Pyrrolizidinalkaloide effizient bestimmen Giftkräuter in Lebens- und Futtermitteln analytisch im Griff
Pflanzliche Lebens- und Futtermittel können natürlicherweise toxische Pyrrolizidinalkaloide (PA) enthalten. Experten empfehlen daher, agrarbasierte Rohstoffe sowie Lebens- und Futtermittel vor der Verarbeitung auf eine Kontamination mit PA zu kontrollieren. Die Methode der Wahl ist die LC/MS-Analyse nach vorangegangener Festphasenextraktion (SPE).
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Auf Viehweiden und Feldern gedeiht nicht nur gesundes Grün, sondern dort finden sich auch Wildkräuter, die Land- und Pferdewirten ein Dorn im Auge sind. Die stoßen sich u.a. an so genanntem Jakobs-Greiskraut, auch Jakobs-Kreuzkraut genannt, ein in den gemäßigten Zonen Europas weitverbreitetes Rucola-ähnliches Gewächs.
Im Gegensatz zu Rucola ist Jakobs-Greiskraut jedoch nicht bekömmlich, im Gegenteil. Jakobs-Greiskraut sowie artverwandte Spezies enthalten Pyrrolizidinalkaloide (PA), die von der Pflanze gebildet werden, um sich vermutlich gegen Fressfeinde zur Wehr zu setzen. Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Toxine und besitzen nachweislich eine leberschädigende, manche auch eine genotoxisch-kanzerogene Wirkung. Die Aufnahme bereits geringer Mengen PA kann zu einer schleichenden Vergiftung führen, was bei Pferden und Rindern beobachtet wird. Eine PA-Vergiftung kann zu schwerwiegenden Erkrankungen führen, mitunter auch zum Tod des Tieres.
Kontaminationen mit Pyrrolizidinalkaloiden feststellen
Bedenklich ist, dass Jakobs-Greiskraut auch in handelsüblichen Tees, etwa in Fenchel-, Kamille-, Kräuter-, Pfefferminz-, Brennnessel- und Melissentee, sowie in bestimmten Honigen festgestellt wurde. Nach einer Risikobewertung schlussfolgert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin, die in den Lebensmitteln (Kräutertees, Rooibostee, schwarzer und grüner Tee sowie Honig) vorkommenden PA-Mengen seien sowohl für Kinder als auch für Erwachsene bei längerer (chronischer) Aufnahme gesundheitlich bedenklich [1]. Es sei Aufgabe der Lebensmittelhersteller, konstatiert das BfR, Maßnahmen zu ergreifen, um die Belastung von Lebensmitteln mit PA zu senken.
Wie groß die Herausforderung ist, die es hierbei zu meistern gilt, macht folgende Betrachtung deutlich: Insgesamt gibt es mehr als 6000 Pflanzenspezies, die PA produzieren, das sind drei Prozent aller weltweiten Blühpflanzen, rechnet Dr. Birgit Christall vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde vor [3]. Mehr als 600 verschiedene PA-Verbindungen und deren N-Oxide sind inzwischen bekannt, die in mehr als 350 Pflanzen weltweit nachgewiesen wurden, berichtet das BfR. Die große Verbreitung von PA-Pflanzen weltweit lasse mutmaßen, gab Dr. Birgit Christall in ihrer Präsentation auf dem 16. BfR-Forum Verbraucherschutz im Dezember 2015 zu bedenken, dass es bei genauer Betrachtung keinen hundertprozentigen Schutz von Mensch und Tier vor PA gibt.
Diese Sicht mag ein Hinweis dafür sein, warum es, im Gegensatz zu Arzneimitteln, bislang keine gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungs- und Grenzwerte für Pyrrolizidinalkaloide in Futter- und Lebensmitteln gibt, allenfalls Empfehlungen beziehungsweise einen „Code of Practice“ [4] der Kommission des „Codex Alimentarius“ [2] bezüglich der Handhabung sowie der Freisetzung und Verbreitung PA-haltiger Pflanzen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht derzeit keine Möglichkeit, eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI-Wert) festzulegen. Für das BfR gilt dem Grunde nach eine Nulltoleranzgrenze, die einzuhalten unter den gegebenen Umständen jedoch unrealistisch erscheint. Getreu dem Motto, die Dosis macht das Gift, rät Dr. Birgit Christall dazu, die PA-Gehalte in Lebens- und Futtermitteln so niedrig wie möglich zu halten. Das aber setzt eine wirksame, hochsensitive und produktive Analyse relevanter Proben und Probemengen voraus.
Wirksamer Verbraucherschutz vor Pyrrolizidinalkaloiden
Die Untersuchung landwirtschaftlicher Erzeugnisse einschließlich Futter- und Lebensmittel auf das Vorhandensein kritischer PA ist alles andere als leicht, schreibt das BfR in einer Stellungnahme [1]: Die PA-Analytik stelle aufgrund ihrer großen strukturellen Vielfalt und dem Vorkommen in unterschiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar. In den letzten Jahren habe das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert. Diese Methoden ließen sich in der Lebens- und Futtermittelüberwachung der Länder sowie der Industrie einsetzen. Derzeit stehe allerdings nur eine begrenzte Anzahl der vorkommenden PA als Referenzstandard zur Verfügung, sodass im BfR zusätzlich Analyseverfahren entwickelt wurden, um den gesamten PA-Gehalt abschätzen zu können.
Das BfR empfiehlt für die Bestimmung von PA in Pflanzenmaterial eine LC-MS/MS-Methode nach vorangegangener Anreicherung der Analyten mittels Festphasenextraktion (SPE) [5]: Die PA werden aus dem Pflanzenmaterial mit schwefelsaurem Wasser unter Verwendung eines Ultraschallbads zweifach extrahiert. Anschließend werden die Proben zentrifugiert und ein Aliquot des Überstands wird zur Festphasenextraktion (SPE) unter Verwendung von C-18-Materialien eingesetzt. Nach methanolischer Elution der PA, wird das Eluat bis zur Trockne eingedampft und der Rückstand wird in einem Methanol-Wasser-Gemisch (HPLC-Anfangsbedingungen) aufgenommen. Im Anschluss erfolgen die chromatographische Trennung und die Detektion mittels Massenspektrometrie [1].
Ein Auftragslabor, das sich auf die Analyse von Lebens- und Futtermitteln spezialisiert hat, ist auf eine effiziente Bearbeitung der Proben angewiesen. „Hierin liegt das große Manko der BfR-Methode, nämlich der hohe Arbeits- und Zeitaufwand insbesondere für die Probenvorbereitung“, sagt Franziska Chmelka, diplomierte Lebensmitteltechnologin und Geschäftsführerin von Tela, eines akkreditierten, auf die Analyse von Lebensmitteln und Umweltproben spezialisierten Auftragslabors. Um die Produktivität bei der Analytik zu steigern, hat die Tela die BfR-Methode kurzerhand automatisiert.
Fokus auf die eingesetzte Analysentechnik
Für die PA-Analyse nutzen Franziska Chmelka und Kollegen eine Gerätekombination bestehend aus einem Multi-Purpose-Sampler (Gerstel-MPS) insbesondere für die automatisierte SPE in Verbindung mit einem LC-MS/MS-System von Agilent Technologies (1290er HPLC+ 6495 Triple Quadrupol). Die Trennung der Analyten erfolgt auf einer Standard-RP-Phase (Nucleodur C18 HTec 250 x 2 mm x 5 µm, Macherey-Nagel), unter Verwendung eines Eluentengradienten bestehend aus 5 mM Ameisensäure (Eluent A) und Methanol (Eluent B): 0 min (5% B) – 3 min (5% B) – 7 min (20% B) – 13 min (20% B) – 16 min (65% B) – 17 min (95% B) – 20,1 min (5% B). Die Flussrate beträgt 0,25 mL/min, die Säulentemperatur 28 °C. Injiziert werden 5 µL des Eluats. Die Analyten werden im Multiple Reaction Monitoring (MRM, ESI positiv) gezielt detektiert. Für die Methodenentwicklung verwenden sie eine wässrige Standardlösung, die 17 verschiedene, in der BfR-Methode genannte PA enthält: Monocrotalin, Erucifolin, Intermedin, Jacobin, Lycopsamin, Monocrotalin-N-oxid, Erucifolin-N-Oxid, Intermedin-N-Oxid, Retrorsin, Jacobin-N-Oxid, Senecivernin, Senecionin, Retrorsin-N-oxid, Senecivernin-N-Oxid, Senecionin-N-oxid, Lasiocarpin und Lasiocarpin-N-oxid.
Die automatisierte SPE als Schlüssel
„Unser Augenmerk bei der Methodenentwicklung lag auf der Automatisierung des zeit- und arbeitsintensivsten Arbeitsschritts, sprich der Festphasenextraktion (SPE)“, berichtet Franziska Chmelka. Nach der erforderlichen Experimentierphase legten sich die Applikationsexperten der Tela auf ein geeignetes C18-RP-Material als Sorbens fest (Macherey-Nagel C18 ec 3 mL/500 mg). Sämtliche SPE-Schritte ließen sich im Zuge ihrer Methodenentwicklung erfolgreich automatisieren: die Konditionierung des Sorbens mit 5 mL Methanol und 5 mL Wasser, die Aufgabe von 5 mL Probe auf das Sorbens sowie die Elution der Analyten mit 5 mL Methanol. „Es ist uns ebenfalls gelungen, berichtet Dr. Norbert Helle, geschäftsführender Gesellschafter und ausgewiesener LC/MS-Experte, „das Eindampfen des Eluats, die Wiederaufnahme des Rückstands mit 1 mL 10-prozentigem Methanol sowie die Injektion von 5 µL des resultierenden Extrakts in das LC-MS/MS-System zu automatisieren“.
Die Analyse der Standardmischung habe ein in jeder Hinsicht sauberes Chromatogramm mit gut aufgelösten Signalen ergeben. Franziska Chmelka: „Eine gute Trennung und Auflösung der einzelnen Substanzen ist äußerst wichtig, weil viele sehr ähnliche Massenübergänge besitzen und somit eine Differenzierung der verschiedenen PA nur über Retentionszeiten möglich ist.“
Anschließend stellten die Applikationsexperten der Tela die Funktionstauglichkeit von Geräten und Methode auf den Prüfstand, indem sie reale Proben, sprich die Blätter von Jakobs-Greiskraut, analysierten. Hierbei habe sich gezeigt, „sämtliche statistisch relevanten Parameter überzeugten von der Güte unserer automatisierten SPE-LC-MS/MS-Methode“, berichtet Franziska Chmelka und weiter: „Die Linerarität war über einen weiten Kalibrationsbereich bis runter auf 1 ng/mL hervorragend. Gleiches gilt für die Wiederfindung, die von Analyt zu Analyt zwischen 85 und 98 Prozent variierte. Die Reproduzierbarkeit der Methode, einschließlich Probenvorbereitung und Messung, zeigte eine analytabhängige Schwankungsbreite zwischen 1,29 und 4,83 Prozent. Besonders wichtig war, dass die Retentionszeiten stabil waren und lediglich zwischen 0,063 und 0,35 Prozent über einen Messzeitraum von mehreren Tagen schwankten. Bestimmunggrenzen zwischen 0,5 bis 0,05 µg/kg sind erreichbar.“
In einem weiteren Arbeitsschritt gingen sie der Frage nach, wie viele PA tatsächlich in den Tee übergehen. Zu diesem Zweck versetzte sie Kamillentee mit unterschiedlichen Mengen Jakobs-Greiskraut, dessen Anteil betrug 10, 1 und 0,1 Gewichtsprozent gegenüber dem Kamillentee. Über das Resultat der Messung sagt Franziska Chmelka: „Bereits eine Dreingabe von 0,1 Prozent genüge, um PA im Tee nachzuweisen.“
Quellen:
[1] www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-pyrrolizidinalkaloiden-in-lebensmitteln.pdf (12.02.2016)
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Alimentarius (12.02.2017)
[3] www.bfr.bund.de/cm/343/pyrrolizidinalkaloide-in-lebensmitteln-aktivitaeten-des-bll-und-positionen-der-lebensmittelwirtschaft.pdf (12.02.2017)
[4] http://ehtpa.eu/pdf/cop-revision-20090245.pdf
[5] www.bfr.bund.de/cm/343/bestimmung-von-pyrrolizidinalkaloiden.pdf
* G. Deußing: Redaktionsbüro Guido Deußing, 41464 Neuss
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