Zellteilung als Pforte Grenzgänger des Immunsystems: Wie T-Zellen durch Wände gehen
Die Immunzellen in unserem Körper müssen mobil sein, um stets dort einzugreifen, wo potenzielle Erreger eingedrungen sind. Doch ihr Weg ist oft blockiert, etwa von Wänden aus dicht gepackten Zellen. Wie die Immunzellen sich hier Durchgang verschaffen, haben Forscher aus Österreich mit Mikroskopie-Videoaufnahmen untersucht.
Anbieter zum Thema

Klosterneuburg/Österreich – Stellen Sie sich eine alte Steinmauer vor. Dicht aufeinander geschichtet sitzt ein Stein auf dem anderen. Jede noch so kleine Lücke ist gefüllt – ein scheinbar undurchdringliches Hindernis. Auf derartige Barrieren stoßen Immunzellen, während sie durch unseren Körper wandern, um Infektionen zu bekämpfen. Nur sind die Hindernisse keine Steinmauern, sondern Gewebe aus besonders dicht aneinander sitzenden Zellen. Die Immunzellen müssen einen Weg dort hindurch finden, um ihre Aufgabe als Rettungsdienst erfüllen zu können. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zusammen mit Kollegen des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und drei Schülern des Gymnasiums Klosterneuburg untersucht, wie dies in Fruchtfliegenembryonen geschieht.
Warten auf den richtigen Moment
Während der Entwicklung der winzigen, durchsichtigen Fliegen breiten sich Makrophagen, die häufigste Form von Immunzellen in Fruchtfliegen, im Gewebe aus. Mit Hochleistungsmikroskopen folgten die Wissenschaftler ihrem Weg. „Die Makrophagen kommen an der Wand an und suchen nach der richtigen Stelle, um einzudringen“, beschreibt Maria Akhmanova, bis vor Kurzem Postdoc am ISTA und Erstautorin der Studie. Dort warten die Makrophagen, bis eine Zelle der Gewebewand in die Zellteilung eintritt. Die Zelle wird rund und bereitet sich auf die Teilung vor – ein normaler Vorgang ihres Zellzyklus. Diesen Moment nutzt die Makrophage und drängt als erste – als Pionierzelle – in die entstandene Lücke, während alle anderen Immunzellen folgen.
Das Video zeigt Immunzellen (lila), die bei der Zellteilung dicht gepacktes Gewebe (grün) passieren. Die Aufnahmen sind an einer Fruchtfliegenlarve gemacht worden. ©Maria Akhmanova/ISTA:
Die Zellteilung öffnet Immunzellen die Tür
Indem die Forscher die Zellteilung gezielt ausschalteten, verlangsamten oder beschleunigten, wiesen sie nach, dass die Zellteilung tatsächlich entscheidend dafür ist, ob Immunzellen in das Gewebe eindringen können. Während sich die Gewebezelle teilt, wird die Verbindung zu ihrer Umgebung schwächer. Nicht die veränderte Form, sondern die geringere Bindung zwischen den Zellen ermöglicht es den Immunzellen einzudringen.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1874000/1874070/original.jpg)
Austausch von Immunzellen
Darm an Hirn: „Ich schick was hoch“
Dass eine Formveränderung allein kein Eindringen der Immunzellen erlaubt, belegten die Wissenschaftler mit Experimenten in Zusammenarbeit mit Kollegen am EMBL. Gemeinsam brachten die Forscher die Gewebezellen dazu, rund zu werden. Das allein reichte jedoch nicht aus, um die Immunzellen eindringen zu lassen. „Es war sehr aufregend zu sehen, wie die Makrophagen nur dann in das Gewebe eindringen konnten, wenn die Gewebezelle ihre Verbindungen verlor“, sagt Erstautorin Akhmanova.
Nutzen für Krebsforschung und mehr
„Dass die Zellteilung der Schlüssel ist, der die Makrophageninfiltration steuert, ist wirklich ein sehr elegantes Konzept mit weitreichenden Folgen“, meint Forschungsgruppenleiterin Prof. Daria Siekhaus. Der gleiche Mechanismus, der den Makrophagen hilft, in das Gewebe einzudringen, könnte auch für viele andere Arten von Immunzellen in Wirbeltieren wie dem Menschen wichtig sein. In Zukunft wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob Immunzellen vermehrt in Tumore eindringen, um sie von innen heraus zu bekämpfen, wenn sie die Verbindungen oder die Teilung der Gewebezellen manipulieren. Auch Immunzellen, die bei Autoimmunerkrankungen gesundes Gewebe angreifen, könnten so eventuell daran gehindert werden. „Unsere Erkenntnisse sind zudem für alle Forscher:innen von Bedeutung, die sich mit wandernden Zellen im Körper beschäftigen“, sagt die Zellbiologin.
Originalpublikation: Maria Akhmanova et al:. Cell division in tissues enables macrophage infiltration, Science (2022). DOI: 10.1126/science.abj0425
(ID:48239251)