Mikrobiota in gebrauchten Spülschwämmen Im Schatten der Küchenschwamm-Bakterien: Viren, Archaeen und Co
Anbieter zum Thema
Im Küchenschwamm tummeln sich über 50 Mal so viele Bakterien wie auf dem Toilettensitz. Doch obwohl sie die Herrscher des Spülschwamms sind, finden auch andere Mikroorganismen dort ein zu Hause. Welche das sind und ob sie die Gesundheit des Menschen gefährden, hat ein Team der Hochschule Furtwangen untersucht.

Furtwangen – Mit bis zu 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter zählen gebrauchte Küchenschwämme zu den mikrobiell am dichtesten besiedelten Gebrauchsgegenständen in einem Haushalt. Da sich darunter auch Krankheitserreger wie Salmonellen oder Campylobacter-Bakterien befinden können, sind solche Spülschwämme in der Küche eigentlich keine hygienisch sinnvollen Reinigungsutensilien. Trotzdem erfreuen sie sich nach wie vor großer Beliebtheit.
:quality(80):fill(efefef,0)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1682200/1682231/original.jpg)
„Bei bisherigen Untersuchungen zur Mikrobiologie von Küchenschwämmen standen eindeutig Bakterien im Fokus. Es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer Mikroorganismen, wie Archaeen, Pilze, Protozoen, Algen und natürlich Viren. Über deren Vorkommen im ‚Keimhotel Küchenschwamm‘ war bislang kaum etwas bekannt“, sagt Prof. Dr. Markus Egert, der an der Hochschule Furtwangen am Campus Schwenningen Mikrobiologie und Hygiene lehrt.
Mit der Shotgun auf genetischer Spurensuche
Um einen ersten Überblick über die nicht-bakterielle Küchenschwamm-Mikrobiota und ihre Relevanz für die Küchenhygiene zu bekommen, haben er und sein Team in einer Pilotstudie fünf gebrauchte Spülschwämme einer so genannten Shotgun-Metagenomanalyse unterzogen. Dabei wird die gesamte DNA aus einer Probe extrahiert und sequenziert und schließlich werden über die gefundenen Genfragmente die anwesenden Organismen identifiziert.
„Unsere Studie belegte eindrucksvoll, dass Bakterien tatsächlich die Herrscher im Küchenschwamm sind. 98 % aller gefundenen DNA-Sequenzen ließen sich dieser Gruppe von Mikroorganismen zuordnen“, berichtet Studienleiter Egert. Am zweithäufigsten (1,6 %) waren Sequenzen eukaryotischer Lebewesen, also von Lebewesen mit einem echten Zellkern. Darunter waren Gene von Pilzen, Algen und tierischen Einzellern wie Amöben. Größenteils stammten diese DNA-Elemente aber von Lebensmittelresten, die mit dem Schwamm vermutlich beim Reinigen aufgenommen wurden.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1509200/1509242/original.jpg)
Der Mensch als Heimat für Mikroben
Warum zu viel Hygiene krank macht
Die Minderheiten im Küchenschwamm
0,14 % der Gensequenzen ließen sich Viren zuordnen. Bei den entdeckten 56 Gattungen handelte es sich ausnahmslos um Bakteriophagen, also Viren, die sich in Bakterien vermehren. Jeder der fünf untersuchten Schwämme wies dabei eine höchst individuelle Virengemeinschaft auf. Am wenigsten Sequenzen (0,007 %) entfielen auf Archaeen.
Archaeen sind eine Schwestergruppe der Bakterien und enthalten wie diese keinen echten Zellkern. Einzelne Gruppen zeichnen sich durch besondere Stoffwechselleistungen aus, etwa die Fähigkeit zur Bildung des Treibhausgases Methan. „In der Tat konnten wir in den Schwämmen auch die DNA methanogener Archaeen nachweisen. Ob Küchenschwämme, wie andere Feuchtbiotope, aber auch signifikante Mengen Methan produzieren, muss allerdings noch untersucht werden“, erläutert Egert mit einem Schmunzeln. Am häufigsten wurden halophile (salzliebende) Archaeen gefunden, die in Salzseen, aber auch auf der menschlichen Haut vorkommen, wo sie dem Salzgehalt des Schweißes trotzen können.
Blick auf Gesundheit und Forschung
Doch sind die gefundenen nicht-bakteriellen Bewohner im Küchenschwamm gefährlich für den Menschen? „Aus hygienischer Sicht kann nach unserer Studie Entwarnung gegeben werden. Es sieht nicht so aus, dass die nicht-bakterielle Mikrobiota eines Küchenschwamms besondere Gesundheitsrisiken mit sich bringt“, sagt der Mikrobiologe.
„Aus biologischer Sicht ist sie dennoch höchst interessant und kann viel zum Verständnis des Ökosystems Küchenschwamm beitragen. Die Bakteriophagen könnten zum Beispiel die Bakteriengemeinschaften im Schwamm in ihrer Zusammensetzung steuern oder auch den Genaustausch zwischen Bakterien fördern. Um solche Prozesse besser zu verstehen, müssten mehr Schwämme untersucht und die Analysemethodik zudem um RNA-Moleküle erweitert werden, sodass neben DNA-Viren auch RNA-Viren erfasst werden können“, erläutert Egert.
Originalpublikation: Brandau, L., Jacksch, S., Weis, S. et al.: Minority report: small-scale metagenomic analysis of the non-bacterial kitchen sponge microbiota, Arch Microbiol 204, 363 (2022); DOI: 10.1007/s00203-022-02969-9
(ID:48417462)