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Metabolom-Analyse zum Schädlingsnachweis Headspace-Technik zeigt den Duft von Motten
Schädlingsbefall kann zu erheblichen Lebensmittelverlusten führen. Mithilfe von Pheromonfallen müht man sich, den Befall zu bestimmen. Effizienter scheint ein Ansatz japanischer Wissenschaftler, die schon frühzeitig über ausströmende Stoffwechselprodukte die heranwachsenden Insekten enttarnen wollen.
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Wie vielen Menschen kann die Erde Nahrung bieten? Unter Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sind Wissenschaftler der Frage nachgegangen, wie man perspektivisch zehn Milliarden Menschen innerhalb der Belastungsgrenze von Mutter Erde ernähren könne [1]. Um diese Aufgabe zu meistern, gelte es, strenge Vorgaben einzuhalten, etwa in puncto Integrität der Biosphäre (intakte Artenvielfalt und Ökosysteme) oder der Nutzung von Land, Süßwasser und Kunstdünger. Eine nachhaltige Landwirtschaft sei zwingend erforderlich, um die planetare Belastungsgrenze einzuhalten. Ebenso gehöre unser Konsumverhalten auf den Prüfstand. Die Forscher fordern in diesem Zusammenhang, Gewohnheiten zu ändern, achtsamer mit Nahrung umzugehen, den Konsum von Fleisch zur reduzieren und weniger Essen wegzuwerfen. Rund 30% aller produzierten Lebensmittel würden beim Transport und durch Verschwendung verloren gehen, geben Gerten et al. zu bedenken [1]. In der Bilanz unberücksichtigt bleibt indes jener Anteil an Lebensmitteln, der durch Krankheiten und Schädlingsbefall wegfällt. Dies betrifft vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse. Savary et al. beziffern die Einbußen an Ernteerträgen global betrachtet mit durchschnittlich 21% bei Weizen, 30% bei Reis, 22,5% bei Mais, 17,2% bei Kartoffeln und 21,4% bei Soja [2]. Je früher Krankheit und Schädlingsbefall festgestellt werden, lautet die einhellige Meinung, desto eher lassen sich geeignete Gegenmaßnahmen einleiten und der Verlust an Nahrungsmitteln eindämmen.
Pflanzengesundheit im Blick
Mangelzustände durch schlechte Ernährung und Umweltbedingungen oder der Befall mit schädlichen Insekten und Krankheitserregern lassen sich bei Pflanzen höchst selten in einem frühen Stadium auf Anhieb von außen erkennen. Eine Inaugenscheinnahme taugt zur Diagnose folglich recht wenig. Um den Gesundheitszustand von Pflanzen auf dem Feld zu ermessen, kann man sich moderner Sensortechnik bedienen. Ein Fokus liegt hier z.B. auf der Bestimmung des Pflanzenhormons (Phytohormon) Ethylen (C2H4) [3]. Diese flüchtige, dem Stoffwechsel der Pflanze entstammende organische Verbindung steuert das Wachstum von Blatt, Blüte und Frucht. Zeigen die Emissionswerte Anomalien, kann das auf eine krankheitsbedingte Stoffwechselstörung hindeuten, womit sich folgerichtig frühzeitig geeignete therapeutische Maßnahmen ergreifen und größere Ernteausfälle bestenfalls minimalinvasiv abwenden lassen.
So fortschrittlich die Bestimmung des Gesundheitszustands von Pflanzen auf dem Feld ist, so konservativ wird bei der Fahndung nach schädlichen Insekten bei gelagertem Getreide vorgegangen. Weit verbreitet kommen Pheromonfallen zum Einsatz. Die Klebefallen dienen dazu, erwachsene Insekten einzufangen und über die Fangquote Rückschlüsse auf die vorliegende Insektendichte in der Lagerware zu ziehen. Der Nachteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Die Fallen zeigen ihre Wirkung erst, wenn es bereits zur Eiablage gekommen ist und sich die Insekten vermehrt haben.
Metabolische Profilierung
Ein frühzeitiges Eingreifen und Gegensteuern ist in diesem Stadium a priori kaum möglich. Obendrein ist mehr als fraglich, ob Maßnahmen, die dann zu ergreifen sind, um weiteren Schaden abzuwenden beziehungsweise im Rahmen zu halten, auch den Maßstäben eines integrierten Pflanzenschutzes (IPS) entsprechen. Demgemäß ist die Anwendung chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel mit Blick auf deren potenzielles Risiko für Mensch und Umwelt auf ein notwendiges Maß zu beschränken [4].
Allerdings scheint es sie zu geben, effiziente IPS-konforme Lösungen. Über eine davon berichten Fukuyo Tanaka, Yukio Magariyam und Akihiro Miyanoshita von der National Agriculture and Food Research Organisation (NARO) in Japan in ihrer Arbeit über die Bestimmung „flüchtiger Biomarker zur Früherkennung von mit Insekten befallenem braunen Reis“ [5]. Ihre darin beschriebene Forschungsleistung basiert im Wesentlichen auf der Annahme, dass lebende Organismen im Zuge ihres Stoffwechsels primäre und sekundäre Metaboliten produzieren, die hinreichend flüchtig sind, um sie mit geeigneten analytischen Mitteln sensitiv und spezifisch bestimmen zu können. Wird der Stoffwechsel gestört, wie es krankheitsbedingt oder infolge von Stress durch Schädlingsbefall wahrscheinlich ist und passieren kann, verändert sich das Profil der emittierten Stoffwechselprodukte (Metaboliten), lautet die Annahme. Diesen Sachverhalt im Blick, rückt die Lösung einer frühzeitigen Diagnostik, auch wenn typische Krankheitssymptome noch nicht deutlich sicht- und erkennbar sind, in greifbare Nähe.
Gesundheitszustand riechen
Der olfaktorischen Detektion geruchsaktiver Verbindungen bedient man sich bereits u.a. im Bereich der medizinischen Diagnostik. Beispielsweise lässt sich die Parkinsonerkrankung frühzeitig anhand charakteristischer Geruchsmerkmale in der Ausatemluft erkennen [6]. Andere Forschungsarbeiten zeigen, dass man über bestimmte flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus dem Stoffwechsel der Frau Auskunft über deren Fruchtbarkeit erhält [7]. Die eingangs erwähnten Wissenschaftler Fong et al. überwachten nicht zuletzt den Gesundheitszustand von Pflanzen durch Messen der Emission des Pflanzenhormons Ethylen [3]. Voraussetzung für die Verwendung als Biomarker ist die Kenntnis darüber, welche Metaboliten sich in hinreichend spezifischer Weise einem bestimmten Prozess zuordnen lassen. Die hierfür grundlegende Analytik (Metabolomik) ist nicht weniger aufwändig in methodischer und technischer Durchführung als die Auswertung der großen Datenmenge, die für eine qualitativ hinreichende Aussage erforderlich ist [8, 9]. „Die Entwicklung der metabolischen Profilierung flüchtiger Stoffe mithilfe der Big-Data-Analyse erleichtert das Screening auf flüchtige Biomarker, die mit Phänomenen verbunden sind, die an Krankheiten und Störungen von Pflanzen beteiligt sind“, schreiben Tanaka et al. in ihrer Arbeit. Als Beispiel nennen die Forscher zwei Pilzerkrankungen von Mangofrüchten, die sich anhand der Emission von Pentanal und Thujol nachweisen lassen. Die unter bestimmten Lagerungsbedingungen an Äpfeln beobachtete Bräune ließe sich ebenfalls zerstörungsfrei durch Detektion von aus dem Obst emittierten Methylestern ermitteln. Auf Grundlage dieser Beobachtung kommen Tanaka et al. zu dem Schluss, dass sich „flüchtige Verbindungen als Biomarker eignen, um leistungsstark Veränderungen im Stoffwechsel nachzuweisen, die sich auf Wechselwirkungen zwischen lebenden Organismen oder physiologische Veränderungen zurückführen lassen“.
Das Schädlingsexperiment
Zurück zur Reisanwendung: Um eine geeignete Methode zu entwickeln, mit der sich der Befall von braunem Reis durch lebensmittelschädliche Insekten frühzeitig feststellen lässt, verschafften sich Tanaka et al. zunächst einen Überblick über die für ihren Anwendungsfall wichtigsten Lebensmittelschädlinge.
Für ihre Untersuchungen im Labor kultivierten sie daraufhin fünf Mottenarten, namentlich die indische Maismehlmotte (Plodia interpunctella), die Dattelmotte (Cadra cautella), die Mehlmotte (Ephestia kuehniella), die Kakaomotte (Ephestia elutella) und die Reismotte (Corcyra cephalonica), sowie zwei Käferarten, den Maiskäfer (Sitophilus zeamais) und den Rotbraunen Reismehlkäfer (Tribolium castaneum), die allesamt in Japan als lebensmittelschädliche Insekten eingestuft sind. Anschließend gingen die Forscher dazu über, für die genannten Organismen geeignete, sprich spezifische Biomarker zu identifizieren. Tanaka et al. vermischten dazu rund 100 bis 150 Eier einer jeden Insektenart in 100 Gramm braunem Reis. Aufbewahrt wurde diese Testmischung in einem luftdicht verschlossenen 500-mL-Glas. Der Kunststoffdeckel besaß zwei Perforationen, durch die sich im weiteren Verlauf Headspace-Proben auf mit Tenax TA gefüllte Glasröhrchen für die Thermodesorption ziehen und anreichern ließen. Die zweite Öffnung diente dazu, einen Luftstrom durch das Gefäß für die Headspace-Probennahme zu ermöglichen. Sie wurde ebenfalls mit einem mit Tenax TA gefüllten Glasröhrchen versehen, um die angesaugte Luft von Schad- und Störstoffen zu befreien. Die Verwendung dieser speziellen Apparatur stellte des Weiteren einen konstanten Luftstrom und damit eine reproduzierbare Probenahme sicher. Zu Kontrollzwecken wurde Reis ohne Schädlingsbesatz unter gleichen Bedingungen, und zwar ebenfalls für die Dauer von etwas mehr als zwei Monaten, gelagert und beprobt. Während der ersten fünf Wochen erfolgte alle drei bis fünf Tage eine Probenahme aus dem Dampfraum. Die letzte erfolgte am Ende des Inkubationszeitraums nach zwei Monaten.
Der Stoff, der Insekten verrät
Mithilfe der Metabolomik (Details zur Analyse siehe ergänzendes zum Thema, unten) haben sich Tanaka et al. auf die Suche nach geeigneten Biomarkern gemacht, die frühzeitig Rückschlüsse auf einen möglichen Befall von Getreide und anderen gelagerten Nahrungsmitteln mit Insekten zulassen; bis dato mangelt es an einer soliden Datenbasis über die Emission flüchtiger organischer Verbindungen aus Insekten in Larvenform.
Die Auswertung der Daten ergab, dass befallener Reis dazu neigt, wenigstens eine der folgenden Verbindungen zu emittieren: Prenol, Isoprenol, Dimethylsulfid (DMS) sowie Dimethyltrisulfid (DMTS). Wie Tanaka et al. schreiben, hätten sich innerhalb von einer Woche insbesondere auf den Mottenbefall zurückzuführende Isoprenole nachweisen lassen; die insektenfreien Kontrollproben hätte nichts dergleichen emittiert. „DMTS wurde in allen von Insekten befallenen Reisproben nachgewiesen“, schreiben die Forscher, wobei sie als Hauptverursacher die Maismehlmotte und den Maiskäfer benennen. Laut Einschätzung von Tanaka et al. erwiesen sich die genannten Verbindungen als geeignet für den Einsatz als Biomarker zum Nachweis eines Insektenbefalls bei braunem Reis in einem frühen Stadium. Ihrer Meinung nach, trage die TD-GC/MS-Bestimmung genannter Metaboliten dazu bei, das Management und die Bekämpfung von Insekten in wichtigen Nahrungspflanzen zu erleichtern.
Literatur:
- [1] Gerten et al., Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundaries, Nature Sustainability (2020), DOI: 10.1038/s41893-019-0465-1
- [2] Savary et al., The global burden of pathogens and pests on major food crops, Nature Ecology & Evolution 3 (2019) 430–439; DOI:10.1038/s41559-018-0793-y
- [3] Fong et al., Trace Ethylene Sensing via Wacker Oxidation, ACS Central Science (2020); DOI: 10.1021/acscentsci.0c00022
- [4] Lexikon der Biologie: Integrierte Schädlingsbekämpfung, Spektrum
- [5] Fukuyo Tanaka, Yukio Magariyam und Akihiro Miyanoshit, Volatile biomarkers for early-stage detection of insect-infested brown rice: Isopentenols and polysulfides, Food Chemistry 303 (2020), DOI: 10.1016/j.foodchem.2019.125381
- [6] Tobias Hüser, Forscher wollen Parkinson-Patienten am Geruch erkennen, Laborpraxis (2017)
- [7] Guido Deußing, Kinderwunsch: Der Duft der Frauen und was er über ihre Fruchtbarkeit verrät, Laborpraxis 9 (2018)
- [8] Guido Deußing, Epidemiologische Probensätze auf dem Prüfstand, Laborpraxis 09 (2016)
- [9] Guido Deußing, Viel Regen, wenig Geschmack – wie das Klima die Qualität von Tee beeinflusst, Laborpraxis 10 (2016)
* G. Deußing, Redaktionsbüro Guido Deußing, 41464 Neuss
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