Gentechnologie Gentechnologiepolitik grundsätzlich überdenken
Anlässlich der Verhandlung über die Verfassungsmäßigkeit des Gentechnikgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe appelliert die BIO Mitteldeutschland (BMD) an die Bundesregierung, ihre Gentechnikpolitik grundsätzlich zu überdenken.
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Halle/Saale – „Ob sich die Pflanzenbiotechnologie in Deutschland durchsetzt oder nicht, wird nicht alleine vom Verfassungsgericht entschieden“, so Dr. Jens Katzek, Geschäftsführer der BMD. Denn dem BVerfG geht es nicht darum, zu prüfen, ob eine gesetzliche Regel gut oder schlecht ist oder ob die befürchteten wirtschaftlichen Auswirkungen eingetreten sind oder nicht. Einzige Aufgabe des Gerichts ist es, zu prüfen, ob die Einschränkungen durch das Gesetz so weit gehen, dass Grundrechte der Bürger in unverhältnismäßiger Art und Weise berührt sind. Von Unternehmen und Wissenschaft wurde vor fünf Jahren befürchtet, dass das neue Gentechnikgesetz dazu führt, dass die Pflanzenbiotechnologie keine Chance in Deutschland bekommt. Die Realität zeigt, dass diese Einschätzung richtig war. Die Schere zwischen Deutschland und dem Rest der Welt klafft immer weiter auseinander. Während überall neue Produkte entwickelt und neue, spannende Forschungsprojekte gestartet werden, ist es in Deutschland ruhig geworden. Es ist bezeichnend, dass in den USA eine gentechnisch veränderte Zuckerrübe innerhalb von nur zwei Jahren den Markt mit 90 Prozent Marktanteilen geradezu erobert hat – eine Zuckerrübe, die von dem deutschen Saatgutunternehmen KWS in Einbeck entwickelt worden ist.
Umkehr in der Gentechnikpolitik notwendig
Um dieses Auseinanderdriften nicht noch weiter zu forcieren, müssen die politischen Rahmenbedingungen geändert werden. Laut Bio Mitteldeutschland braucht Deutschland eine Umkehr in der Gentechnikpolitik, unabhängig davon, wie Karlsruhe entscheidet. Bio Mitteldeutschland resümiert die letzten fünf Jahre wie folgt:
- Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) hat weltweit weiterhin zugenommen. Während weltweit 2005 ca. 90 Millionen Hektar angebaut wurden, waren es in 2009 schon 134 Millionen Hektar, ein Plus von fast 50 Prozent. Seit 1997 wurde weltweit fast eine Milliarde Hektar angebaut.
- Der GVP-Anbau findet mehr und mehr in Schwellenländern wie Brasilien, China und Indien statt. Greenpeace-Klagen in Brasilien haben die Zulassung dort über Jahre hinweg verzögert. Mit dem Ergebnis, dass Landwirte Saatgut aus Argentinien einschmuggelten. Heute rangiert Brasilien an zweiter Stelle im weltweiten Anbau mit 21,4 Millionen Hektar – hinter den USA.
- Die Einsicht ist gestiegen, dass ein höherer Ertrag bei Pflanzen benötigt wird. Forderungen nach einer stärkeren Nutzung nachwachender Rohstoffe und Bio-Energien sowie die Frage nach dem möglichen Konflikt zwischen „Brot für den Tank“ und „Brot für den Teller“ waren hierfür die Grundlage. Auch den Herausforderungen des Klimawandels (Stichwort Trockenresistenz) wird man ohne neue Züchtungserfolge nicht begegnen können.
- Firmen werden, trotz schärfster interner Qualitätskontrollen, immer wieder mit formaljuristischen Kniffen drangsaliert; Landwirte werden aus den gleichen Gründen gezwungen, ihre Felder umzupflügen; und diejenigen, die gentechnisch verbesserte Pflanzen anbauen, sehen sich oft mit Repressalien konfrontiert.
- Unternehmen haben in den letzten Jahren eine Reihe von Forschungszentren in Indien oder China errichtet beziehungsweise sind Forschungskooperationen dort eingegangen – und nicht in Deutschland.
- Viele Forscher haben sich aus der praxisorientierten Forschung zurückgezogen oder führen Freilandversuche außerhalb Deutschlands durch.
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