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Gammastrahlenblitz Kosmische Katastrophe mit Rekord-Energie aufgezeichnet

Autor / Redakteur: Gunnar Bartsch / Christian Lüttmann

Es blitzt gewaltig im Universum: In Form von Gammastrahlenblitzen. Ein solcher kam im Januar 2019 auf der Erde an und sorgte für Aufsehen unter Astronomen. Mittlerweile sind sie sicher: Die Energie dieses Blitzes übertrifft alle bisherigen Messungen. Aus den Aufzeichnungen lassen sich nun wichtige Erkenntnisse über die Natur solcher Phänomene ableiten.

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Künstlerische Darstellung eines Gammablitzes, der von der Explosion eines supermassereichen Sterns ausgelöst wird.
Künstlerische Darstellung eines Gammablitzes, der von der Explosion eines supermassereichen Sterns ausgelöst wird.
(Bild: DESY, Science Communication Lab)

Würzburg, La Palma/Spanien – Es war ein Ereignis von wenigen Minuten: Am 14. Januar 2019 registrierte das NASA Weltraumobservatorium Neil Gehrels Swift einen Helligkeitsanstieg aus der Richtung des Sternbilds Eridanus. Innerhalb von nur 22 Sekunden wurden die Koordinaten über das Internet weltweit verfügbar gemacht. Die Reaktion auf der Erde lief nicht langsamer ab: Nur 25 Sekunden dauerte es, bis Wissenschaftler auf der kanarischen Insel La Palma die beiden dort stationierten „Magic-Teleskope“ trotz ihres Gewichts von gut 64 Tonnen auf die eingegangenen Himmelskoordinaten ausgerichtet hatten.

Energien übertreffen bisherige Beobachtungen

Was die Teleskope dann entdeckten, sorgte unter Astronomen für Aufsehen. In einer nun erschienenen Veröffentlichung berichtet das internationale Forschungsteam, zu dem auch Astronomen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gehören, über das besondere Ereignis. Demnach handelte es sich um einen Gammastrahlenblitz aus einer Galaxie in über fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung.

Die beobachteten Lichtquanten des Gammablitzes GRB 190114C erreichten dabei so hohe Energien, wie sie bisher noch nie beobachtet wurden. Der Gammablitz überstrahlte alle andere Quellen aufgrund seiner enormen Helligkeit. Die normalerweise hellste Gammaquelle, der als Krabbennebel bekannte Supernova-Überrest Messier 1, wurde um das Hundertfache übertroffen.

Welche astronomischen Objekte kosmische Teilchenbeschleuniger sind und deswegen Gammastrahlung aussenden, beginnt die Wissenschaft erst seit kurzer Zeit zu verstehen. „Gammablitze gehören zu den stärksten kosmischen Teilchenbeschleunigern“, sagt Professor Karl Mannheim vom Astronomie-Lehrstuhl der JMU.

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Was ist Gammastrahlung?

„Gammastrahlung ist eine mit der Röntgenstrahlung verwandte, sehr durchdringende elektromagnetische Strahlung, die kaum abgeschirmt werden kann. Sie wurde erstmals nur wenige Jahre nach der von Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg entdeckten Röntgenstrahlung in Straßburg von Paul Villard bei der Untersuchung radioaktiver Proben nachgewiesen“, erklärt Professor Karl Mannheim, Inhaber des Lehrstuhls für Astronomie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Gammastrahlung entsteht bei Kernprozessen, Antimaterie-Vernichtung und durch Stoßprozesse sehr energiereicher Elementarteilchen.

Energiereiche Teilchen aus dem Weltraum, die als kosmische Strahlung bezeichnet werden, bombardieren permanent die Erdatmosphäre und sind für etwa die Hälfte der natürlichen ionisierenden Strahlung am Erdboden verantwortlich. Für die Entdeckung der kosmischen Strahlung erhielt der österreichische Physiker Victor Hess 1936 den Physik-Nobelpreis.

Hypernovae: Kraftwerke des Universums

Vermutlich wurde GRB 190114C durch eine Hypernova verursacht – der Supernova-Sternexplosion eines seltenen Typs massereicher Sterne am Ende ihrer Entwicklung. Im Inneren des massereichen Sterns bildet sich durch den Gravitationskollaps in Sekundenschnelle ein Schwarzes Loch, und die dabei freiwerdende Gravitationsenergie wird in zwei Plasmastrahlen parallel zur Rotationsachse ausgestoßen.

Die Entstehung und Detektion des Gammablitzes veranschaulicht dieses Video des Max-Planck-Instituts für Physik:

„In Hypernovae wird ein großer Bruchteil der gesamten Ruhemassenenergie des kollabierenden Sterns in Strahlung umgewandelt. Sie sind die effizientesten Kraftwerke im Universum“, erläutert Mannheim. Wie die Auswertung der im Januar 2019 gewonnenen Daten zeigt, wurden in den Plasmastrahlen des GRB 190114C Elementarteilchen auf enorm hohe Energien beschleunigt. Das Licht des Gammastrahlenblitzes entspricht dabei einer Strahlung mit der milliardenfachen Energie von Röntgenstrahlung.

Warum sich Astronomen mehr kosmische Katastrophen wünschen

Nachfolgebeobachtungen mit Teleskopen in anderen Wellenlängenbereichen ergänzen inzwischen das Bild und ermöglichen es, das Ereignis mit einer extremen Stoßwelle in Verbindung zu bringen, die von der Hypernova ausging und sich fast mit Lichtgeschwindigkeit in den interstellaren Raum ausbreitete. „Solche kosmischen Katastrophen finden auch in unserer Milchstraße statt. Sie sind sehr selten, wären aber absolut tödlich, wenn sie in Erdnähe geschehen“, sagt Mannheim. Die energiereiche Strahlung würde die Atmosphäre ionisieren und die schützende Ozonschicht zerstören.

Für die Astronomen ist die Entdeckung von 190114c allerdings ein erfreulicher Glücksfall. Denn die aktuellen Messdaten bei verschiedenen Wellenlängen liefern ihnen wichtige Hinweise, um die physikalischen Prozesse hinter den Gammablitzen zu entschlüsseln. Außerdem haben die Wissenschaftler inzwischen frühere Gammablitz-Beobachtungen genauer unter die Lupe genommen. Dabei stellten sie fest, dass GRB 190114c – abgesehen von seiner relativen Nähe zu unserem Sonnensystem – kein Einzelfall ist. „Möglicherweise ist unsere Entdeckung nur ein erstes Indiz dafür, dass alle Gammablitze Strahlung auf höchstem Energieniveau aussenden“, so Razmik Mirzoyan vom Max-Planck-Institut für Physik. „Wir hoffen daher, viele weitere Gammablitze mit einer Energie im Teraelektronenvolt-Bereich zu entdecken, um mehr über diese faszinierenden Himmelsobjekte zu erfahren.“

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Die „Magic“-Teleskope

Die zwei „Magic“ (Major Atmospheric Gamma-ray Imaging Cherenkov) Teleskope mit jeweils 17 Metern Spiegeldurchmesser befinden sich auf etwa 2200 Meter über dem Meer als Teil der europäischen Nordsternwarte am Roque de los Muchachos auf der Kanareninsel La Palma. Magic wird von einer internationalen Kollaboration mit etwa 160 Wissenschaftlern aus Instituten in Deutschland, Spanien, Italien, der Schweiz, Polen, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Indien und Japan betrieben.

Dass sich die Teleskope so schnell auf die Quelle des Gammablitzes ausrichten konnten, verdanken sie ihrem leistungsstarken Antrieb und dem verhältnismäßig geringen Gewicht. Die präzise und schnelle Reaktion des Magic-Teleskopsystems war entscheidend für die Entdeckung von GRB 190114C und Voraussetzung dafür, nun über einzigartige Messungen der Frühphase einer Hypernova bei hohen Energien zu verfügen.

Originalpublikationen:

The H.E.S.S. collaboration: A very-high-energy component deep in the γ-ray burst afterglow, Nature volume 575, pages 464–467(2019); DOI: 10.1038/s41586-019-1743-9

The MAGIC collaboration: Teraelectronvolt emission from the γ-ray burst GRB 190114C, Nature volume 575, pages 455–458(2019); DOI: 10.1038/s41586-019-1750-x

The MAGIC collaboration: Observation of inverse Compton emission from a long γ-ray burst, Nature volume 575, pages 459–463(2019); DOI : 10.1038/s41586-019-1754-6

* G. Bartsch, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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