Fluoreszenz und Photochemie Katalyse im Discolicht – Blau aktiviert Sauerstoff
Dass Katalyse auch schön aussehen kann, zeigen Experimente am Leibniz-Institut für Katalyse. Dort haben Chemiker ein neues System an Photokatalysatoren entwickelt, das Fluoreszenzfarbstoffe nutzt.
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Rostock, Jinan/ VR China – Als Schlüssel zu umweltschonenden chemischen Reaktionen erweist sich zunehmend die Photochemie. Unter milden Temperaturen und Normaldruck sollen künftig Photonen – also Lichtenergie – chemische Reaktionen bewirken. Ein Team um Dr. Esteban Mejía vom Leibniz-Institut für Katalyse (Likat) und Dengxu Wang von der chinesischen Shandong Universität hat jetzt ein modulares System entwickelt, mit dem sich wie aus einem Lego-Baukasten nahezu beliebig Photokatalysatoren für Verfahren in der organischen Chemie zusammenstellen lassen.
Aktiviert durch Fluoreszenzfarben
Der neue Katalysator ist ein Silikon-Material, das die Likat-Chemiker mit unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen versetzen: gelb, grün, rot oder blau. „Da jede Farbe zu einer bestimmten Wellenlänge im Lichtspektrum gehört, können wir damit wunderbar den Energiebereich bestimmen, in dem der Katalysator aktiv werden soll“, erläutert Forschungsleiter Mejía.
„Aktiv werden“ heißt hier v. a.: Der Photokatalysator absorbiert aus dem Licht Photonen, deren Energie er an die Reaktionspartner weitergibt, und zwar exakt im Energiebereich der jeweiligen Farbe, mit der er versetzt wurde. Auf diese Weise können Chemiker Ausgangsstoffe so präzise aktivieren, dass sie ausnahmslos mit den gewünschten Reaktionspartnern neue chemische Bindungen eingehen und kaum Nebenprodukte erzeugen.
Ungewöhnliche milde Bedingungen reichen
Im Unterschied zu üblichen Prozessen der organischen Chemie verfügt das neue Katalysatorsystem über entscheidende Vorteile. Es arbeitet bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck, also unter ungewöhnlich milden Bedingungen, wie Mejía sagt. „Außerdem enthält der Katalysator keine Metalle. Und er kann leicht zurückgewonnen werden.“
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Entfernung von Mikroschadstoffen
Wasseraufbereitung mit Sonnenlicht
Der Katalysator ist ein Silikon-Derivat namens POSS, er besteht aus organischen und anorganischen Bausteinen, weshalb Chemiker ihn als hybrid bezeichnen. Charakteristisch für das Material ist eine Art Rückgrat aus Sauerstoff-Silizium-Sauerstoff-Bindungen. „Das macht den Katalysator thermisch und chemisch sehr stabil, so wie Sand, der ja auch hauptsächlich aus Silizium besteht“, erläutert Mejía. Sauerstoff und Silizium sind die beiden häufigsten chemischen Elemente der Erdkruste.
Poren machen den Unterschied
POSS ist hochporös und damit ideal für die Katalyse. „Die Poren bieten geeignete Nischen, in denen sich angeregte Ausgangsstoffe nahe genug kommen, um miteinander zu reagieren“, sagt Mejía. Auch ästhetisch spricht der Katalysator an: Unter Lichteinwirkung, die obligatorisch für Photokatalyse ist, beginnt er in den jeweiligen Farben, die ihm beigegeben wurden, zu fluoreszieren (siehe Bild oben).
Die Idee, farbige POSS als Katalysatoren zu nutzen, kam Mejía vor drei Jahren. Sein damaliger Postdoc Wang hatte zu dieser Zeit Sensoren zum Nachweis von nitroaromatischen Sprengstoffen, Metall-Ionen und toxischen Gasen entwickelt, und zwar auf Basis angeregter fluoreszierender Polymere. Wang gab den Polymeren einen Farbstoff entsprechend der nötigen Wellenlänge für den gesuchten Schadstoff bei. Sobald die Polymere Moleküle dieser Substanz aufspüren, hören sie auf zu leuchten. Mejía vermutete schon damals, dass sich auf diese Weise Moleküle nicht nur detektieren, sondern auch chemisch aktivieren lassen. „Mit solch einer farblich gesteuerten modularen Funktion könnten wir sozusagen einen chemischen Lego-Baukasten entwickeln, aus dem wir uns Katalysatoren zusammenstellen.“
Modellreaktion: C-H-Derivatisierung
Die Photokatalysatoren entstanden dann in China, im Labor von Dengxu Wang, der inzwischen an die Universität Shandong berufen wurde. In Rostock entwickelte Mejías Doktorandin Xuewen Guo die Modellreaktion dafür samt Tests und Analysen. Als Modell diente ein Prozess aus der organischen Synthese: die C-H-Derivatisierung. Üblicherweise braucht es für das Aufbrechen der C-H-Bindung ein Metallatom, das vom Katalysator bereitgestellt wird. Der neue Photokatalysator aus dem Likat enthält aber keinerlei Metall. Die Forscher setzten stattdessen auf seine hochporöse Struktur. „Wir wussten außerdem, dass unser Material gut mit Sauerstoff reagiert“, sagt Guo. Und den benötigt die Reaktion als Oxidationsmittel.
Mit Blaulicht zu superreaktivem Sauerstoff
Tatsächlich funktioniert die Reaktion, und inzwischen ist den Chemikern auch der Ablauf klar. „Der Katalysator absorbiert aus dem Licht ein Photon und überträgt es an den Sauerstoff“, erläutert Mejía. „Dabei bildet sich ein superreaktives Sauerstoff-Teilchen.“ Chemiker nennen es „Singlet Oxygen“. Dieser energiereichen Spezies gelingt es, die Moleküle der organischen Ausgangsstoffe anzugreifen, somit zu aktivieren und für die nächsten Schritte vorzubereiten. Im Labor gelang dieser Vorgang am besten, wenn die Proben mit blauem Licht bestrahlt wurden. Auch der Katalysator wurde mit einem blauen Fluoreszenzfarbstoff versetzt.
Am Ende spart diese Vorgehensweise eine komplette Reaktionsstufe ein. Die Arbeit wird gewissermaßen in einem Schritt erledigt: Ausgangsstoffe aktivieren und derivatisieren sowie die Derivate mit speziellen Funktionen versehen. Das verbessert die ökologische Bilanz solcher Prozesse.
Originalpublikation: Xuewen Guo, Jabor Rabeah, Ruixue Sun, Dengxu Wang and Esteban Mejía: Fluorescent Hybrid Porous Polymers as Sustainable Heterogeneous Photocatalysts for Cross-Dehydrogenative Coupling Reactions, ACS Appl. Mater. Interfaces 2021, 13, 36, 42889–42897; DOI: 10.1021/acsami.1c12377
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