Supraleitung Fußbälle ohne Widerstand
Hamburger Wissenschaftler haben Hinweise gefunden, dass Fullerene, deren bekannteste Moleküle Fußbällen ähneln, zumindest kurzzeitig bei hohen Temperaturen widerstandslos Strom leiten könnten, wenn die molekularen Substanzen mit infrarotem Laserlicht angeregt werden. Die Erkenntnisse helfen bei der Suche nach supraleitenden Materialien für die Praxis.
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Hamburg – Supraleiter bleiben einstweilen in Nischenanwendungen verbannt. Da selbst die besten dieser Materialien erst bei minus 70 Grad Celsius ihren elektrischen Widerstand verlieren, werden sie hauptsächlich in Magneten für Kernspintomographen oder Fusionsanlagen sowie in Teilchenbeschleunigern eingesetzt.
Physiker des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg haben nun Hinweise gefunden, dass Fullerene, deren bekannteste Moleküle Fußbällen ähneln, zumindest kurzzeitig bei hohen Temperaturen widerstandslos Strom leiten könnten, wenn die molekularen Substanzen mit infrarotem Laserlicht angeregt werden. Bereits 2013 war es Forschern des Instituts gelungen, eine bestimmte Keramik mit infraroten Laserpulsen für Bruchteile einer Sekunde sogar bei Raumtemperatur supraleitend zu machen. Weil Fullerene einen relativ einfachen chemischen Aufbau haben, hoffen die Wissenschaftler, das Phänomen der lichtinduzierten, kurzzeitigen Supraleitung bei hohen Temperaturen durch die neuen Experimente besser verstehen zu können. Solche Einsichten könnten helfen, ein Material zu entwickeln, das Strom auch ohne optische Anregung bei Raumtemperatur verlustfrei leitet.
Hoffnungsträger für die Supraleitung bei Raumtemperatur
Hoffnungsträger für die Supraleitung bei Raumtemperatur sind die sogenannten Kuprate, das sind Kupferoxid enthaltende Keramiken. Denn sie verlieren ihren elektrischen Widerstand schon unterhalb vergleichsweise hoher Temperaturen; ab minus 120 Grad Celsius leitet einer ihrer Vertreter Strom verlustfrei. Physiker nennen sie daher Hochtemperatur-Supraleiter.
Einen Weg zu Materialien, die sogar schon bei Zimmertemperatur ihren elektrischen Widerstand verlieren, möchten Andrea Cavalleri, Direktor am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, und seine Mitarbeiter weisen. Ihre Beobachtung, dass mit Licht angeregte Fullerene möglicherweise schon bei zumindest minus 170 Grad Celsius supraleitend werden, bringt sie dabei einen Schritt weiter. Diese Erkenntnis könnte nämlich zu einem umfassenderen Verständnis der lichtinduzierten Supraleitung beitragen, weil sich diese für Fullerene leichter theoretisch beschreiben lässt als für Kuprate. Eine vollständige Erklärung des Effekts könnte wiederum helfen, das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung besser zu verstehen und ein Rezept für einen künstlichen Supraleiter zusammenzustellen, der bei Raumtemperatur Strom verlustfrei leitet.
Eine Strukturänderung macht den Weg für Elektronen frei
Dass ein Material bei Zimmertemperatur ohne Verluste Strom leiten kann, hatten Forscher aus Cavalleris Gruppe 2013 an einem Kuprat festgestellt. Zumindest für wenige Billionstel Sekunden wurde das Material ganz ohne Kühlung supraleitend, nachdem sie es mit einem infraroten Laserpuls angeregt hatten. Ein Jahr später legten die Hamburger eine mögliche Erklärung des Effektes vor.
Sie beobachteten, dass sich die Positionen von Atomen im Kristallgitter nach der Anregung mit dem Lichtblitz verschieben. Diese Verschiebung bleibt ebenso bestehen wie der supraleitende Zustand des Materials. Die lichtinduzierte Änderung der Struktur macht, grob gesprochen, den Weg für Elektronen frei, sodass sie sich verlustfrei durch die Keramik bewegen. Allerdings hängt die Erklärung stark von der sehr spezifischen Kristallstruktur der Kuprate ab. Aus damaliger Sicht konnte es sich somit um ein Phänomen handeln, das nur bei den unkonventionellen Hochtemperatur-Supraleitern auftritt.
Das Team um Cavalleri fragte sich daher, ob Licht auch den elektrischen Widerstand von herkömmlichen Supraleitern brechen kann, deren Physik wesentlich besser verstanden ist. Tatsächlich wurden Forscher um Daniele Nicoletti und Matteo Mitrano vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie jetzt fündig, und zwar bei einem Stoff, der sich von Kupraten stark unterscheidet: das Fullerid K3C60, ein Metall, das sich aus sogenannten Buckminster-Fullerenen zusammensetzt. Diese Hohlmoleküle bestehen aus 60 Kohlenstoff-Atomen, die sich zur Form eines Fußballs verbinden: eine Kugel aus zusammengesetzten Fünf- und Sechsecken. Negativ geladene Fullerene kleben durch zwischengelagerte positive Kalium-Ionen, die sozusagen wie Kitt wirken, zu einem Festkörper zusammen. Dieses sogenannte Alkali-Fullerid hat die Eigenschaften eines supraleitenden Metalls mit einer Sprungtemperatur von rund minus 250 Grad Celsius. Mit dieser Temperatur geben Physiker an, wo die Supraleitung sprunghaft einsetzt.
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