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Nanotechnologie KI lernt, einzelne Moleküle zu greifen

Redakteur: Katharina Juschkat

Erstmals ist es Forschern gelungen, eine Künstliche Intelligenz in der Nanotechnologie einzusetzen. Die Aufgabe: Einzelne Moleküle mit einem Rastertunnelmikroskop greifen und bewegen.

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Mittels eines Rastertunnelmikroskops werden Moleküle entfernt – kein einfaches Unterfangen. Erstmals ist dafür eine KI im Einsatz.
Mittels eines Rastertunnelmikroskops werden Moleküle entfernt – kein einfaches Unterfangen. Erstmals ist dafür eine KI im Einsatz.
(Bild: Forschungszentrum Jülich / Christian Wagner)

Jülich – Moleküle und Atome zu greifen und zu bewegen, ist eine knifflige Sache: Nur durch ausgeklügelte Bewegungsmuster können sie mittels eines Rastertunnelmikroskops versetzt werden – eine Aufgabe, die langwierig per Hand mit Trial-and-Error-Methoden umgesetzt wird.

Jetzt haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der TU Berlin einen völlig neuen Ansatz gewählt: Eine Künstliche Intelligenz (KI), die selbstständig lernt, wie sie einzelne Moleküle greifen und bewegen muss.

Wie Moleküle bewegt werden

Das Rastertunnelmikroskop verfügt über keinen beweglichen Greifer, sondern über einen starren Kegel an der Mikroskop-Spitze. Daran haften die Moleküle nur leicht. In welchem Bewegungsmuster die Moleküle versetzt werden müssen, das lässt sich weder berechnen noch intuitiv erschließen – dafür ist die Mechanik auf der Nanoskala viel zu variable und kompliziert.

Die KI basiert auf dem sogenannten „Reinforcement Learning“, einer speziellen Variante des maschinellen Lernens. Dabei wird der Software kein Lösungsweg vorgegeben. Stattdessen wird Erfolg belohnt und Misserfolg bestraft – sodass der Algorithmus immer und immer wieder versucht, die Aufgabe zu lösen und aus seinen Erfahrungen lernt.

AlphaGo Zero

Die Lernmethode Reinforcement Learning ist vor ein paar Jahren durch die Software AlphaGo Zero bekannt geworden: Die künstliche Intelligenz entwickelte eigenständig Gewinn-Strategien des hochkomplexen Go-Spiels, ohne menschliche Spieler zu studieren – und war schon nach wenigen Tagen in der Lage, professionelle Go-Spieler zu besiegen.

Spezielles Bewegungsmuster nötig

Die konkrete Aufgabe in diesem Fall war es, einzelne Moleküle aus einer Schicht zu entfernen, in der sie über ein komplexes Netzwerk an chemischen Bindungen festgehalten werden. Es handelte sich um Perylen-Moleküle, die etwa für Farben und organische Leuchtdioden verwendet werden.

Die Herausforderung bei der Aufgabe: Die aufgewendete Kraft für die Bewegung darf niemals die Stärke der Bindung überschreiten, mit der die Spitze des Rastertunnelmikroskops das Molekül anzieht, da diese Verbindung sonst bricht. Die Spitze muss dafür ein spezielles Bewegungsmuster ausführen, das es herauszufinden gilt.

Während die KI anfangs völlig zufällige Bewegungsaktionen ausführt, die die Bindung zwischen Spitze und Molekül abreißen lassen, entwickelt er mit der Zeit Regeln, welche Bewegung in welcher Situation am erfolgversprechendsten ist. Er wird mit jedem Durchlauf besser.

KI unter Zeitdruck

Aber unbegrenzt Zeit hat er dafür nicht: Die Metallatome, aus denen die Spitze des Rastertunnelmikroskops besteht, können sich leicht verschieben, was die Bindungsstärke zum Molekül jedes Mal ändert. Das heißt konkret: Jeder neue Versuch macht die Gefahr einer Veränderung und damit den Abriss der Bindung zwischen Spitze und Molekül größer. Die KI muss besonders schnell lernen, sonst sind ihre Erfahrungen hinfällig.

Die Forscher haben diese Schwierigkeit überwunden, indem die KI parallel zu den ersten Versuchen auch ein einfaches Modell der Umgebung lernt, in der die Manipulation stattfindet. Der Agent trainiert dann gleichzeitig sowohl in der Realität als auch in seinem eigenen Modell, was den Lernprozess stark beschleunigt.

Das Rastertunnelmikroskop im Forschungszentrum Jülich ermöglicht das Bewegen von Molekülen.
Das Rastertunnelmikroskop im Forschungszentrum Jülich ermöglicht das Bewegen von Molekülen.
(Bild: Forschungszentrum Jülich / Christian Wagner)

Diese Methode, die in Science Advances beschrieben wurde, ist nicht nur für die Forschung interessant, sondern auch für den molekularen 3D-Druck. Die Arbeit soll Grundlage für die schnelle und präzise, automatische Konstruktion funktioneller, supramolekularer Strukturen sein, etwa von molekularen Transistoren und Speicherzellen.

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