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Genetisch veränderte Pilze Gezielt modifizierte Schimmelpilze für bessere Antibiotika-Produktion

Autor / Redakteur: Meike Drießen* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Um Schimmelpilze als Antiobiotika-Produzenten einsetzen zu können, müssen sie genetisch modifiziert werden. Um dies nicht dem Zufall zu überlassen, haben Bochumer Wissenschaftler die Genome der Schimmelpilze genauer analysiert.

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Sie haben sich das Genom der Schimmelpilze genau angeschaut: Tim Dahlmann und Dominik Terfehr (r.).
Sie haben sich das Genom der Schimmelpilze genau angeschaut: Tim Dahlmann und Dominik Terfehr (r.).
(Bild: RUB, Kramer)

Bochum – Schimmelpilze sind in der Pharmaindustrie die Produzenten von Antibiotika. Um die Ausbeute zu erhöhen, wurden die Pilzstämme immer wieder genetisch verändert, allerdings nach dem Zufallsprinzip. Die Biologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) Dr. Tim Dahlmann und Dominik Terfehr haben jetzt am Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik von Prof. Dr. Ulrich Kück genauer untersucht, welche Veränderungen in zwei zur Produktion genutzten Organismen stattgefunden haben. Dabei stellten sie Ähnlichkeiten fest. Ihre Ergebnisse, die dazu beitragen sollen, künftig gezielte genetische Veränderungen an den Pilzen vorzunehmen, haben sie in einem aktuellen Artikel veröffentlicht.

Pilze produzieren Antibiotika

Antibiotika sind seit über 50 Jahren zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren im Einsatz. Die dabei meistens verwendeten Medikamente gehören zur Klasse der Beta-Lactam-Antibiotika und werden industriell ausgehend von Penicillin und Cephalosporin gebildet. Diese wichtigen Ausgangsstoffe werden durch die beiden Schimmelpilze Acremonium chrysogenum und Penicillium chrysogenum produziert. Der Wert der jährlich weltweit von diesen Pilzen produzierten Antibiotika beträgt rund 19 Milliarden Euro.

Beide Schimmelpilze wurden von Anfang an für die Produktion dieser Antibiotika optimiert. „Man setzt sie zum Beispiel UV-Strahlung aus, wobei der größte Anteil der bestrahlten Kultur abstirbt. Viele überlebende Zellen weisen nach der Bestrahlung Mutationen in ihrem Erbgut auf. Manche dieser genetischen Veränderungen bringen ein Mehr an antibiotischen Wirkstoffen hervor. Diese Stämme werden dann weiter genutzt“, erklären die Autoren. Auf diese Weise sind über viele Jahre hinweg vielfältige bisher unbekannte Genveränderungen zustande gekommen.

Welche Mutationen erfolgreich sind

Die Bochumer Forscher gingen daher der Frage nach, ob die beiden Schimmelpilze, die taxonomisch nicht miteinander verwandt sind, ähnliche Anpassungen an die Hochproduktion von Beta-Lactam-Antibiotika zeigen. Sie verglichen die Aktivität aller Gene in Wildtyp- und Produktionsstämmen beider Organismen miteinander. Die für die Beta-Lactam-Antibiotikabiosynthese notwendigen Gene liegen auf den Chromosomen in Clustern. Das sind zusammenhängende Gruppen von Genen, die von Regulatoren kontrolliert werden, welche für verschiedenste Prozesse verantwortlich sind. Bei dieser genomweiten Untersuchung nutzten die Forscher neben gentechnischen Verfahren bioinformatische Ansätze, um Regulatoren der Antibiotikabiosynthese zu analysieren. Ein wichtiges Regulatorprotein ist „Velvet“, welches unter anderem die Antibiotikabiosynthese reguliert.

„Unsere Analysen zeigen zum einen, dass in den Produktionsstämmen beider Organismen ähnliche Stoffwechselwege eine parallele Anpassung erfahren haben“, so Tim Dahlmann. „Zum anderen konnten wir beobachten, dass Velvet in beiden Produzenten gleiche Gene reguliert.“ Damit konnten die Forscher zum ersten Mal beweisen, dass die industrielle Stammoptimierung bei beiden Pilzen zu ähnlichen genetischen Veränderungen geführt hat. „Dieses Ergebnis ist überraschend, weil man bisher angenommen hat, dass die zufällig durchgeführte Stammverbesserung zu ungerichteten und wenig voraussagbaren genetischen Veränderungen führt“, erklärt Dahlmann. Die Forscher konnten zudem zeigen, dass es für die Steigerung der Menge des Antibiotikums nicht nur darauf ankommt, die an der Herstellung beteiligten Gene hoch zu regulieren, sondern auch darauf, konkurrierende Prozesse herunter zu regulieren, um beste Voraussetzungen zu schaffen.

Strategien zur gezielten Optimierung

Künftig wollen die Biologen auf Basis der identifizierten Gene neue Strategien entwickeln, um die Stämme von Beta-Lactam-Produzenten gezielt zu optimieren. Dazu müssen sie diese Gene in beiden Organismen mithilfe von molekulargenetischen Methoden charakterisieren, verändern und ihren genauen Einfluss auf die Beta-Lactam-Produktion analysieren.

Originalpublikation: Dominik Terfehr, Tim A. Dahlmann, Ulrich Kück: Transcriptome analysis of the two unrelated fungal β-lactam producers Acremonium chrysogenum and Penicillium chrysogenum: Velvet-regulated genes are major targets during conventional strain improvement programs, in: BMC Genomics, 2017

* *M. Drießen, Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum

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