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Molekülorbitale genauer abbilden Forscher zeigen Elektronenverteilung umfassend wie noch nie

Quelle: Pressemitteilung Forschungszentrum Jülich |

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Zu wissen, wie sich die Elektronen in einem Molekül verteilen, heißt dessen Reaktivität und Eigenschaften besser vorherzusagen. Ein Team mit Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich hat nun ein erstmals Pi- und Sigma-Orbitale zusammen erfasst und so ein besonders umfassendes Bild der Orbitale eines Moleküls konstruiert.

Betrachtung der Sigma-Orbitale (blau) verdeutlicht unterschiedliche chemische Bindungszustände von Bisanthen (C28H14, oben) und metallisiertem Bisanthen (C28H12Cu2, unten)
Betrachtung der Sigma-Orbitale (blau) verdeutlicht unterschiedliche chemische Bindungszustände von Bisanthen (C28H14, oben) und metallisiertem Bisanthen (C28H12Cu2, unten)
(Bild: Fig. 2. σ orbitals /Haags et al. / CC BY 4.0)

Jülich, Graz/Österreich, Marburg – Eine der früheren Vorstellungen vom Aufbau der Atome beschrieb sie als kompakte kugelförmige Kerne aus Protonen und Neutronen, die von einzelnen Elektronen umkreist werden. Die Elektronen ziehen dabei in Kreisbahnen um den Atomkern, ähnlich wie Planeten um eine Sonne. Das Bild, wie wir uns diese Atomorbitale vorstellen, hat sich aber verändert. Die verbreitete und wirklichkeitsgetreuere Darstellung in den Lehrbüchern zeichnet Atomorbitale heute als Sphären, die einen Bereich abdecken, in dem sich die Elektronen mit einer gewissen Aufenthaltswahrscheinlichkeit befinden – quasi wie eine Langzeitbelichtung von umherschwirrenden Glühwürmchen. Oft werden diese Atommodelle als knallige Ballons oder Wolken dargestellt. Verbinden sich Atome zu einem Molekül, so verändert sich die Form dieser Wolken – man spricht dann von Molekülorbitalen.

Forschern aus Jülich, Graz und Marburg ist nun ein wichtiger Schritt bei der Abbildung dieser räumlichen Verteilung der Elektronen geglückt. Ihnen gelang es erstmals, beide Arten von Molekülorbitalen zu erfassen: Neben den energetisch höher liegenden Pi-Orbitalen können nun auch Sigma-Orbitale dargestellt werden.

Elektronenorbitale in hoher zeitlicher Auflösung

Vor einem Jahr hatten die Physiker des Forschungszentrums Jülich gemeinsam mit ihren Partnern eine Methode entwickelt, um Bilder von Elektronenorbitalen in extrem hoher zeitlicher Auflösung aufzunehmen. Die Ergebnisse erschienen im bekannten Fachjournal Science. Nun gelang es ihnen erstmals, durch eine Erweiterung des Energiebereichs mit dem Verfahren neben den Pi-Orbitalen auch Sigma-Orbitale sichtbar zu machen.

Beide Orbitaltypen gehören zu den so genannten Molekülorbitalen. Das sind Orbitale, die Bindungen zwischen Atomen beschreiben und zu zwei oder mehr Atomen gehören. Sigma-Orbitale umschließen die gebunden Atome wie eine Hülle. Pi-Orbitale lagern sich dagegen üblicherweise ober- und unterhalb der atomaren Ebene an.

„Chemische Reaktionen sind letztlich nichts anderes als der Auf- und Abbau von chemischen Bindungen zwischen Atomen“, sagt Prof. Stefan Tautz, Leiter des Peter-Grünberg-Instituts für Quantum Nanoscience am Forschungszentrum Jülich. „Die Beobachtung der Molekülorbitale ist eine faszinierende Möglichkeit, ein präzises Bild vom Reaktionsablauf auf molekularer Ebene zu erlangen. Man weiß vorher nicht, welche Orbitale sich verändern, daher ist es vorteilhaft, möglichst viele davon abbilden zu können.“

Zusammenarbeit an der Synchrotronstrahlungsquelle in Berlin

Die Experimente mit Synchrotronstrahlung führten Tautz und sein Team an der Metrology Light Source (MLS) der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin in Zusammenarbeit mit Prof. Mathias Richter und Dr. Alexander Gottwald durch. Die Jülicher Forscher betreiben dort an einer kalibrierten Beamline einen speziellen Analysator für die Orbital-Tomographie. Die Arbeit erfolgte in Kooperation mit Prof. Michael. G. Ramsey und Prof. Peter Puschnig von der Universität Graz, mit denen die Jülicher Forscher schon seit Jahren zusammenarbeiten. Prof. Michael Gottfried von der Universität Marburg half bei der Vorbereitung der Experimente.

Originalpublikation: Anja Haags, Xiaosheng Yang, Larissa Egger, Dominik Brandstetter, Hans Kirschner, François C. Bocquet, Georg Koller, Alexander Gottwald, Mathias Richter, J. Michael Gottfried, Michael G. Ramsey, Peter Puschnig, Serguei Soubatch, F. Stefan Tautz: Momentum-space imaging of σ-orbitals for chemical analysis, Science Advances, 22 Jul 2022, Vol 8, Issue 29; DOI: 10.1126/sciadv.abn0819

(ID:48523740)

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