sich der verantwortungsbewusste Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung als die wichtigste Stellschraube zur Vermeidung von Resistenzen. In Geflügel- und Schweineschlachthöfen wiesen die Forscher an fast allen Probenahmestellen Antibiotika-resistente Krankheitserreger nach, die aber durch betriebseigene Kläranlagen zum Großteil eliminiert werden.

Flugzeugtoiletten als Reservoir

Die Untersuchung von Flugzeugabwässern zeigte dort eine außerordentliche Vielzahl unterschiedlicher Resistenzgene, weswegen einer guten Toilettenhygiene in Flugzeugen offensichtlich eine bislang unterschätzte Bedeutung zukommt.

Entfernen Kläranlagen antibiotikaresistente Keime?

Die konventionelle Abwasserklärung führte zu einer sehr starken Reduktion der Bakterien, es wurden aber nie alle Mikroorganismen entfernt. Untersuchungen von zusätzlichen Abwasserbehandlungsverfahren ergaben, dass es sich bei der Ultrafiltration um die effizienteste Methode handelt, die nahezu 100 Prozent aller resistenten Bakterien zurückhält. Andere getestete Methoden waren nicht ganz so effektiv (Ozonierung, UV etc.) und ermöglichen eine Vermehrung mancher überlebender Erreger.

Die Ergebnisse von HyReKA fließen in neue Empfehlungen und Richtlinien ein, um die weitere Belastung durch Antibiotika-Resistenzen in Abwässern deutlich zu senken. Das Umweltbundesamt prüft zum Beispiel die Ergebnisse des Projektes dahingehend, inwieweit Regelungen für die Abwasseraufbereitung erforderlich sind. Bundesministerin Anja Karliczek stellt hierzu fest: „Wasser ist unsere Lebensgrundlage. Das Forschungsprojekt HyReKA trägt dazu bei, die hohe Wasserqualität in Deutschland zu schützen. Dank HyReKA können wir besser verstehen, wie Antibiotikaresistenzen über das Abwasser in unsere Gewässern gelangen. Dieses Problem kann nun angegangen werden, denn das Projekt liefert auch die technischen Lösungen dafür. Für Krankenhäuser werden beispielsweise neue Hygieneanforderungen für die Abwasserentsorgung entwickelt. So kann die Belastung mit multiresistenten Erregern in Gewässern deutlich gesenkt werden.“

Zahlreiche Partner beteiligt

Zu den Forschungspartnern des Verbundprojektes HyReKA zählen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit dem Institut für funktionelle Grenzflächen und dem Institut für Mikrosystemtechnik, das Universitätsklinikum Bonn mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) und dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP), die Universität Bonn mit dem International Food Net Center (FNC) und den Fokusgruppen Food Waste und One Health, die Technische Universität Dresden mit dem Institut für Hydrobiologie, die RWTH Aachen mit dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft, das Umweltbundesamt (UBA), das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe (TZW) und kommunale Partner wie der Erftverband Bergheim, der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV), der Zweckverband Klärwerk Steinhäule und der Industriepartner XYLEM Services GmbH.

Das Vorhaben wurde in den vergangenen drei Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Informationen zu HyReKA und zur Abschlusskonferenz finden Sie hier. www.hyreka.net

* J. Seiler: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 53115 Bonn

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