Chromatographie mit überkritischen Fluiden Kann die SFC als grüne Technik die HPLC verdrängen?
Oft wird sie als die neue Trendtechnik in der analytischen Chemie beschrieben, doch welche Vorteile bringt die Chromatographie mit überkritischen Fluiden für den Anwender konkret? Und ist die Supercritical Fluid Chromatography, kurz SFC in der Lage, die wohletablierten HPLC-Systeme in den Laboren vollständig zu ersetzen?
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Es ist das Jahr 2009. Die weltweite Wirtschaftskrise hat auch die Kunststoffindustrie erfasst. Durch die geringeren Produktionsmengen steigen die Preise für das beliebteste HPLC-Lösungsmittel Acetonitril so drastisch an, dass vehement nach Alternativen gesucht wird. Die naheliegende Lösung wäre ein Methodentransfer auf die Verwendung von Methanol, doch sowohl die physiko-chemischen Eigenschaften als auch die Toxikologie machen den Umstieg auf Methanol nicht reibungslos möglich. Eine Alternative verspricht eine Technik, die bereits in den 1950er Jahren erstmals beschrieben wurde, jedoch oft als „science fiction chromatography“ abgetan wurde: die SFC, die richtigerweise für „Supercritical Fluid Chromatography“ steht.
Chromatographie mit überkritischen Fluiden: Grundlagen der SFC
Nach welchem Prinzip funktioniert die Supercritical Fluid Chromatography?
- Bei der Chromatographie mit überkritischen Fluiden werden Gase einem bestimmten Druck und einer bestimmten Temperatur ausgesetzt, um in den überkritischen Zustand versetzt zu werden.
- Ist der so genannte kritische Punkt überschritten, vereinen die Fluide in ihrem überkritischen Aggregatzustand die Eigenschaften von Gasen und Flüssigkeiten.
- Ihre Viskosität ist sehr gering, sodass sie leicht andere Stoffe durchdringen können, aber ihre Fähigkeiten zur Löslichkeit ähneln eher einer Flüssigkeit.
- Werden sie in der Chromatographie eingesetzt, erzeugen sie dadurch einen nur geringen Rückdruck auf der Säule und ermöglichen so deutlich höhere Flussraten als in der HPLC, treten dabei aber gleichzeitig in eine lösungsmittelähnliche Interaktion mit den Analyten und der stationären Phase.
Die physikalischen Bedingungen für den Übergang in den überkritischen Zustand sind stoffspezifisch. Durch seine relativ moderaten Bedingungen von knapp 70 bar und ca. 21 °C hat sich dabei Kohlendioxid (CO2) als das typische überkritische Fluid in der SFC etabliert. Es ist leicht verfügbar, ungiftig und kostengünstig. Durch seinen unpolaren Charakter ähnelt es in seinen Eigenschaften als mobile Phase in etwa klassischen unpolaren Lösungsmitteln aus der Normalphasen-Chromatographie wie Hexan oder Heptan. In Kombination mit geringen Mengen eines zusätzlichen polaren organischen Lösungsmittels, wie Acetonitril oder Methanol als so genannte Modifier, können in der SFC ähnlich wie in der HPLC Gradientenelutionen genutzt werden, um den Polaritätsbereich der zugänglichen Analyten zu erweitern und die Trennungen schneller und effizienter zu gestalten.
Was sind überhaupt überkritische Fluide? Dieses PEO ACWA Video beschreibt das physikalische Phänomen anhand einer Anwendung:
Aufbau eines SFC-Systems
Moderne SFC-Systeme ähneln in ihrem Aufbau der klassischen HPLC (s. Abb. 1 und 2). Je nach Hersteller sind sogar bestehende HPLC-Systeme nachträglich durch die Erweiterung von wenigen Komponenten auf ein SFC-System aufrüstbar. Dabei ergeben sich vor allem zwei wesentliche Unterschiede zur HPLC: die Pumpe und der Rückdruckregulator.
Die Pumpe, die das Kohlendioxid fördert, muss speziell auf das überkritische Fluid ausgelegt sein. Die Versorgung mit CO2 erfolgt oft über eine Flasche; es wird flüssig entnommen und in der Pumpe in den überkritischen Zustand versetzt. Da hierfür bestimmte Temperaturen benötigt werden, muss die Pumpe entsprechend temperiert werden.
Die zweite wichtige Komponente ist der Rückdruckregulator. Da sich das Kohlendioxid bei einem Abfall des Drucks wieder entspannt und in den gasförmigen Zustand zurückkehrt, ist es für eine reproduzierbare und verlässliche Chromatographie unabdingbar, dass der Druck über das gesamte System möglichst konstant aufrecht gehalten wird. Ihn zu verändern, wirkt sich sofort auf die Lösungseigenschaften des CO2 aus und damit auf die Trennung. Ein zuverlässiger Rückdruckregulator ist somit im Idealfall dynamisch, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können, die beispielsweise durch die modifizierte Lösungsmittelzusammensetzung bei der Gradientenelution auftreten. Zudem hat er ein möglichst kleines Totvolumen, wenn ein Massenspektrometer nachgeschaltet ist, um eine Peakverbreiterung zu verhindern.
Anwendungen und Vorteile der SFC
Seit der Einführung der modernen kommerziellen SFC-Systeme in den letzten 10 bis 15 Jahren hat nicht nur das wissenschaftliche Interesse an dieser Technik deutlich zugenommen. Die Anzahl der Publikationen pro Jahr, die neue Anwendungen oder Forschungsergebnisse der SFC beschreiben, ist seit 2010 deutlich angestiegen, und auch in der Industrie steigt das Interesse an SFC-Applikationen.
Durch die Verwendung von CO2 als Lösungsmittel, das nach der Trennung einfach evaporiert, werden Lösungsmittelabfälle reduziert und damit die Kosten für die Entsorgung organischer Abfälle minimiert. Gleichzeitig entsteht v.a. bei der präparativen Aufreinigung oder nachträglichen Strukturaufklärung der Vorteil, dass die mittels SFC isolierten Verbindungen nur noch in geringen Flüssigkeitsmengen aufkonzentriert werden. Somit kann ein zeit- und kostenintensives Eindampfen der Isolate deutlich schneller abgeschlossen werden.
Aber nicht nur bei präparativen Arbeiten kann die SFC ihre Vorteile ausspielen. In der Kombination mit massenspektrometrischen Detektoren kommt die Aufkonzentrierung durch das verdampfende CO2 ebenfalls einer hochempfindlichen Detektion zu Gute. Nach dem Austritt aus dem Chromatographiesystem entspannt sich das komprimierte Kohlendioxid und geht wieder in den gasförmigen Zustand über. Die Analyten verbleiben in den geringen Mengen an zugegebenem Modifier, sodass deutlich weniger Lösungsmittelanteil in die Quelle des Massenspektrometers eingetragen wird und somit eine effektivere Ionisierung erfolgen kann.
Ein weiterer, erheblicher Punkt sind die veränderten Elutionseigenschaften der SFC gegenüber der klassischen RP-HPLC. Durch die unpolaren Eigenschaften des CO2 ähnelt eine SFC-Trennung eher der NP-HPLC – sowohl von den gängigen verwendeten Säulen als auch von den Elutionsreihenfolgen. Damit eröffnet sich durch die SFC die Möglichkeit, eine orthogonale Trennmethode zur RP-HPLC zu etablieren.
Die klassischen SFC-Säulen unterscheiden sich dabei stark von der in der RP-HPLC typischen C18-modifizierten Säule. SFC-Säulen sind im Allgemeinen eher polar, sodass selbst pures Silicagel Anwendung findet. Die am häufigsten in Publikationen und Forschungsarbeiten eingesetzte Säule ist beispielsweise eine 2-Ethylpyridin-Säule, aber auch andere Funktionalitäten wie Diol-, Cyano- oder Amidsäulen sind mittlerweile in speziellen SFC-geeigneten Versionen kommerziell erhältlich.
Ein Bereich, in dem sich die SFC bereits seit den 1980er Jahren etabliert hat, ist die Trennung chiraler Verbindungen. Dort, wo die HPLC oft an ihre Grenzen stößt, kann die SFC durch ihre besonderen Eigenschaften zu deutlich verbesserten Trennungen führen. Die besonderen physiko-chemischen Merkmale des CO2 ermöglichen hier oft eine Trennung der Isomere, die sich in der HPLC nicht trennen ließen, oder eine verkürzte Analysendauer (s. Abb. 3). Das unterstreicht, warum gerade bei chiralen Trennungen die SFC heutzutage in Industrie und Forschung vielseitig eingesetzt wird.
Allheilmittel SFC?
Die vielfältigen Anwendungsbereiche, die geringen Lösungsmittelverbräuche, die Robustheit und einfache Bedienbarkeit der modernen SFC-Systeme lassen schnell den Eindruck aufkommen, dass die SFC als neue „Geheimwaffe“ zukünftig die HPLC vollständig verdrängen könnte. Gerade im regulierten Umfeld, bei normierten Methoden oder gut charakterisierten Prozessen wird die HPLC aber sicherlich noch über einen langen Zeitraum die Analysentechnik der Wahl sein.
Jedoch hat die SFC gerade durch ihre Orthogonalität und erweiterten Anwendungsbereiche in der analytischen Chemie einen berechtigten Platz im Labor. Moderne Systeme ermöglichen zudem das einfache Nachrüsten von SFC-Komponenten zu bestehenden HPLC-Systemen oder sogar den mühelosen Wechsel zwischen beiden Techniken in einem Gerät.
Das Nexera-UC/s-Switching-
System von Shimadzu kombiniert z.B. eine vollwertige UHPLC mit einer SFC und bietet, die zwei Trenntechniken in einer gemeinsamen Probentabelle zu verwenden. Beim Wechsel zwischen beiden ist weder ein Umbau noch eine Veränderung der Verrohrung nötig, sondern dieser kann einfach Software-seitig erfolgen. Somit ist es möglich, ohne großen Aufwand die Funktionalität eines UHPLC-Systems um die SFC zu erweitern. Bei kritischen Trennungen kann dann ein Methoden-Scouting über beide Trennmodi erfolgen, um für jede Applikation das optimale Verfahren zu etablieren (s. Abb. 4).
![Abbildung 1: Das neue Nexera UC/s (SFC/UHPLC Switching-System) ermöglicht die Nutzung zweier verschiedener Trenntechniken mit einem einzigen System und erlaubt eine automatische Optimierung der Trennbedingungen wortwörtlich über Nacht. (©Shimadzu; ©Sergey Nivens - stock.adobe.com [M]GötzelHorn) Abbildung 1: Das neue Nexera UC/s (SFC/UHPLC Switching-System) ermöglicht die Nutzung zweier verschiedener Trenntechniken mit einem einzigen System und erlaubt eine automatische Optimierung der Trennbedingungen wortwörtlich über Nacht. (©Shimadzu; ©Sergey Nivens - stock.adobe.com [M]GötzelHorn)](https://cdn1.vogel.de/jSHDqHbYE_UyX1KdixdIecex9_w=/320x180/smart/filters:format(jpg):quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1433800/1433820/original.jpg)
Schnelles chirales Screening mittels SFC/LC-Switching-System
Flüssigchromatographie: Optimiert über Nacht
* Dr. Isabelle Spenner: Shimadzu Deutschland GmbH, 47269 Duisburg
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