Materialforschung Hochdruck erzeugt Hohlräume – ungewöhnliche Stickstoffverbindungen
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Unter Druck entstehen Diamanten – aber auch poröse Stickstoffverbindungen mit großen Hohlräumen. Ein Forscherteam der Universität Bayreuth hat nun solche ungewöhnlichen Polynitride hergestellt und damit den Weg für neue High-Tech-Materialien bereitet.

Bayreuth – Unter hohem Druck entstehen dichte, kompakte Strukturen. Ob der Schneeball in der Hand oder das Auto in der Schrottpresse: Je kräftiger der Druck ist, den man von allen Seiten auf einen Gegenstand ausübt, desto mehr wird dieser zusammengepresst. Das Volumen verringert sich und Hohlräume im Inneren verschwinden. Doch genau dieser Erfahrung widersprechen Hochdruck-Experimente, die Forscher der Universität Bayreuth durchgeführt haben.
Bei einem Kompressionsdruck von rund einer Million Atmosphären, wie er 2500 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche herrscht, stellten die Wissenschaftler poröse Gerüststrukturen aus Stickstoff- und Metallatomen her. Dabei bauen Stickstoffatome beispielsweise zickzackförmige Ketten auf. In die Hohlräume der neuen Kristalle dringen Stickstoffmoleküle (N2) ein. Bei den in den Experimenten verwendeten Metallen handelt es sich um die Übergangsmetalle Hafnium (Hf), Wolfram (W) und Osmium (Os).
Potenzial für neue High-Tech-Materialien
„Unter normalen Drücken und Temperaturen, wie wir sie auf der Erde kennen, sind Stickstoffmoleküle sehr bindungsunwillig. Deshalb ist es faszinierend zu beobachten, wie sich unter hohen Drücken das Bindungsverhalten des Stickstoffs radikal ändert“, sagt Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth. „Es entstehen komplexe Gerüststrukturen, die unterschiedliche Arten chemischer Bindungen enthalten. In jedem Fall sind diese Strukturen porös – was sehr ungewöhnlich ist, wenn man beispielsweise bedenkt, wie sich Graphitschichten unter Hochdruck in kompakte und sehr harte Diamanten verwandeln“, erklärt die Forscherin.
Wie die komplexe Gerüststruktur aussieht, die im Einzelfall entsteht, hängt entscheidend von der Wahl des Übergangsmetalls ab. Dies bedeutet im Prinzip, dass die Synthese der Nitride gezielt gesteuert werden kann – zumindest unter hohen Drücken, wie sie im Labor erzeugt werden können. „Im Hinblick auf die wachsende technologische Bedeutung von Nitriden, beispielsweise für die Elektronik oder Energiespeicherung, bietet unsere neue Studie zahlreiche Anregungen für die Entwicklung neuer High-Tech-Materialien“, sagt Dr. Maxim Bykov, Erstautor der Studie.
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Material vereint Unvereinbares
Hart wie Diamant, leitfähig wie Metall
Originalpublikation: Maxim Bykov et al.: High‐pressure synthesis of metal‐inorganic frameworks Hf4N20·N2, WN8·N2, and Os5N28·3N2 with polymeric nitrogen linkers, Advanced Materials International Edition (2020); DOI: 10.1002/ange.202002487
* C. Wißler, Universität Bayreuth, 95447 Bayreuth
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