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Unverzichtbarer Werkstoff der Fusionstechnologie Handgroße Diamantscheibe im Fusionsreaktor

Autor / Redakteur: Martin Heidelberger* / Christian Lüttmann

Nachhaltige unbegrenzte Energie aus dem Fusionskraftwerk - das ist das Ziel, woran viele Wissenschaftler weltweit arbeiten. Ein bislang noch wenig beachteter Werkstoff ist Diamant. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln nun Diamantscheiben für die Fusionstechnologie, die der starken Hitze des Plasmas im Fusionsreaktor standhalten. Gemeinsam mit dem Unternehmen Diamond Materials konnten sie bereits eine Scheibe mit einem Durchmesser von 180 Millimetern fertigen.

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Prof. Theo Scherer (l.) und Dr. Dirk Strauss (r.) vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT mit den Diamantscheiben
Prof. Theo Scherer (l.) und Dr. Dirk Strauss (r.) vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT mit den Diamantscheiben
(Bild: Tanja Meißner, KIT)

Karlsruhe – Unser Energieverbrauch ist enorm groß, weshalb immer mehr auf erneuerbare und nachhaltige Energiequellen gesetzt wird. Wie auf der Sonne sollen im Fusionsreaktor auf der Erde Wasserstoffatome zu Heliumatomen verschmelzen. Dabei werden große Mengen Energie freigesetzt, welche zu einer sicheren und klimafreundlichen Energieversorgung beitragen. Weltweit arbeiten Forscher daran, dies zu verwirklichen.

Was macht Diamant im Fusionsreaktor?

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) werden beispielsweise für den internationalen Forschungsreaktor „Iter“ und auch für kleinere Reaktoren wie „Wendelstein 7X“ so genannte Gyrotrons entwickelt. Das sind Mikrowellenoszillatoren, mit denen im Reaktor – wie in einer großen Mikrowelle – hohe Temperaturen von bis zu 150 Millionen Grad Celsius erzeugt werden. Dadurch erreicht der Brennstoff Tritium den für die Fusion notwendigen Plasmazustand.

Die technische Herausforderung ist nun, die Mikrowellenstrahlung aus den Gyrotrons in das Plasma zu führen und gleichzeitig ein Vakuum sowie das radioaktive Tritium im Inneren des Reaktors zu halten. Dafür hat ein Team um Dr. Dirk Strauss und Prof. Theo Scherer vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT eine passende Fensteranlage entwickelt. Hier kommt der Diamant ins Spiel, denn es ist der einzige Stoff, welcher der extremen Mikrowellenstrahlung standhalten kann und gleichzeitig über die notwendige Durchlässigkeit mit geringem Strahlungsverlust verfügt.

Größte synthetische Diamantstruktur

Da Strahlung mit einer Energie von über einem Megawatt in den Forschungsreaktor geleitet werden muss, wurden am IAM bereits eine Vielzahl Diamantfenster konzipiert. Inzwischen arbeiten die Forscher auch an den Fensteranlagen für den Iter-Nachfolgereaktor „Demo“. Dieser soll über einen Mehrfrequenzbetrieb der Mikrowellentechnik verfügen und ab 2050 tatsächlich Strom produzieren. Der Mehrfrequenzbetrieb der Mikrowellentechniker fordert allerdings neuartige Gyrotrons, welche wiederum neue Fensteranlagen mit größeren Diamantscheiben benötigen.

Der entsprechende Prototyp liegt nun vor: „Unsere Scheibe hat einen Durchmesser von 180 Millimetern und ist bis zu zwei Millimeter dick“, sagt Scherer. „Damit ist sie die größte synthetische Diamantstruktur, die bisher einsetzbar gefertigt wurde.“ Nun werden am IAM Oberflächenstruktur sowie die Hochfrequenzcharakteristik in Bezug auf Mikrowellenverluste des Fensters geprüft.

Herstellung der Diamantscheibe

Das Herstellen der Scheiben erfolgt durch chemische Gasphasenabscheidung (chemical vapor deposition, CVD), einem speziellen Beschichtungsverfahren. Die CVD-Diamantscheiben wachsen dabei auf einer Siliziumoberfläche in einem kleinen Vakuumreaktor, der mit einem Gasgemisch befüllt ist. Aus diesem wird mittels Mikrowellenbestrahlung ein Plasma erzeugt – ähnlich wie im Fusionsreaktor, allerdings unter viel geringerem Energieeinsatz. Das Plasma besteht aus atomarem Wasserstoff, der eine Graphitbildung verhindert, sowie einer geringen Menge Methan, das den Kohlenstoff für den Diamanten liefert. Da das Diamantfenster dabei nur wenige Mikrometer in einer Stunde wächst, ist es ein sehr langwieriger und teurer Prozess. Die Herstellung jeder solchen Diamantscheibe kostet dementsprechend einen sechsstelligen Eurobetrag.

Mit den neuen Diamantscheiben ist das Potenzial des Werkstoffs Diamant für die Fusionstechnologie noch nicht ausgeschöpft. „Zurzeit arbeiten wir an der Entwicklung von einkristallinen Diamantscheiben“, sagt Scherer. „Das könnte zu einer weiteren Verringerung der Mikrowellenverluste während der Transmission beitragen.“

* M. Heidelberger, Karlsruher Institut für Technologie, 76131 Karlsruhe

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