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Genotoxine sicher und effizient in Nahrungsmitteln bestimmen Gesund ungesund: Erbgutschädigende Pflanzenöle?

Von Guido Deussing Lesedauer: 12 min |

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Was den Nachweis erbgutschädigender Verbindungen in Lebensmitteln anbelangt, zweifeln Forschende der Justus-Liebig-Universität Gießen am Leistungsvermögen der gegenwärtig praktizierten instrumentellen chemischen Analytik. Sie drängen auf einen Paradigmenwechsel und schlagen als Lösung eine planare non-target Strategie vor.

Abb. 1: Pflanzliche Öle enthalten häufig die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure und Alpha-Linolensäure. Beide sind anfällig für Epoxid-Bildung – Epoxide haben genotoxisches Potenzial.
Abb. 1: Pflanzliche Öle enthalten häufig die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure und Alpha-Linolensäure. Beide sind anfällig für Epoxid-Bildung – Epoxide haben genotoxisches Potenzial.
(Bild: © akulamatiau - stock.adobe.com)

Essen und Trinken hält Leib und Leben zusammen. Diese Redewende beschreibt in einfachen Worten den Umstand der Nahrungsaufnahme als zwingend und notwendig, will man bei Kräften bleiben. Seinen Ursprung hat das Sprichwort allerdings in einer Zeit der Menschheitsgeschichte, als es weder Fastfood noch extrem industriell verarbeitete Lebensmittel gab. Mit dem Wissen von heute wäre vielleicht eine dezente Präzisierung der Formulierung sinnvoll: Es kommt nicht allein auf die Nahrungsaufnahme an, sondern darauf, dass Richtige zu essen. Es geht darum, die Zufuhr essenzieller Nährstoffe in hinreichender Menge sicher zu stellen, die unser Organismus benötigt, um heranzuwachsen, sich zu entwickeln und regenerieren zu können, die er aus sich heraus jedoch nicht synthetisieren und damit selbst bilden kann.

Zu den lebenswichtigen Nährstoffen zählen Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine und Mineralstoffe. Ebenso dazu gehören Fette respektive die darin enthaltenen Fettsäuren. Für die Gesunderhaltung von besonderer Bedeutung sind die mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Sie dienen uns nicht allein als wertvolle Energielieferanten, sondern sind obendrein auch ein wichtiger Baustein unserer Körperzellen, deren Membrane sie durchlässig und flexibel halten, was sie unvermeidlich zum Bestandteil unterschiedlichster Stoffwechselprozesse macht.

Essenzielle Fettsäuren im Fokus

Zu den mehrfach ungesättigte Fettsäuren zählen die Omega-6-Fettsäure Linolsäure und die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (auch n-6- und n-3-Fettsäure). Die Moleküle unterscheiden sich im Aufbau nur geringfügig: Die zweifach ungesättigte Linolsäure enthält 18 Kohlenstoffatomen, 32 Wasserstoffatomen und zwei Sauerstoffatome (C18H32O2), die dreifach ungesättigte Alpha-Linolensäure (C18H30O2) enthält zwei Wasserstoffatome weniger. Beide Omega-Fettsäuren sind aus gesundheitlicher Sicht für uns von großer Bedeutung. Linolsäure und Linolensäure sind für Menschen essenziell, sprich unentbehrlich und müssen dem Organismus mit der Nahrung zugeführt werden, da der Körper sie nicht selbst synthetisieren kann.

Reich an Linolsäure sind

  • pflanzliche Öle wie Oliven- und Sonnenblumenöl,
  • fettes Fleisch und fettreiche Wurst,
  • Margarine,
  • Nüsse und Mandeln.

Alpha-Linolensäure wiederum ist in größerer Menge in Pflanzenölen wie Leinöl (56-71 %) [1] und Chiaöl (60 %) [2] enthalten. Ebenso reich an Linolensäure, wenngleich in vergleichsweise geringerer Menge, sind Hanföl, Rapsöl, Walnussöl und Sojaöl [3].

Die Menge, die der Mensch an Fett bzw. an essenziellen Fettsäuren aufnehmen muss, hängt vom jeweils individuellen Bedarf ab, der wiederum vom Lebensalter und dem persönlichen Aktivitätsprofil [4] beeinflusst wird.

Täglicher Bedarf von Linolsäure

Der Linolsäurebedarf liegt im Durchschnitt bei 100 mg/kg Sollgewicht pro Tag, d. h., es sind 6,5 g Linolsäure pro Tag oder 2,3 Prozent der Energie als Linolsäure nötig. Die Zufuhrempfehlung für Alpha-Linolensäure liegt bei 1 g/d bzw. 0,5 Prozent der Nahrungsenergiezufuhr. Das Verhältnis von Linolsäure zu Linolensäure liegt demnach idealerweise bei 5:1 [4, 5].

Kritischer Blick auf Pflanzenöle

Der Verzehr von Pflanzenölen, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, gehört zu einer gesunden Ernährung dazu. Das Stichwort ist hier mediterrane Ernährung: Die im Mittelmeerraum verortete Ernährungsweise basiert im weitesten Sinn auf dem Verzehr von viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorn-Getreideprodukten und Olivenöl, einem moderatem Fisch-Konsum und einer gemäßigten oder geringen Menge an Milchprodukten, Wein und Fleisch. Laut Ernährungswissenschaftler Matthias Schulze übt die Mittelmeerdiät eine positive Wirkung auf den menschlichen Körper aus. Sie könne Herzinfarkten vorbeugen und das Risiko für Gefäßkrankheiten senken, wie der Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rebrücke (DIfE) betont [6].

Neueste Untersuchungen werfen nun aber die Frage auf, ob diese Empfehlung uneingeschränkte Gültigkeit besitzt oder ob nicht doch gewisse Einschränkungen gelten sollten in Bezug auf den Verzehr von Nahrungsmitteln, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind. Hierbei steht deren Handhabung im täglichen Gebrauch im Fokus. Denn Forschende der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen haben kürzlich bei der Analyse handelsüblicher Pflanzenöle beachtliche Mengen erbgutschädigender Substanzen nachgewiesen. Diese hätten sich im weiteren Verlauf der Untersuchung der Linolensäure als Quelle zuordnen lassen, berichten Gertrud Morlock, Professorin für Lebensmittelwissenschaften an der JLU Gießen, und Doktorand Daniel Meyer im Fachjournal Food Chemistry [7].

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Wahl des richtigen Analyseverfahrens

Obgleich dieser Sachverhalt bereits nachdenklich stimmt, setzen die Forschenden noch einen obendrauf: Die tatsächliche Tragweite des Problems spiegele sich in der Erkenntnis wider, bringt es Morlock auf den Punkt, dass „die derzeit in der Analytik üblicherweise eingesetzte Technik genotoxische Verbindungen in Lebensmitteln nicht hinreichend erfasst und übersieht“. Das hänge damit zusammen, dass unsere Lebens- und Futtermittel i. d. R. komplexe Gemische seien, die aus Tausenden Verbindungen bestehen, von denen uns die meisten oftmals Spurenverbindungen nicht bekannt seien, wie die analytische Chemikerin erläutert. Nicht zuletzt deshalb komme man mit einer zielgerichteten Analytik nicht sehr weit, was den Nachweis potenzieller Schadstoffe und Toxine betreffe.

Analytische Praxis im Zweifel

Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Lipide, sprich Fette und Öle, sind ein wichtiger Bestandteil von Grundnahrungs- und Futtermitteln. Insbesondere von den darin enthaltenen ungesättigten Fettsäuren weiß man aber, dass sie leicht zum Objekt oxidativer Prozesse werden. Ob durch Luftsauerstoff verursacht oder photolytisch getriggert: Am Ende bilden sich daraus Epoxide, deren genotoxisches Potenzial zwar durchaus bekannt sei, wie Morlock sagt, derer man allerdings in der Laborpraxis in der Qualitätssicherung, Produktkontrolle oder Lebensmittelkontrolle nicht vollumfänglich habhaft werde. Bei den beschriebenen Methoden und Verfahren zur Bestimmung von Genotoxinen handle es sich nämlich laut Morlock um Assays zum Nachweis und zur Quantifizierung von Epoxiden basierend auf der Reaktion mit Bromwasserstoff oder anderen Chemikalien. Die Kenntnis der Identität jedes vorhandenen Epoxids ist wichtig, da die Referenzstandards entsprechend der Kettenlänge des Analyten ausgewählt werden müssen, was jedoch bei Lebensmittelproben mit unbekannter Zusammensetzung problematisch sein kann. Ein anderer Ansatz verwendet einen Carbamat-Assay, der an die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gekoppelt ist, was zu Problemen mit Metallionen im System führen kann.

Ebenfalls werde die kernmagnetische Resonanzspektroskopie verwendet, die sich jedoch nur sehr begrenzt einsetzen lasse und versage, insbesondere wenn es um hochwirksame Genotoxine geht, die in sehr geringen Mengen in einer komplexen Probe vorhanden sind, schreiben Morlock und Meyer. Das sich abzeichnende Problem zahlreicher blinder Flecken gipfle in der Erkenntnis, dass man zwar einen bestimmten Bereich erbgutschädigender Verbindungen, nämlich den der Epoxide, bereits erkannt hat, andere Substanzklassen aber, die ebenfalls genotoxisch wirkten, nicht darstellen könne, resümiert Morlock.

Planare non-target Genotoxizitäts-Profile

Zielgerichtete chemische Analysemethoden (target analysis) schieden aus Sicht der Forschenden zur sicheren und vollumfänglichen Analytik potenziell erbgutschädigender Verbindungen aus. Und auch standardisierte Bioassays für sich allein genommen (zwar non-target, aber nur Summenwert als Ergebnis) erfüllten die Anforderungen aus unterschiedlichsten Gründen nicht hinreichend [7]. Worin aber liegt die Lösung? Auf der Suche nach geeigneten Analyseverfahren und -methoden ließ sich Morlock von mehreren Annahmen leiten:

  • Die von uns tagtäglich konsumierte Nahrung enthält Genotoxine, von denen wenig bekannt ist und die i. d. R. unerkannt bleiben.
  • Die gegenwärtig in Analyselaboratorien genutzte Analysetechnik erfasst Genotoxine nicht hinreichend, weil Target-Strategien per Definition nur ein limitiertes Spektrum an Verbindungen erfassen und Non-Target-Assays (Summenwert) nicht empfindlich genug sind und wichtige Effektsignale durch entgegengesetzte Signalantworten (zytotoxisch, physikochemisch etc.) aufgehoben werden können.

Aus diesen Annahmen leiteten die Forschenden die Hypothese ab, dass „ein empfindlicher planarer Genotoxizitäts-Bioassay, der die Trennung und den Wirkungsnachweis auf derselben Oberfläche kombiniert, eine Differenzierung der Effekte ermöglicht und in der Lage sein könnte, das Vorhandensein von Genotoxinen in Lebensmitteln zu klären“. Sie richteten ihr Augenmerk bei der Lösung der Herausforderung, Genotoxine in Lebensmitteln möglichst vollumfänglich in 33 Pflanzenölen zu bestimmen [7], auf die Hochleistungs-Dünnschichtchromatographie (HPTLC) kombiniert mit biologischen Assays und der hochauflösenden Massenspektrometrie (HRMS/MS) [8, 9].

Probe aufs Exempel

Die Forschenden gingen dabei, vereinfacht skizziert, wie folgt vor: Sie applizierten Aliquote (0,1 µg) der Pflanzenöle ohne weitere Probenvorbereitung lediglich verdünnt auf HPTLC-Platten (Kieselgel). Deren Entwicklung erfolgte in entsprechenden Trennkammern mit aufsteigendem Kapillarfluss, und zwar in drei Stufen: erst die polaren, dann die mittelpolaren und schließlich die unpolaren Komponenten. Der chromatographische Trennerfolg wurde mittels gängiger Detektionsverfahren (UV/Vis, FLD) überprüft. Den Genotoxizitätstest führten sie auf derselben Trennoberfläche durch: Die HPTLC-Platte wurde zunächst mit einer Suspension kultivierter genmodifizierter Bakterien (Salmonella typhimurium) benetzt und inkubiert. In dieser Zeit hatten alle Probenbestandteile Kontakt mit der Bakterienzelle. Bei einer DNA-schädigenden (genotoxischen) Verbindung wird nun ein spezieller Reparaturmechanismus (SOS-Umu-C) in der Bakterienzelle in Gang gesetzt, der letztlich zur Freisetzung eines Enzyms (Galactosidase) an dieser Genotoxin-Stelle auf der HPTLC-Platte führt.

Abb. 2: Komplexe Proben untersucht mit dem planaren Genotoxizitäts-Assay, der durch einen gentechnisch veränderten Salmonella typhimurium-Stamm mit einem SOS-Umu-C-Reparaturmechanismus Genotoxine als orange Fluoreszenzzonen nachweist.
Abb. 2: Komplexe Proben untersucht mit dem planaren Genotoxizitäts-Assay, der durch einen gentechnisch veränderten Salmonella typhimurium-Stamm mit einem SOS-Umu-C-Reparaturmechanismus Genotoxine als orange Fluoreszenzzonen nachweist.
(Bild: Professor Gertrud Morlock)

Die Sichtbarmachung des Genotoxins erfolgte durch Aufbringen des Substrates für das Enzym (fluorogenes Galactosid) und erneuter kurzer Inkubation, während der das Fluorophor entsteht. Zur Identifizierung der genotoxischen Verbindungen wurden die interessierenden Zonen mittels elutionskopf-basiertem Interface aus dem Kieselgel eluiert und der HRMS/MS zugeführt. Für das Screening der 33 Pflanzenöl-Proben wurde dieselbe Zellkultur verwendet, um die Signalintensitäten unmittelbar vergleichen zu können; somit seien die Unterschiede in den genotoxischen Reaktionen tatsächlich der Menge an Genotoxin oder -stärke und nicht einer unterschiedlichen Zellkulturleistung zuzuschreiben.

Hypothesen bestätigen sich

Was wurde erreicht? „Unsere erste Hypothese, die besagt, dass unsere tägliche Nahrung Genotoxine enthalten könnte, hat sich leider als richtig erwiesen“, sagte Morlock. Es habe sich gezeigt, dass die Anzahl und Intensität der Signale mittelpolarer Genotoxine deutlich höher lagen, wenn die Öle länger als zwei Jahre gelagert wurden gegenüber Ölen, die weniger als ein Jahr gelagert worden waren. Ihre zweite Hypothese, also dass gegensätzliche Signalreaktionen zu falschen Summenwerten führen und bei der Interpretation der Ergebnisse von in-vitro-Mikrotiterplatten-Assays in die Irre führen können, habe sich ebenfalls bewahrheitet, berichten die Forschenden weiter. Dass es bislang keine Effektdifferenzierung und nur einen Summenwert gebe, erkläre, „warum wir bisher noch keine Genotoxin-haltigen Grundnahrungsmittel gesehen haben“. Dabei habe man in nur 0,1 Millionstel Gramm eines jeden Haushaltsöls mehrere genotoxische Verbindungen nachweisen können.

Abb. 3: Arbeitsablaufdes planaren Assay-Screenings und optionale Charakterisierung von Schadstoffzonen mit hochauflösender Massenspektrometrie.
Abb. 3: Arbeitsablaufdes planaren Assay-Screenings und optionale Charakterisierung von Schadstoffzonen mit hochauflösender Massenspektrometrie.
(Bild: Professor Gertrud Morlock)

Ein Desaster, wie die Forschenden betonen: Der durchschnittliche Verbrauch von Ölen und Fetten habe, wie die Forschenden berichten, in Deutschland im Jahr 2020 bei etwa 25 kg pro Kopf, das entspreche 69 g Öl/Fett pro Kopf und Tag. Das wiederum bedeute, „dass gerade, wenn man sich gesund ernähren will, täglich eine um 690 Millionen höhere genotoxische Reaktion aufgenommen werden kann als die im Bioautogramm beobachtete Reaktion“, sagte Morlock, die sich berechtigter Weise die Frage stellte: Warum sind wir noch am Leben? Vermutlich aufgrund der Entgiftung der nachgewiesenen genotoxischen Verbindungen durch eine gesunde Leber. Zumindest zeigten dies erste Untersuchungen und Ergebnisse der simulierten Metabolisierung mit Leberenzymen (Leber-Stoffwechsel) auch auf derselben Trennoberfläche. Allerdings bleibt fraglich, in wie vielen Fällen Krebsarten, die das Verdauungssystem betreffen, beginnend in Mund und Speiseröhre, mit der Nahrung aufgenommene genotoxische Verbindungen eine ausschlaggebende oder Nebenrolle spielen.

Was am Ende zu sagen bleibt

Pflanzenöle, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, werden für eine gesunde Ernährung empfohlen. Doch so gesund wie gedacht, sind diese Öle offenkundig nicht, wie die Forschenden mit der Bestimmung erbgutschädigender Verbindungen in einer Vielzahl kommerziell erhältlicher Pflanzenöle belegt haben. Ihnen gelang es mittels HPTLC kombiniert mit planarem Bioassay und HRMS/MS, oxidierte Linolensäure in allen Proben als eine Ursache der Genotoxizität zu identifizieren. Die Menge der schädlichen Verbindungen in den untersuchten Ölen stieg mit zunehmender Lagerung an der Luft. Wohlbekannt sei in diesem Kontext, dass insbesondere die gesunden ungesättigten Fettsäuren anfällig für oxidative Reaktionen sind, die zur Bildung von Epoxiden führe. „Epoxidierte Fettsäuren sind in ihrer genotoxischen Wirkung bereits bekannt, wurden bislang aber nicht in Pflanzenölen nachgewiesen“, sagt Morlock. „Unsere Analysen sind von großer Bedeutung, denn Pflanzenöle stecken in fast allen Lebensmitteln, in vielen Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika“, betont die analytische Chemikerin.

Bei dem neuartigen Verfahren kombinierte das Forscherteam Methoden aus der Chemie und der Biologie auf derselben Oberfläche: die chromatographische Trennung und den Wirkungsnachweis. „Mit dieser Methode erhält man deutlich aussagekräftigere Wirkstoffprofile als bislang möglich und kann genotoxische Verbindungen in komplexen Proben differenzierter und mit höherer Sensitivität visualisieren“, berichtet Morlock. Diese wirkungsbezogene Analytik mittels sogenannter Planar-Chromatographie hat sie an der JLU Gießen etabliert. „Die aktuell in der Lebensmittelanalytik verwendeten Methoden geben die Schadstoffbelastung mit Genotoxinen in komplexen Lebensmitteln wie Ölen nicht richtig wieder.“ Ein Paradigmenwechsel in der Analytik hin zu planaren bildbasierten Wirkstoffprofilen sei unvermeidbar, um die Verbrauchersicherheit v. a. bei Basislebensmitteln zu erhöhen. Um das neue Verfahren zu verbreiten, wurde es als portables Open-Source-System miniaturisiert, was weltweit einzigartig ist [10]. Im Vergleich zu anderen Methoden ist das System sehr nachhaltig bezüglich des geringeren Materialeinsatzes und -verbrauchs sowie der kleinen Nutzfläche, die zwei Labore ersetzt.

Hinzu komme, dass planare wirkungsbezogene Screen­ings durch die parallele Analyse vieler Proben je nach Assay nur 5 bis 20 min pro Probe erfordern bei vergleichsweise geringen Verbrauchskosten und keine oder nur eine minimale Probenvorbereitung erfordern, wie Morlock es beschreibt [11, 12]. Die Investitionskosten lägen für kommerzielle Systeme höher, wohingegen das Open-Source-System um den Faktor 100 verringerte Materialkosten zur Anschaffung benötigt. Können Schadstoffzonen keinen bekannten Verbindungen in den komplexen Proben zugeordnet werden, ist es möglich, hochaufgelöste Massenspektren direkt vom Bioautogramm durch automatisierte Elution über eine zusätzliche orthogonale Trennung mittels HPLC zu erhalten. Diese weitergehende Charakterisierung erfolgt laut Morlock bei Bedarf und gestalte die so genannte On-Surface-Assay-Strategie höchst effizient [11, 12].

Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, ob Mundschleimhaut, Speiseröhre und Haut als erste Kontaktstellen mit den Genotoxinen umgehen können und ob die Leber – sollten die Genotoxine überhaupt dort ankommen – diese Substanzen entgiften kann. Zudem seien weitere Studien vonnöten, um Verarbeitungspraktiken, Produktformulierungen und geeignete Lagerungsbedingungen zu finden, die die Stabilität ölhaltiger Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika über die empfohlene Produkt­lebensdauer gewährleisten.

Referenzen:

[1] Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft: Fettsäurezusammensetzung wichtiger pflanzlicher und tierischer Speisefette und -öle (Memento vom 22. Dezember 2008 im Internet Archive) (PDF). https://web.archive.org/web/20081222233514/http:/www.dgfett.de/material/fszus.htm

[2] Mascia, P (Hrsg.), Scheffran J (Hrsg.), Widholm J (Hrsg.) (2010). Plant Biotechnology for Sustainable Production of Energy and Co-Products. Band 66 der Reihe Biotechnology in Agriculture and Forestry, Springer, ISBN 978-3-642-13439-5, S. 235.

[3] Koerber Kv, Männle T, Leitzmann C (2012): Vollwert-Ernährung. Konzept einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung. Haug, Stuttgart, 12. Aufl., S. 88

[4] https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/fett/

[5] Elmadfa I, Leitzmann C (2019), Ernährung des Menschen (6. Auflage). Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart

[6] Gaub L, Schulze M (2020), Gesunde Mittelmeerdiät, https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/ernaehrung/gesunde-mittelmeerdiaet-723767.html, Apotheken Umschau, https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/ernaehrung/gesunde-mittelmeerdiaet-723767.html

[7] Morlock G, Meyer D (2023), Designed genotoxicity profiling detects genotoxic compounds in staple food as healthy oils, Food Chemistry 408, 135253, https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2022.135253

[8] Morlock G (2021), High-performance thin-layer chromatography combined with effect-directed assays and high-resolution mass spectrometry as an emerging hyphenated technology: A tutorial review, Analytica Chimica Acta 11080:338644, https://doi.org/10.1016/j.aca.2021.338644

[9] Meyer D et al. (2023), Effect-detection by planar SOS-Umu-C genotoxicity bioassay and chemical identification of genotoxins in packaging migrates, proven by microtiter plate assays SOS-Umu-C and Ames-MPF, Food Control 147: 109546, https://doi.org/10.1016/j.foodcont.2022.109546

[10] Sing, L., Schwack, W., Göttsche, R., Morlock, G.E.: 2LabsToGo − Recipe for building your own chromatography equipment including biological assay and effect-detection, Anal. Chem. 94 (2022) 14554–14564

[11] Morlock G. (2022), Paradigmenwechsel in der Analytik, chrom+food forum 09:50/51

[12] Morlock, GE. (2022) Schadstoffe besser erkennen in komplexen Proben, FOODLab 9:20-23

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