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Neuartiger Bildschirm macht IR-Licht sichtbar Ich sehe was, was du nicht siehst: Infrarot

Redakteur: Christian Lüttmann

Ob Druckstellen beim Apfel, Steinchen zwischen Kaffeebohnen oder die Hitze von Lötkolben – eine Infrarotkamera macht all dies leicht erkennbar. Nun haben Forscher von der Empa und weiteren Einrichtungen einen neuartigen Bildschirm entwickelt, der kurzwelliges Infrarotlicht sichtbar macht. Diese beschichtete Glasscheibe kann ohne elektronische Signalverarbeitung das unsichtbare Licht fürs menschliche Auge darstellen.

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In Infrarot sieht die Welt anders aus, wie dieses Falschfarbenbild einer Landschaft verdeutlicht (Symbolbild).
In Infrarot sieht die Welt anders aus, wie dieses Falschfarbenbild einer Landschaft verdeutlicht (Symbolbild).
(Bild: ©paulacobleigh - stock.adobe.com)

Dübendorf/Schweiz – Infrarotlicht ist für Menschen unsichtbar. Manche Tiere wie Klapperschlangen oder blutsaugende Fledermäuse können IR-Strahlung jedoch wahrnehmen und zur Nahrungssuche nutzen. Eine solche Sehfähigkeit im kurzwelligen IR-Bereich („short wave infrared“, SWIR) wäre manchmal auch für Menschen nützlich. So könnte man dann allein mithilfe von Sternenlicht auch in der Nacht recht scharf sehen. Für Mechaniker wäre die Hitze einer Lötspitze auf den ersten Blick erkennbar. Und Obsthändler könnten beschädigte Ware erkennen, noch bevor der Fäulnisprozess beginnt.

Doch IR-Licht ist fürs menschliche Auge nur schwer sichtbar zu machen. Während das für uns normalerweise unsichtbare, energiereiche UV-Licht in der Disco weiße Hemden blaue leuchten lässt (Fluoreszenzfarbstoffe in manchen Waschmitteln macht es möglich), gibt es bei IR-Licht keine so einfache Lösung. Denn Farbstoffe können zwar energiereiches Licht direkt in energieärmeres umwandeln, nicht aber energiearmes in energiereiches.

Alles auf einem Chip

IR-Kameras brauchen also Elektronik, um IR-Licht einzufangen, einen elektronischen Verstärker und schließlich einen Bildschirm, der das künstlich erzeugte Bild anzeigt. Das ist teuer. Heute übliche SWIR-Kameras für den Industrieeinsatz kosten um die 6.500 Euro.

Einem Team der Empa ist es nun gemeinsam mit Kollegen der EPFL, der ETH Zürich und der italienischen Universität Siena gelungen, SWIR-Licht mit einem einzigen Bauteil einzufangen und sichtbar zu machen. Ihr neuentwickelter Bildschirm besteht aus nur acht Schichten auf einer Glasoberfläche, ist also quasi ein OLED mit drei Zusatzschichten (s. Ergänzendes zum Thema). Das könnte Infrarot-Kameras zu nützlichen Alltagsgegenständen machen.

Funktionsweise des SWIR-Bildschirms

Und so funktioniert der Bildschirm: Kurzwelliges Infrarotlicht fällt durch eine elektrisch leitfähige Glasscheibe auf eine Farbstoffschicht in einem Photodetektor. Dort beginnen Elektronen zu wandern – diese Wanderungsbewegung wird durch eine elektrische Spannung verstärkt. Die elektrischen Ladungen gelangen dann in die OLED-Schicht und erzeugen dort einen grünen Lichtpunkt. Eine elektronische Signalverarbeitung durch einen Rechner ist nicht nötig: Das einfallende (unsichtbare) SWIR-Licht wird gewissermaßen analog verstärkt und direkt auf dem Bildschirm angezeigt. Die Farbe des emittierten sichtbaren Lichts – blau, grün, gelb oder rot – lässt sich durch die Wahl des Farbstoffs in der OLED einstellen.

Ergänzendes zum Thema
Der neue Infrarotdetektor – Aufbau und Funktion

Aufbau des Photodetektors: Der IR-Photodetektor gleicht einem Sandwich aus mehreren Schichten. Infrarot-Licht (IR) wird im organischen Photodetektor (OPD) absorbiert, dabei entstehen elektrische Ladungen: Elektronen und Löcher. Die Elektronen wandern zur positiven (und transparenten) Elektrode (Titandioxid (TiO2)/Indium-Zinn-Oxid (ITO)), die Löcher wandern in die organische Leuchtdiode (OLED). Dort vereinigen sie sich mit Elektronen, die über die negative Elektrode (Aluminium (Al)/Calcium (Ca)) eingespeist werden. Dabei emittieren sie sichtbares Licht.

Abkürzungen: TBD = N,N′-Bis(3-methylphenyl)-N,N′-diphenylbenzidin; Alq3 = Tris(8-hydroxyquinolin)aluminium

( Bild: Empa )

Lichtstärke des Photodetektors: Zwischen den beiden Elektroden wird eine variable Spannung angelegt. Je höher die Spannung ist, desto leichter wandern die vom IR-Licht generierten Ladungen in die OLED und rekombinieren dort unter Emission von sichtbarem Licht. Die Intensität des sichtbaren Lichts wird in Candela pro Quadratmeter (cd/m2) angegeben. Bei hohen Spannungen – zwischen sechs und zwölf Volt – fließt auch in Abwesenheit von IR-Licht schon ein kleiner Leckstrom, der den Pixel schwach leuchten lässt. Um einen möglichst hohen Bildkontrast zu erhalten, sollte der Helligkeitsunterschied des leuchtenden Pixels mit und ohne IR-Strahlen möglichst groß sein.

( Bild: Empa )

Absorption von Wasser: Wasser absorbiert im sichtbaren Bereich (ca. 400 bis 750 nm) kein Licht, ist also farblos. Es besitzt allerdings einige prominente Absorptionsbanden zwischen 760 und 2.000 nm. Wird etwa ein Apfel mit IR-Licht bei 1450 nm bestrahlt, dann absorbiert das Wasser im Apfel diese Strahlen, während die nicht-wasserhaltigen Bestandteile des Apfels das IR-Licht reflektieren. Dadurch werden beispielsweise innere Quetschungen von Äpfeln als dunkle Flecken sofort sichtbar. So lassen sich beschädigte Äpfel leicht aussortieren, um sie direkt zu Apfelsaft weiterzuverarbeiten.

Nützlich für Glasherstellung und Bohnensortierung

SWIR-Licht ist für viele Anwendungen in der Lebensmittelindustrie, der Logistik oder im Handwerk nützlich. So lässt sich etwa die Temperatur von Lötspitzen sichtbar machen oder die Abkühlung von neu hergestellten Gläsern und Flaschen überwachen. SWIR-Licht lässt feuchte Gegenstände dunkler erscheinen, was nützlich ist zum Sortieren von Kaffeebohnen oder schwarzen Oliven: Steine und Metallgegenstände als Verunreinigungen leuchten auf dem Förderband hell zwischen all den dunklen (feuchten) Früchten.

SWIR-Kameras werden bereits in vielen Bereichen eingesetzt, wie dieses Video von Sony zeigt. Der neuentwickelte SWIR-Bildschirm der Empa könnte aber deutlich preiswertere Geräte ermöglichen.

Ein getuntes Molekül brachte den Erfolg

Der Schlüssel zum Erfolg für den SWIR-Bildschirm von Empa-Forscher Roland Hanys und seinem Team sind spezielle Farbstoffe, die er und seine Kollegen schon lange erforschen. Es sind so genannte Squaraine – der Name stammt von der Grundstruktur des chemischen Moleküls, der Quadratsäure. Diese Farbstoffklasse wurde erstmals in den 1960er-Jahren entdeckt und zeichnet sich durch tiefe Farbe und gute Temperaturbeständigkeit aus.

Die Forscher veränderten die Quadratsäure chemisch so, dass sie im Bereich des SWIR-Lichts absorbiert. „Im Moment arbeiten wir mit Farbstoffen, die bei knapp 1.000 Nanometer absorbieren“, sagt Hany. „Aber wir sind bereits dran, die Absorption zu größeren Wellenlängen, also weiter hinein in den IR-Bereich zu verschieben. Wenn uns dies gelingt, kann unser Sensor Wasser und Feuchtigkeit noch deutlich besser erkennen als jetzt.“

Hany nennt das von seiner Gruppe entwickelte Modul OUC: „organic upconversion device“. Denn es verwandelt schwaches IR-Licht in stärkeres, sichtbares Licht (upconversion) und funktioniert mithilfe dünner Farbstoffschichten aus kohlenstoffbasierter Chemie (organic). Ein Problem ist, dass das Knowhow zur industriellen Herstellung organischer, optoelektronischer Bauteile v. a. in Asien vorhanden ist. Hany ist jedoch zuversichtlich für die Zukunft der Neuentwicklung. „Im Moment arbeiten wir daran, die Empfindlichkeit des Moduls zu erhöhen, und verbessern die Langzeitstabilität.“

Originalpublikation: K Strassel, Wei-Hsu Hu, S Osbild, D Padula, D Rentsch, S Yakunin, Y Shynkarenko, MV Kovalenko, F Nüesch, R Hany, M Bauer: Shortwave infrared-absorbing squaraine dyes for all-organic optical upconversion devices; Sci. Technol. Adv. Mater., Volume 22, 2021 - Issue 1, Pages 194-204; DOI: 10.1080/14686996.2021.1891842

(ID:47760305)