Echtzeit-Beobachtung der Biomineralisation mit NMR Knochenwachstum wissenschaftlich betrachtet
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Knochen, Panzer, Zähne – in vielen Materialien spielt der Prozess der Biomineralisation eine Rolle. Ihn zu verstehen, kommt auch besseren Endoprothesen wie künstlichen Hüftgelenken zugute. Forscher aus Wien und Paris haben nun eine NMR-Methode weiterentwickelt und damit neue Einblicke in die Entstehung von solchen Naturmaterialien erhalten.

Wien/Österreich, Paris/Frankreich – Dank Fortschritten in der Medizin sowie weiteren positiven Einflüssen ist die Lebenserwartung der Menschen in jüngster Vergangenheit deutlich gestiegen. Damit geht eine zunehmende Zahl altersbedingter Erkrankungen einher, zu denen auch der Verschleiß von Knochen gehört. Jährlich werden allein in Deutschland über 400.000 künstliche Hüftgelenke und Knieprothesen eingesetzt oder erneuert. Dazu ist es wichtig, dass man möglichst gute Ersatzmaterialien für den biologischen Knochen findet und zu entsprechenden Prothesen verarbeitet.
„Um funktionelle Materialien und Ersatzwerkstoffe effizient zu designen, gibt es keine bessere Inspiration als die Natur, liefert sie doch die evolutionär erprobten Konzepte“, sagt Dennis Kurzbach vom Institut für Biologische Chemie. Zusammen mit Kollegen aus Paris arbeitet er deshalb daran, die Geheimnisse der Biomineralisation zu lüften. Dazu nutzt er eine spezielle Art der NMR-Spektroskopie, die im Rahmen der Forschungskooperation entstanden ist.
Auflösung im Millisekundenbereich
Die NMR (nuclear magnetic resonance)-Spektroskopie ist eine der wichtigsten Methoden, um Strukturen von Molekülen in Lösung zu ermitteln. Das Team um Kurzbach hat die Methode weiterentwickelt und so erstmals ermöglicht, damit Prozesse wie die Knochenbildung in Echtzeit zu verfolgen.
Der Prototyp ermöglicht eine bis zu 10.000-fache Signalverstärkung bei der NMR-Messung, indem er die Technik der Hyperpolarisation nutzt, genauer gesagt die Dissolution Dynamic Nuclear Polarization, kurz D-DNP). Damit lassen sich nun schnelle Prozesse – selbst im Millisekundenbereich – zeitlich aufzulösen und selbst einzelne Atome unterscheiden. Der Prototyp beinhaltet ein bereits patentiertes System, welches in Millisekunden die zu untersuchenden Substanzen mischen und die Messung starten kann.
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Beschichtung für Endoprothesen
Wenn die neue Hüfte sich selbst heilt…
Vorstufe von Kristallisationskeimen analysiert
Mithilfe der neuen Methode untersuchte Kurzbach mit seinem Pariser Kollegen Thierry Azaïs den Prozess der Biomineralisation im Anfangsstadium. Sie zeigten, dass sich beim Aufeinandertreffen von Calcium- und Phosphat-Ionen in Lösung innerhalb von Millisekunden eine Vorstufe von Kristallisationskeimen bildet. „Diese neue Spezies im Kristallisationsprozess konnten wir erstmals analytisch festnageln und mit unseren hochauflösenden Methoden observieren“, sagt Kurzbach,
Mit ihren Erkenntnissen liefern die Forscher zudem neues Material zu einem langjährigen Disput um die Theorie hinter der Biomineralisation von Calciumphosphat. „Manche zweifeln an, dass diese Vorstufen zu den Kristallisationskeimen in den über Jahrzehnte entwickelten klassischen theoretischen Erklärungsrahmen passen“, sagt Kurzbach.
Als nächstes will Kurzbach seine technologischen Fortschritte einsetzen, um Biomineralien und die chemischen Prozesse noch vor der Kernbildung umfassend zu beschreiben. Es geht z.B. darum zu klären, ob die Größe der neu entdeckten Spezies kontrollierbar ist und ob man damit Einfluss auf Härte oder Sprödigkeit des später makroskopischen Materials nehmen kann.
Originalpublikation: Emmanuelle M. M. Weber, Thomas Kress, Daniel Abergel, Steffi Sewsurn, Thierry Azaïs, Dennis Kurzbach: Assessing the onset of calcium phosphate nucleation by hyperpolarized real-time NMR, Analytical Chemistry 2020, DOI: 10.1021/acs.analchem.0c00516
* A. Frey, Universität Wien, 1090 Wien/Österreich
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